Lieferkettengesetz: Wie die Umsetzung im Einklang mit dem Kartellrecht gelingt

  • 19.12.2022
  • Lesezeit 4 Minuten

Mit dem Lieferkettengesetz warten ab Januar 2023 auf betroffene Unternehmen nicht nur neue rechtliche Vorgaben. Bei deren Umsetzung müssen sie zusätzlich darauf achten, nicht gegen das Kartellrecht zu verstoßen.

Zum Januar 2023 tritt das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, in Kraft, welches für betroffene Unternehmen umfassende menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten vorgibt. Bei der Umsetzung der rechtlichen Vorgaben des Lieferkettengesetzes besteht teilweise ein Spannungsfeld mit dem Kartellrecht.

Lieferkettengesetz enthält umfassende Pflichten für Unternehmen

Nach dem Lieferkettengesetz müssen sich sämtliche Unternehmen mit Sitz in Deutschland und in der Regel über 3.000 Arbeitnehmern (ab 2024 bereits ab 1.000 Arbeitnehmern) in ihrer Lieferkette angemessen bemühen, umfassende Sorgfaltspflichten einzuhalten. Mit Lieferkette ist hier die gesamte Supply Chain gemeint. Das bedeutet, das Lieferkettengesetz umfasst die komplette Herstellung von Produkten und Erbringung von Dienstleistungen des Unternehmens im In- und Ausland. 

Zu den Sorgfaltspflichten gehören etwa die Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei, Zwangsarbeit, Missachtung der Koalitionsfreiheit, Diskriminierung in der Beschäftigung und die Verwendung bestimmter umwelt- und gesundheitsschädlicher Chemikalien.

Lieferkettengesetz befreit nicht von der Einhaltung des Kartellrechts

Unternehmen sollen daher in ihrem Geschäftsbereich und dem ihrer unmittelbarer Zulieferer vor allem Risikomanagementsysteme, regelmäßige Risikoanalysen und Präventionsmaßnahmen einrichten. Trifft ein Unternehmen bei Verstößen selbst keine Abhilfemaßnahmen, kann das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hohe Bußgelder sowie einen dreijährigen Ausschluss von der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren verhängen.

Um das neue Lieferkettengesetz umzusetzen, müssen Unternehmen vor allem mit ihren unmittelbaren Zulieferern zusammenarbeiten. Dabei sind aber weiterhin die kartellrechtlichen Grenzen einzuhalten. Denn das Kartellrecht beansprucht auch im Anwendungsbereich des LkSG uneingeschränkt Geltung.

Bedeutung gegenüber Wettbewerbern (Horizontalverhältnis)

Das LkSG fördert besonders Kooperationen zwischen Wettbewerbern. Das Gesetz fordert Unternehmen explizit auf, Brancheninitiativen oder Branchenstandards in Betracht zu ziehen, um die Einflussmöglichkeiten auf einen Zulieferer zu erhöhen, der menschenrechts- oder umweltbezogene Standards verletzt. Erarbeiten Unternehmen solche Branchenstandards, muss das Verfahren transparent, diskriminierungsfrei und allgemein zugänglich sein.

Im Übrigen bleibt es natürlich bei den kartellrechtlichen Grenzen. So ist die Abstimmung oder Festsetzung einzelner Preisbestandteile oder der Austausch strategischer Informationen wie Preisen oder Absatzmengen kartellrechtlich in aller Regel nicht erlaubt, auch wenn diese der Förderung der Nachhaltigkeit dienen sollen.

Kartellrechtliche Vorgaben im Verhältnis zu unmittelbarem Zulieferer

Im Verhältnis zum unmittelbaren Zulieferer ist vor allem der Austausch wettbewerbssensibler Informationen und die Vereinbarung von Ausschließlichkeitsbindungen zu beachten.

Werden wettbewerbssensible Informationen ausgetauscht, wird unter Umständen die Unsicherheit hinsichtlich des Marktverhaltens von Wettbewerbern verringert oder beseitigt. Aus diesem Grund ist ein Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern etwa über Preise, Preisbestandteile oder Margen grundsätzlich verboten. Liegt nur ein potenzielles Wettbewerbsverhältnis vor, besteht die Gefahr eines verbotenen Informationsaustauschs beispielsweise auch, wenn es um die Kontrolle der Einhaltung fairer Arbeits- und Entlohnungskonditionen geht. 

Nach Möglichkeit sollte das Management daher einen Informationsabfluss innerhalb eines Empfängerunternehmens verhindern, etwa durch die Verwendung historischer oder aggregierter Daten oder von Chinese Walls und Clean-Teams.

Auch ohne Wettbewerbsverhältnis zwischen unmittelbarem Zulieferer und Abnehmer ist kartellrechtlich Vorsicht geboten. Insbesondere darf der Abnehmer nicht Informationen von unmittelbaren Zulieferern an andere unmittelbare Zulieferer weitergeben, die untereinander im Wettbewerb stehen. Anderenfalls würde er hierdurch einen mittelbaren verbotenen Informationsaustausch herbeiführen.

Ausschließlichkeitsbindungen kann das Management dazu nutzen, ihrem Unternehmen „zuverlässige“ Zulieferer langfristig zu sichern. Überlange Laufzeiten sowie hohe Abnahme- und Liefermengen können aber zu einer Marktverschließung führen. Deshalb sind solche Bindungen nur erlaubt, wenn die Marktanteile der Parteien gering sind. Alleinbezugsverpflichtungen des Abnehmers dürfen nicht über 80 Prozent des Gesamtbezugs des Kunden umfassen und müssen bei unbefristeter Dauer innerhalb von fünf Jahren kündbar sein. Anderenfalls muss eine sogenannte „Einzelfreistellung“ vom Kartellverbot geprüft werden.

Abgrenzung Lieferkettengesetz und Kartellrecht

Die Zielsetzungen und Anforderungen des LkSG stehen in einem gewissen Konflikt mit dem Kartellrecht. Während das Lieferkettengesetz vor allem menschenrechts- und umweltbezogene Ziele verfolgt, schützt das Kartellrecht den Wettbewerb und setzt Unternehmenskooperationen Grenzen. Auch im Anwendungsbereich des LKSG müssen Unternehmen die kartellrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt beachten.

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Autor dieses Artikels

Dr. Stefan Meßmer

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