Sozialversicherungsfreiheit für Honorarlehrkräfte nach §127 SGB IV greift auch für Altverträge

Sozialversicherungsfreiheit für Honorarlehrkräfte nach §127 SGB IV greift auch für Altverträge
  • 12.12.2025
  • Lesezeit 5 Minuten

Gute Nachrichten für Bildungsträger: Das Bundessozialgericht (BSG) hat klargestellt, dass die Übergangsregelung des § 127 SGB IV auch rückwirkend greift.

Die Rechtsprechung des BSG zum Thema Selbständigkeit wird zunehmend restriktiv. Dies zeigte sich insbesondere in dem sog. „Herrenberg-Urteil“ aus dem Jahr 2022 (Urteil vom 28.06.2022, B 12 R3/20 R), wonach Honorarlehrkräfte in aller Regel als abhängig Beschäftigte und damit sozialversicherungspflichtig einzustufen sind. 

Hierauf hatte der Gesetzgeber Anfang 2025 reagiert und eine Übergangsregelung beschlossen. Nach dieser Regelung soll eine an sich abhängig beschäftigte Lehrkraft als selbstständig tätig angesehen werden und bis zum 31. Dezember 2026 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, wenn  

  • beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Selbstständigkeit ausgehen (§ 127 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) und  
  • die Lehrkraft ausdrücklich zustimmt (§ 127 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).  

Mit dieser Regelung soll ermöglicht werden, dass für einen vorübergehenden Zeitraum (bis zum 31.12.2026) von der ansonsten zwingenden Nachforderung von Sozialbeiträgen abzusehen ist. Es soll vor allen Dingen den Trägern von Bildungseinrichtungen damit Zeit gegeben werden, um ihre Verträge und ihre Organisation anzupassen und zukünftig die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit von Honorarlehrkräften zu vermeiden.  

Übergangsregelung ließ Fragen offen: Gilt sie auch rückwirkend und bei anhängigen Statusverfahren?  

Viele Honorarkräfte sind seit Jahren für ihre Träger tätig. Bei Inkrafttreten der Übergangsregelung am 1. März 2025 erfüllten bestehende Verträge die Voraussetzungen des § 127 SGB IV in aller Regel nicht. In den vergangenen Monaten sind daher vielfach Ergänzungsvereinbarungen zu bestehenden Verträgen abgeschlossen und Zustimmungen nachträglich erteilt worden. Aus der Regelung des § 127 SGB IV ergibt sich aber nur unmittelbar, dass bei entsprechenden Vereinbarungen ab Inkrafttreten bis zum 31. Dezember 2026 keine Sozialversicherungspflicht besteht. 

Unklar waren bisher mangels ausdrücklicher Regelung insbesondere zwei Aspekte: Gilt dies auch für den Zeitraum vor Inkrafttreten des § 127 SGB IV? Und kann die Übergangsregelung noch greifen, wenn die Deutsche Rentenversicherung bereits eine abhängige Beschäftigung festgestellt hat, die Entscheidung aber noch nicht rechtskräftig ist? 

Ja, hat das BSG nun in einem ersten, zu der neuen Übergangsregelung entschiedenen Fall geurteilt. Nach Ansicht des Gerichts kann von der Übergangsregelung auch dann noch rückwirkend Gebrauch gemacht werden, wenn die Deutsche Rentenversicherung bereits eine abhängige Beschäftigung in einem Statusverfahren festgestellt hat und gegen diese Feststellung noch ein gerichtliches Verfahren anhängig ist. 

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts 

In dem vom BSG jüngst am 13. November 2025 verhandelten und entschiedenen Fall (B 12 BA 2/23 R) ging es um einen Fluglehrer, der seit 2016 bei einer Flugschule auf Basis eines Dienstleistungsvertrages gegen Honorar tätig war. Die Deutsche Rentenversicherung war bei einer Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Fluglehrer abhängig beschäftigt und mithin in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sozialversicherungspflichtig sei. Gegen diese Feststellung haben sich sowohl die Flugschule als auch der Fluglehrer gewandt und geltend gemacht, dass es sich bei der Tätigkeit des Fluglehrers um eine selbständige Tätigkeit handele. 

Die Vorinstanzen (Sozialgericht und Landessozialgericht Berlin) hatten die Klage abgewiesen. Die Kläger haben hiergegen Revision zum BSG eingelegt. Erst während des bereits laufenden Revisionsverfahrens haben die Kläger eine Ergänzungsvereinbarung zum Dienstvertrag geschlossen, wonach sie übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind. Zudem hat der Fluglehrer seine Zustimmung zum Hinausschieben der Versicherungspflicht gemäß § 127 SGB IV ausdrücklich erteilt. 

Das BSG  ist aufgrund dieser noch im Revisionsverfahren abgegebenen Erklärungen der Kläger zu dem Ergebnis gekommen, dass – obwohl der Fluglehrer auch nach Ansicht des Bundessozialgerichts als abhängig Beschäftigter anzusehen ist – die von der Deutschen Rentenversicherung festgestellte Versicherungspflicht aufzuheben sei. Sie trete wegen der Übergangsregelung des § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erst ab dem 1. Januar 2027 ein. 

Die Übergangsregelung greife auch dann, wenn, wie hier, die Verträge bereits vor dem Inkrafttreten der Übergangsregelung abgeschlossen wurden, die erforderlichen Erklärungen erst nachträglich abgegeben wurden und die Statusfeststellung im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen noch nicht rechtskräftig war. Anderenfalls würde das Ziel der Übergangsregelung, Bildungseinrichtungen bis zum 31. Dezember 2026 vor Nachforderungen von Sozialbeiträgen zu schützen und damit die Existenz von gesellschaftlich bedeutsamen Bildungseinrichtungen zu sichern, verfehlt. 

Fazit: Erklärungen nach § 127 SGB IV lohnen sich auch für Altverträge vor dem 1. März 2025 

Damit hat das BSG klargestellt, dass die Übergangsregelung auch auf bereits weit vor dem 1. März 2025 abgeschlossene Verträge Anwendung finden kann und dass auch eine anderslautende Statusfeststellung nicht zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit führt, solange sie nicht rechtskräftig ist. Mithin können auch in einem bereits laufenden Prozess gegen eine Statusfeststellung die nach § 127 SGB IV erforderlichen Erklärungen noch abgegeben werden. 

Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, auch für Altverträge, die bereits vor dem 1. März 2025 abgeschlossen worden sind, entsprechende Erklärungen nach § 127 SGB IV abzugeben, um bis zum 31. Dezember 2026 von der Sozialversicherungsfreiheit zu profitieren. Dies gilt auch in laufenden Verfahren über eine Statusfeststellung. 

Gerne beraten wir Sie zu allen Fragen rund um die Übergangsregelung des § 127 SGB IV.  

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Autor dieses Artikels

Gabriele Heise

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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