Hinweisgeberpflichten im Rahmen des Lieferkettengesetzes

  • 22.06.2021
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Im April dieses Jahres ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern vorerst gescheitert (wir berichteten). Mit einer Umsetzung in dieser Legislaturperiode ist nicht mehr zu rechnen, wohl aber kurzfristig zu Beginn der nächsten, da ansonsten mit Ablauf der Umsetzungsfrist am 17. Dezember 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren droht. Aber nicht nur vor dem Hintergrund der ausstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie ist das Thema Hinweisgebersystem aktuell. Auch das am 11. Juni 2021 verabschiedete sog. Lieferkettengesetz sieht unter anderem ein Beschwerdeverfahren vor, bei dem Hinweisgebermöglichkeiten eingerichtet werden müssen. Welche Pflichten entfallen dadurch auf Unternehmen?

Welchen Schutzzweck hat das Gesetz und welche Pflichten treffen Unternehmen? 

Ziel des Gesetzes ist es die weltweite Menschenrechtslage entlang von Lieferketten durch die Achtung international anerkannter Menschenrechte, umweltbezogener Pflichten sowie Korruptionsbekämpfung zu verbessern. So soll etwa Kinder- oder Zwangsarbeit, Sklaverei, Diskriminierung, die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, Gewässer- und Luftverunreinigungen sowie schädliche Bodenveränderungen unterbunden werden. 

Das Gesetz tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft und betrifft Unternehmen mit Sitz im Inland, die in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer/-innen beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 wird der Anwendungsbereich dann auch auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erweitert. 

Unternehmen werden durch das Gesetz verpflichtet in ihrer Lieferkette menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten, wobei dadurch eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht begründet wird. Daher müssen Unternehmen nicht garantieren, dass es zu keiner Menschenrechtsverletzung in ihrer Lieferkette kommt, sondern vielmehr nachweisen, dass sie die gesetzlich vorgesehenen Sorgfaltspflichten umgesetzt haben. Der gesetzliche Sorgfaltspflichtenkatalog umfasst die Einrichtung eines Risikomanagements, die regelmäßige Durchführung von Risikoanalysen, die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen, die Einreichung eines Beschwerdeverfahrens sowie eine Dokumentations- und Berichtspflicht. 

Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten können mit hohen Zwangs- und Bußgeldern geahndet werden. So drohen Bußgelder von bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 % des Jahresumsatzes, wenn Unternehmen ihren Pflichten zum Ergreifen von Präventions- und Abhilfemaßnahmen oder zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens nicht nachkommen. Allerdings gilt der umsatzbezogene Bußgeldrahmen nur bei einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro. Daneben können bei einem verhängten Bußgeld von einer bestimmten Mindesthöhe Unternehmen bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. 

Die Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens 

Das Gesetz sieht vor, dass verschiedene Personen die Möglichkeit haben sollen, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken und Verletzungen hinzuweisen. Hierzu gehören:

  • Personen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens in einer geschützten Rechtsposition verletzt sein können, 
  • Personen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit eines unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferers in einer geschützten Rechtsposition verletzt sein können, sowie 
  • Personen, die Kenntnis von einer möglichen Verletzung geschützter Rechtsposition haben.

Dabei sieht das Gesetz vor, dass klare und verständliche Informationen zur Erreichbarkeit, Zuständigkeit und Durchführung des Beschwerdeverfahrens öffentlich gemacht werden müssen. Die barrierefreie Nutzung des Beschwerdesystems ist zu gewährleisten. Hierbei ist insbesondere an die Personen zu denken, die sich besonderen Hindernissen wie etwa mangelnder Sprach-, Lese oder Schreibkenntnisse, ausgesetzt sehen. Diesen Personen ist besondere Unterstützung zu bieten. Festgelegt ist auch, dass die vom Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betraute Person Gewähr für unparteiisches Handeln bieten und insbesondere unabhängig und weisungsfrei sein muss. Außerdem muss ein wirksamer Schutz vor Benachteiligung oder Bestrafung aufgrund einer Beschwerde gewährleistet werden. 

Handlungspflichten für Unternehmen

In einigen Punkten, wie dem Schutz vor Benachteiligung und Bestrafung, deckt sich das Sorgfaltspflichtengesetz mit der EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern. In anderen Bereichen, insbesondere in der Zielgruppe des Hinweisgebersystems, unterscheiden sich die beiden Rechtsakte. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig Gedanken machen, welche der verschiedenen Normen auf sie zutreffen und welche Pflichten sich für sie ergeben. 

In der Gesamtschau wird jedenfalls deutlich, dass das Thema Hinweisgebersysteme zunehmend Gegenstand von gesetzlichen Pflichten wird. Daher ist zu empfehlen sich frühzeitig mit der Einrichtung eines niederschwelligen und gut kommunizierten Hinweisgebersystems zu beschäftigen. 

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