Dominante Doppelrolle: Kartellamt verschärft Aufsicht über Amazon

  • 12.07.2022
  • Lesezeit 3 Minuten

Als drittes Unternehmen nach Meta (Facebook) und Alphabet (Google) unterliegt nun auch die Amazon.com Inc. (Amazon) der erweiterten Missbrauchsaufsicht nach § 19a Abs. 1 GWB. Damit kann das Kartellamt dem Digitalkonzern nun zügiger wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.

Wie bereits Meta und Alphabet fällt nun auch Amazon als sog. „GAFA“-Unternehmen unter die neue Vorschrift der erweiterten Missbrauchsaufsicht nach § 19a Abs. 1 GWB. Das hat das Bundeskartellamt am 5. Juli 2022 entschieden. Diese Vorschrift ermöglicht der Behörde ein schärferes Vorgehen gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. 

Die Folgen für Amazon und welche Maßnahmen das Kartellamt nun verhängen kann

Nach dem neuen § 19a GWB kann das Bundeskartellamt Unternehmen mit einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb früher und effektiver wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen. Auf der ersten Stufe muss die Behörde die überragende marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens feststellen. Auf der zweiten Stufe kann sie dann einzelne Verhaltensweisen sanktionieren. 

Das Bundeskartellamt kann Amazon nach der besonderen Missbrauchsaufsicht nach § 19a Abs. 2 GWB etwa untersagen, seine eigenen Dienste gegenüber Wettbewerbern zu bevorzugen (Nr. 1), die Geschäftstätigkeit anderer Unternehmen auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten bei der Nutzung von Amazons Diensten zu behindern (Nr. 2) oder Wettbewerber auf einem Markt unmittelbar oder mittelbar zu behindern (Nr. 3). Die jetzige Kartellamt-Entscheidung auf erster Stufe gilt zunächst für fünf Jahre.

Amazons Schlüsselposition als zentrale E-Commerce-Plattform entscheidend

Amazon gehört mit Umsatzerlösen von rund 400 Milliarden Euro weltweit zu den umsatzstärksten Unternehmen. In Deutschland wird mehr als jeder zweite Euro im Online-Einzelhandel auf Amazon.de ausgegeben. Hinzu kommt Amazons Tätigkeit im Bereich digitale Inhalte, darunter Filme, Serien oder Musik, im sogenannten Prime-Abonnement und Dienstleistungen u.a. in den Bereichen Logistik, Werbung und Zahlungsabwicklung für Unternehmen (insbesondere Dritthändler). Auch im Cloud-Computing gehört Amazon mit Amazon Web Services (AWS) zu den Marktführern und erzielt damit einen Großteil seiner Konzerngewinne.

Mit einem umsatzbezogenen Marktanteil von über 70 Prozent ist Amazon marktbeherrschend. Dies ermögliche es Amazon, den Zugang anderer Unternehmen zu Absatz- und Beschaffungsmärkten zu kontrollieren und dabei seine Doppelrolle als Händler und Marktplatz auszuspielen, eine sogenannte Hybridstruktur. Die rund 200 Millionen Nutzer werden durch das breite Produktportfolio in dem stark integrierten Ökosystem gehalten – vor allem durch das umfassende Prime-Abonnement. Hinzu kommen erhebliche Ressourcen wie wettbewerbsrelevante Daten und eine starke Finanzkraft.

Amazon bleibt unter Beobachtung 

Das Bundeskartellamt kann nun einfacher gegen mögliche wettbewerbsgefährdende Verhaltens-weisen von Amazon vorgehen. Gegen welche Verhaltensweisen und mit welchen Maßnahmen das Bundeskartellamt tätig wird, ist noch unklar. Mit Blick auf parallel laufende Verfahren nach der regulären Missbrauchsaufsicht könnte dies aber insbesondere die Preissetzungsmechanismen auf dem Amazon-Marktplatz und Vereinbarungen mit Markenherstellern wie Apple betreffen. 2018 gab es zudem schon ein Verfahren gegen Amazons Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen gegenüber Dritten. 

Außerhalb der besonderen Missbrauchsaufsicht hatte zuletzt die mi.to pharm beim LG Hannover eine einstweilige Verfügung gegen Amazon wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung erwirkt. Ausschlaggebend war die unbegründete Sperrung des Verkäuferkontos unter pauschalem Hinweis auf einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen. Unternehmen haben somit verschiedene Möglichkeiten, die ihnen auferlegten Geschäftsbedingungen im Vertrieb auf der Amazon-Plattform ggf. rechtlich überprüfen zu lassen.

Die entsprechende Meldung des Bundeskartellamts finden Sie hier.

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Autor dieses Artikels

Dr. Stefan Meßmer

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