Entwaldungsverordnung ersetzt Timber-Regulation

  • 20.03.2024
  • Lesezeit 6 Minuten

80 Prozent der weltweiten Arten, die an Land leben, sind in Wäldern beheimatet. Dieser Lebensraum verringert sich jede Minute weltweit etwa um die Größe von zehn Fußballfeldern. Dabei wird die Entwaldung hauptsächlich durch die gewerbliche Land- und Forstwirtschaft befeuert. Laut einem WWF Report aus dem Jahr 2021 ist die Europäische Union für 16 Prozent der Entwaldung im Zusammenhang mit dem internationalen Handel verantwortlich. Überholt wird sie nur von China.

Die im vergangenen Jahr verkündete Verordnung (EU) 2023/1115 („Entwaldungs-VO“) regelt nunmehr das Inverkehrbringen und die Bereitstellung auf dem Unionsmarkt sowie die Ausfuhr von bestimmten Erzeugnissen, die für diese Entwicklungen verantwortlich sind. Sie gilt sowohl für im Inland hergestellte als auch importierte Produkte. Die in einem Anhang zur Verordnung durch KN-Nummern näher qualifizierten Rohstoffe und Erzeugnisse aus den Bereichen Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Soja, Holz und Kautschuk gelten als besonders entwaldungsintensiv, wobei Soja gerade wegen seines Einsatzes als Futtermittel zu den Haupttreibern gehört. So sind beispielsweise von der Verordnung erfasst: lebende Rinder, Schokolade, Kaffee, Palmöl, Sojamehl, Sperrholz und Naturkautschuk. 

Ziel der Verordnung ist es, die weltweite Entwaldung und Waldschädigung zu minimieren und die Biodiversität zu erhalten sowie Treibhausgasemissionen zu verringern. Daneben enthält sie Referenzen zum Schutz indigener Völker. Nach Art. 3 Entwaldungs-VO dürfen die näher spezifizierten Produkte nur in den Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie: 

  • Entwaldungsfrei sind, 
  • gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden 
  • und für sie eine Sorgfaltserklärung vorliegt. 

Wann ist ein Produkt entwaldungsfrei?  

Ein Produkt ist nach der Legaldefinition der Verordnung entwaldungsfrei, wenn es Rohstoffe enthält, mit diesen gefüttert oder unter deren Verwendung hergestellt wurde, die auf einer Fläche erzeugt wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 nicht entwaldet wurde, und, wenn Holz aus einem Wald geschlagen wurde, ohne dass es dort nach dem Stichtag zu Waldschädigung gekommen ist. Ob es zu einer Waldschädigung oder einer Entwaldung gekommen ist, lässt sich durch den Vergleich von Satellitenbildern bewerten. Dafür ist eine Geolokalisierung der Grundstücke, auf denen Rohstoffe und Erzeugnisse erzeugt wurden, durchzuführen.  

Welche Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes sind zu beachten? 

Zu den zu beachtenden Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes gehören neben solchen im Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes u.a. auch Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes oder völkerrechtlich geschützte Menschenrechte sowie Steuer- und Korruptionsbekämpfungsvorschriften. 

Was beinhaltet die Sorgfaltserklärung? 

Durch die Erklärung wird bestätigt, dass die unten näher beschriebenen Sorgfaltspflichten durchgeführt und dabei kein oder ein lediglich vernachlässigbares Risiko festgestellt wurde, dass Produkte gegen die oben genannten Anforderungen verstoßen. Außerdem übernehmen die Erklärenden durch sie die Verantwortung dafür, dass die Produkte dem Art. 3 Entwaldungs-VO entsprechen. 

Wer ist verpflichtet? 

Verpflichtete der Verordnung sind, unabhängig von ihrer Größe,  

  • Marktteilnehmer, also natürliche und juristische Personen, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeiten Erzeugnisse in den Verkehr bringen oder ausführen 
  • und Händler, also alle Personen in der Lieferkette, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Markt bereitstellen (mit Ausnahme von Marktteilnehmern).  
  • Für KMU-Händler und KMU-Marktteilnehmer gelten Besonderheiten im Pflichtenumfang. 

Welche Sorgfaltspflichten sind zu beachten? 

Wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, statuiert auch die Entwaldungs-VO Sorgfaltspflichten. Demnach müssen Unternehmen allgemeine Sorgfaltspflichtenregelungen treffen, Daten zu den relevanten Erzeugnissen sammeln und diese anschließend auswerten. Im Rahmen einer so vorzunehmenden Risikobewertung, müssen Unternehmen feststellen, ob die Gefahr besteht, dass die spezifizierten Erzeugnisse nicht mit der Verordnung im Einklang stehend erzeugt wurden. Mit den Erzeugnissen darf nur entsprechend des Umfangs der Verordnung gehandelt werden, wenn die Bewertung ergibt, dass kein oder ein nur vernachlässigbares Risiko der Nichtkonformität besteht. Kann eine Identifizierung und Trennung von konformen und nicht konformen Erzeugnissen nicht erfolgen, gilt eine gesamte Lieferung als nicht mit der Verordnung konform. 

Sollte ein nicht vernachlässigbares Risiko festgestellt werden, muss dieses minimiert werden, z.B. durch Durchführung von Audits. Daneben ergeben sich Dokumentations- und Berichtspflichten. Anders als in anderen CSR-Rechtsakten ist keine Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens vorgesehen. Allerdings wird normiert, dass Dritte Hinweise an die zuständige Behörde (in Deutschland die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) geben können, dass Unternehmen Sorgfaltspflichten nicht einhalten.  

Vereinfachte Sorgfaltspflichten treffen Unternehmen, wenn sie nach Bewertung 

  • der Komplexität der Lieferkette 
  • des Risikos einer Umgehung der Verordnung 
  • des Risikos einer Vermischung von Erzeugnissen unbekannten Ursprungs oder Ursprungs aus Ländern mit hohem und normalem Risiko mit Erzeugnissen aus Ländern mit vernachlässigbarem Risiko, 

vergewissert haben, dass alle Rohstoffe und relevanten Erzeugnisse in Ländern bzw. Landesteilen hergestellt wurden, für die nach der Verordnung ein geringes Risiko festgestellt wurde. Die allgemeine Bewertung, ob für Länder oder Landesteile ein geringes, normales oder hohes Risiko besteht, dass Rohstoffe dort nicht entwaldungsfrei hergestellt werden, erfolgt aufgrund einer objektiven und transparenten Bewertung durch die Kommission. Die umfangreichen Sorgfaltspflichten können jedoch „wieder aufleben“, wenn die Verantwortlichen selbst oder durch Dritte erfahren, dass das Risiko besteht, dass Produkte gegen die Entwaldungs-VO verstoßen. 

Welche Folgen haben Verstöße? 

Verstöße gegen die Entwaldungs-VO können empfindliche Geldbußen von bis zu vier Prozent des gesamten unionsweiten Umsatzes zur Folge haben. Daneben können die zuständigen Behörden u.a. den sofortigen Rückruf von Produkten oder deren Spende bzw. Entsorgung erzwingen. Nach dem Prinzip „naming and shaming“ werden Verstöße gegen die Verordnung durch juristische Personen zudem auf der Webseite der Kommission veröffentlicht. Für die Durchsetzung der Verordnung notwendige Kontrollen werden jährlich durchgeführt. 

Die Verordnung ersetzt die European Timber-Regulation, die scharf kritisiert wurde und reiht sich in eine Fülle von EU-Nachhaltigkeitsrechtsakten ein. Sie erhöht den Dokumentationsaufwand und Haftungsrisiken von Unternehmen. Deshalb sollten diese frühzeitig mit der Analyse ihrer Lieferketten beginnen. Weil die Verordnung bis zum 30. Dezember 2024, bzw. für KMUs bis zum 30. Juni 2025, umzusetzen ist, sollten Unternehmen, zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten bereits vorhandene Strukturen in Bezug auf andere CSR-Verpflichtungen, wie nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, nutzen. Auditierungen werden so zunehmend an Bedeutung gewinnen.  

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Autoren dieses Artikels

Sebastian Billig

Partner

Rechtsanwalt

Mareike Höcker

Manager

Rechtsanwältin

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