Keine Verfallsklausel für Aktienoptionen nach Kündigung: Das BAG begründet

Keine Verfallsklausel für Aktienoptionen nach Kündigung: Das BAG begründet
  • 18.09.2025
  • Lesezeit 6 Minuten

Das BAG hat mit Urteil vom 19.3.2025 entschieden: Verfallsklauseln für Mitarbeiter-Aktienoptionen bei Eigenkündigung sind unwirksam. Unternehmen sollten ihre Beteiligungsprogramme dahingehend prüfen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19. März 2025 (Az.: 10 AZR 67/24) eine bedeutende Kehrtwende in der Rechtsprechung zum Verfall von Mitarbeiter-Aktienoptionen vollzogen. Nachdem bisherige Entscheidungen Verfallsklauseln bei Eigenkündigung von Mitarbeitern in vielen Fällen für zulässig hielten, stuft das BAG solche Klauseln nun als unwirksam ein, da sie eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmer darstellen. Die Bestimmung fällt damit grundsätzlich ersatzlos weg (§ 306 Abs. 1 BGB).

Mit der Veröffentlichung der ausführlichen Entscheidungsgründe liegt jetzt eine detaillierte Begründung vor, die für Unternehmen erhebliche Implikationen hat. 

In diesem Follow-Up zu unserem Blogbeitrag vom 25.03.2025 werden die zentralen Erwägungen des BAG beleuchtet und praxisnahe Hinweise für die zukünftige Gestaltung von attraktiven Beteiligungsmodellen gegeben, damit Unternehmen auch in Zukunft rechtssichere Incentives bieten können.

Sachverhalt

Der Entscheidung des BAG zum Verfall virtueller Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin hatte eine Klausel im Rahmen der Bestimmungen für Mitarbeiter-Aktienoptionen (Employee Stock Option Provisions „ESOP“) vorgesehen, nach welcher bereits ausübbar gewordene („gevestete“) virtuelle Optionsrechte im Fall einer Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer sofort verfallen.

Das BAG erklärte die Regelung für unwirksam, da Optionsrechte als essenzieller Bestandteil des Vergütungspakets gelten, welcher nicht nachträglich wegfallen kann – hierin läge eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Das Gleiche gilt für eine Regelung, die vorsieht, dass gevestete virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie zuvor angespart wurden.

Freiwilligkeit der Leistung führt nicht zum Verfall bei Kündigung

Der Umstand, dass es sich bei der Gewährung um eine freiwillige Leistung handelte, die keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer und / oder anderer Optionen begründen sollte, steht nach der Entscheidung des BAG der Begründung des Anspruchs nicht entgegen. Die Freiwilligkeit beziehe sich lediglich darauf, dass der Arbeitgeber nicht bereits gesetzlich, tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung zu der fraglichen Leistung verpflichtet ist.

Auf bereits entstandene Ansprüche durch das „vesting“ hat die Freiwilligkeit keinen Einfluss.

Kein besonderer Überraschungseffekt durch die Verfallsklausel

Bei den Verfallsklauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), welche einer wirksamen Einbeziehung in den Arbeitsvertrag bedürfen. Diese Einbeziehung ist bei einer klar und transparent formulierten Klausel im Allgemeinen unproblematisch. 

  • Vorliegend handelte es zunächst nicht um sog. Überraschende Klauseln, welche der Mitarbeiter in seinem Vertrag nicht zu erwarten hat und vor welchen er aus diesem Grund geschützt wird. Die Verfallsklauseln sind in Mitarbeiterprogrammen nicht ungewöhnlich. Ein Überraschungseffekt folgt auch nicht aus der gegenüber der Vesting-Periode kürzeren Dauer der Verfallsperiode – dies ist vielmehr Frage der Angemessenheit der Verfallsfrist.
  • Verfallsklauseln sind für gewöhnlich auch nicht intransparent. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot besteht erst dann, wenn der Mitarbeiter wegen unklar formulierten AGB seine Rechte nicht wahrnehmen kann. Insbesondere die genutzte englische Sprache und die damit verbundene notwendige Übersetzung führt nicht zu einer Unwirksamkeit. Obwohl der Begriff des Vestings nicht einheitlich verwendet wird, kann sich eine klare Begriffsbestimmung aus dem Kontext des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms selbst ergeben.
  • Darüber hinaus sind Verfallklauseln in der Regel auch nicht unverständlich, wenn sich hieraus der Zeitpunkt des Verfalls der virtuellen Optionen aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinreichend klar bestimmen lässt. Dieses ist hierbei regelmäßig als Ende des Arbeitsverhältnisses zu verstehen, womit der Zeitpunkt konkretisiert ist.

Vorliegende Verfallklauseln halten in Bezug auf Eigenkündigungen einer Inhaltskontrolle dennoch nicht statt

Trotz der wirksamen Einbeziehung der Klauseln benachteiligen solche Klauseln nach dem BAG Arbeitnehmer unangemessen. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen. 

Nach dem BAG fungieren virtuellen Optionen grundsätzlich als Bestandteil der Vergütung und stellen damit eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung in der Vesting-Periode dar. Zeitanteilig verdiente Vergütungsansprüche dürfen nicht entzogen werden, da diese bereits „verdient“ wurden. Der Anspruch auf Zahlung verdienten Entgelts ist auch nicht davon abhängig, dass weitere Zwecke wie andauernde Betriebszugehörigkeit erfüllt werden.

Verfallsklauseln berücksichtigen diesen Grundsatz nicht, was eine unangemessene Benachteiligung darstellt. 

Die Gewährung von Aktienoptionen ist zudem laut BAG unabhängig davon, ob das Bezugsrecht im Anstellungsvertrag oder später vereinbart wird, regelmäßig als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung zu qualifizieren.

Kündigungserschwernis

Darüber hinaus betont das BAG, dass die Verfallsklausel Grundlage für ein Kündigungserschwernis bietet und damit die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig einschränkt. Hiernach müsste der Arbeitnehmer zur Vermeidung einer finanziellen Einbuße im zugrundeliegenden Fall faktisch das Arbeitsverhältnis bis zu fünfzehn Jahre lang erhalten.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass gevestete Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich keinem Verfall unterliegen können Im Hinblick auf die Besonderheiten virtueller Optionsrechte hat sich die Beurteilung, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, am Sinn und Zweck des jeweiligen Mitarbeiterbeteiligungs-programms unter Berücksichtigung der geschützten beiderseitigen Rechtspositionen zu orientieren. Es kommt also wie immer auf den Einzelfall an. 

Unverhältnismäßigkeit des „De-Vesting“

Das BAG macht zudem deutlich, dass sofortige oder beschleunigte Verfallsregelungen für bereits „gevestete“ Optionen bei Eigenkündigung unwirksam ist
Dagegen kann ein kontrolliertes „De-Vesting“, d.h. eine „umgekehrte“ der Vesting-Periode entsprechende De-Vesting-Regelung, unter bestimmten Bedingungen noch möglich sein kann. 

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Pauschale und sofortige Verfallregelungen nach Eigenkündigung, die mit einer mindestens „umgekehrten“ Vesting-Regelung verbunden ist, sind rechtlich nicht mehr haltbar.

Unternehmen sollten ihre aktuellen Aktienoptions- / ESOP-Programme und die darin enthaltenen Verfallsklauseln unverzüglich auf ihre Rechtssicherheit hin überprüfen.

Empfohlen wird insbesondere die Umsetzung transparenter und verständlicher formulierter Klauseln.

Verfallsklauseln sollten ausdrücklich nach den Gründen für das Ausscheiden differenzieren (z. B. Eigenkündigung, arbeitgeberseitige Kündigung) und auch unterscheiden, aus wessen Sphäre die Setzung der Kündigungsumstände stammt. 

Zudem ist Arbeitgebern zu empfehlen, mit ausscheidenden Mitarbeitern individuelle Abwicklungsvereinbarungen zu treffen.

Wir stehen Ihnen hierbei gerne mit fachkundiger Beratung zur Seite und unterstützen Sie bei der praktischen Umsetzung der notwendigen Änderungen.


Mit unserem Newsletter halten wir Sie regelmäßig über aktuelle arbeitsrechtliche Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung auf dem Laufenden:

 Jetzt Newsletter abonnieren

Diesen Beitrag teilen:

Autor dieses Artikels

Marco Stahn

Director

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Was können wir für Sie tun?

Sprechen Sie mit uns – einfach unverbindlich

Jetzt Kontakt aufnehmen