Bundesverfassungsgericht: Hohe Steuerzinsen sind verfassungswidrig

  • 18.08.2021
  • Lesezeit 2 Minuten

Lange wurde das Urteil erwartet – heute hat das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen bekannt gegeben: Wie allgemein erwartet, wurde die Verzinsung von Steuern ab dem Jahr 2014 hinsichtlich der Zinshöhe als verfassungswidrig eingestuft. Das gilt für Steuerzinsen von jährlich sechs Prozent sowohl bei Steuernachzahlungen als auch -erstattungen. Entsprechende Zinsfestsetzungen, die den Verzinsungszeitraum ab 2019 beinhalten, müssen korrigiert werden.

Zum Hintergrund: Steuernachforderungen und -erstattungen unterliegen der sogenannten Vollverzinsung, d. h. Steuererstattungen des Finanzamts führen zu Erstattungszinsen, Steuernachzahlungen zu Nachzahlungszinsen. Der jeweilige Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums. Beispielhaft wird eine Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2018 seit dem 1. April 2020 verzinst. Erfolgt diese Steuerfestsetzung z. B. im April 2021, werden Zinsen für ein Jahr auf die Nachzahlung oder Erstattung festgesetzt.

Lange umstritten ist der zugrunde zu legende Zinssatz: Der Steuergesetzgeber hat seit Jahrzehnten einen Zinssatz von 0,5 % pro Monat, d. h. 6 % pro Jahr als angemessen angesehen. Verschiedene Verfahren vor den Gerichten führten in der Vergangenheit nicht dazu, dass – trotz des deutlich gesunkenen Kapitalmarktzinsniveaus – eine Herabsetzung dieses Zinssatzes gerichtlich angeordnet wurde.

Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, dass eine Verzinsung in Höhe von 6 % seit dem Jahr 2014 verfassungswidrig ist. Doch die Annahme, dass gezahlte Zinsen für die vergangenen Jahre komplett zurückerstattet werden müssen, leitet fehl. Auch wenn das höchste deutsche Gericht bereits ab 2014 von einer Verfassungswidrigkeit ausgeht, ordnet es an, dass die gesetzliche Regelung für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 weiter angewendet werden kann. Erst ab dem Jahr 2019 wird der Gesetzgeber dazu verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 rückwirkend eine gesetzliche Neuregelung zu treffen. 

Bereits seit 2019 werden Zinsfestsetzung mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen, der es der Finanzverwaltung ermöglicht, die Zinsfestsetzungen nach einer Neuregelung zu ändern. Ausdrücklich weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass diese Anpassung sowohl für Nachzahlungs- als auch für Erstattungszinsen gilt. Steuerpflichtige, die daher z. B. im Jahr 2020 entsprechende Erstattungszinsen erhalten haben, müssen davon ausgehen, dass das Finanzamt einen Teil davon zurückfordern kann, jedenfalls insoweit es um die Verzinsung ab dem Jahr 2019 geht.

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Autor dieses Artikels

Lars Lesser

Partner

Steuerberater

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