Bundestag beschließt Übergangslösung für Kundenanlagen

Bundestag beschließt Übergangslösung für Kundenanlagen
  • 21.11.2025
  • Lesezeit 5 Minuten

Nachdem zuletzt beträchtliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich sogenannter Kundenanlagen bestand, schafft der Gesetzgeber nun kurzfristig Abhilfe. Betreiber müssen ihre Anlagen und Geschäftsmodelle jedoch bis 2029 anpassen.

Mit dem EuGH-Urteil vom 28. November 2024 und der anschließenden BGH-Rechtsprechung wurde die Rechtsfigur der Kundenanlage grundlegend infrage gestellt. Für Betreiber und Nutzer dezentraler Energieversorgungssysteme entstand erhebliche Rechtsunsicherheit. 

Nun liegt erstmals eine gesetzliche Reaktion vor: Der Bundestag hat am 13. November 2025 im Zuge der jüngsten EnWG-Novelle eine Übergangsregelung beschlossen, die den abrupten Systemwechsel abfedern soll. Eine endgültige Klärung des künftigen Rechtsrahmens bietet sie jedoch nicht. 

Hintergrund: Kundenanlagen verlieren ihren bisherigen Sonderstatus 

In unseren vorherigen Beiträgen hatten wir bereits dargestellt, dass der EuGH die deutsche Kundenanlagenregelung als mit dem Unionsrecht unvereinbar eingestuft hat. Der EuGH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass die Definition des Verteilernetzes der Richtlinie (EU) 2019/944 abschließend ist. Für die Einordnung einer Energieanlage als Verteilernetz dürfen die Mitgliedstaaten daher nur zwei Kriterien heranziehen: 

  1. Spannungsebene
    Das Netz muss der Weiterleitung elektrischer Energie mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung dienen. 
  2. Zweck der Weiterleitung / Art der belieferten Kunden 
    Die Weiterleitung muss der Belieferung von Kunden, also Großhändlern oder Endkunden, dienen. 

Nationale Zusatzmerkmale – wie der Grad der Wettbewerbsauswirkung, räumlicher Zusammenhang, Größe oder Zahl der angeschlossenen Nutzer, der private Charakter des Betreibers oder besondere technische Ausgestaltungen – sind unionsrechtlich nicht zulässig. Sie dürfen nach der Auslegung des EuGH nicht herangezogen werden, um ein Netz vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. 

Diese Klarstellung ist zentral für die Bewertung der bisherigen deutschen Kundenanlagenregelung, da gerade § 3 Nr. 24a EnWG auf mehrere Kriterien abstellt, die nach Unionsrecht keine Rolle spielen dürfen. 

Der BGH hat diese Linie fortgeführt und deutlich gemacht, dass die bisherige Befreiung von Netzbetreiberpflichten für bestimmte Anlagenkonstellationen nicht haltbar ist. Für viele Betreiber dezentraler Versorgungslösungen – etwa Mieterstrom-, Quartiers- oder Campuskonzepte – entstand dadurch unmittelbarer Klärungsbedarf. 

Gesetzgeberische Reaktion: Übergangsfrist bis Ende 2028 

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht nun eine Übergangsregelung bis zum 1. Januar 2029 vor. Für bestehende Anlagen, die bislang als Kundenanlagen betrieben wurden, sollen die neuen Vorgaben zur Regulierung erst mit Ablauf dieser Frist gelten. 

Die Übergangsregelung verfolgt zwei Ziele: 

  • Vermeidung eines sofortigen regulatorischen Systemwechsels
    Betreiber sollen Zeit erhalten, um ihre Anlagen und Geschäftsmodelle anzupassen. 
  • Schaffung von Planungssicherheit für laufende Versorgungskonzepte
    Die wirtschaftlichen Auswirkungen können in dieser Zeit geordnet bewertet und strukturelle Alternativen vorbereitet werden. 

Die Regelung bezieht sich ausdrücklich auf Anlagen, die bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung an ein Netz der allgemeinen Versorgung angebunden waren. 

Was bedeutet das für Betreiber und Energieversorger? 

Die Übergangsfrist entschärft die Situation – sie löst sie jedoch nicht. Die grundlegende Bewertung des EuGH bleibt bestehen, und nach aktueller Rechtslage spricht vieles dafür, dass viele heutige Kundenanlagen künftig als Verteilernetze einzuordnen sein werden. 

Bestehende Anlagen 

Für bestehende Versorgungskonzepte gilt: 
Die Privilegierung bleibt vorläufig bestehen, aber nur zeitlich begrenzt. Betreiber sollten: 

  • technische und regulatorische Strukturen überprüfen, 
  • mögliche Umstellungsszenarien entwickeln (z. B. Netzübergabe an den VNB), 
  • wirtschaftliche Auswirkungen eines Wegfalls des Privilegs analysieren. 

Neue Projekte 

Für neue oder geplante Projekte ist Vorsicht geboten. 
Da der Gesetzgeber die Struktur der Kundenanlagen nicht unverändert fortführt, sollte bei der Projektplanung von Anfang an berücksichtigt werden, dass: 

  • Privilegien künftig entfallen können, 
  • Netzbetreiberpflichten möglicherweise greifen, 
  • Geschäftsmodelle (insbesondere wirtschaftliche Kalkulationen) angepasst werden müssen. 

Offene Fragen: Wie geht es nach 2029 weiter? 

Der Gesetzentwurf beantwortet nur, was bis 2029 gilt – nicht jedoch, wie der endgültige Rechtsrahmen aussehen wird. Unklar ist insbesondere: 

  • Welche Anlagen künftig als Verteilernetze eingestuft werden, 
  • ob und in welcher Form die Rechtsfigur der Kundenanlage überhaupt fortbesteht, 
  • ob strukturierte Ausnahmen (geschlossene Verteilernetze, betriebliche Eigenversorgung) neu gefasst werden, 
  • wie die Bundesnetzagentur und Netzbetreiber die Änderungsprozesse handhaben werden. 

Damit bleibt die strategische Frage bestehen, wie Betreiber sich langfristig aufstellen sollten. 

Empfehlung: Jetzt strukturiert vorbereiten 

Auch wenn der Gesetzgeber eine Atempause gewährt, sollten Betreiber den Zeitraum bis Ende 2028 aktiv nutzen. Aus unserer Sicht ist ein strukturiertes Vorgehen sinnvoll: 

  1. Bestandsanalyse sämtlicher Versorgungskonzepte 
  2. Einordnung der Anlagen hinsichtlich möglicher Netzbetreiberpflichten 
  3. Modellvergleich (Beibehaltung vs. Netzübergabe vs. Betreibermodellwechsel) 
  4. Prüfung wirtschaftlicher Auswirkungen (Netzentgelte, Investitionsbedarf, Vertragsänderungen) 
  5. Abstimmung mit VNB und Behörden zur Klärung praktischer Szenarien 

Je nach Ausgestaltung der finalen Fassung kann dies über investitions- und genehmigungsrelevante Weichenstellungen entscheiden. 

Wir unterstützen Sie gerne 

Wir beobachten die Entwicklungen eng und begleiten Sie bei: 

  • der rechtlichen und technischen Bewertung Ihrer bestehenden Anlagen, 
  • der Entwicklung von belastbaren Strategien für die Zeit nach 2029, 
  • der Vorbereitung und Umstrukturierung von Versorgungskonzepten, 
  • Vertrags- und Modellanpassungen, 
  • Gesprächen mit Netzbetreibern und Behörden. 

Gerne stehen wir Ihnen für einen Austausch zur Verfügung und halten Sie über weitere gesetzgeberische und regulatorische Entwicklungen auf dem Laufenden. Sprechen Sie uns gern an – wir beraten Sie persönlich, lösungsorientiert und mit Fokus auf Ihre unternehmerischen Ziele. 

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Autoren dieses Artikels

Alexandra Sausmekat

Partner

Rechtsanwältin, Steuerberaterin

Michelle Reddiar, LL.M.

Senior Manager

Rechtsanwältin

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