Buchhaltung vs. Steuerrecht: Warum mehr Abstimmung nötig ist

Buchhaltung vs. Steuerrecht: Warum mehr Abstimmung nötig ist
  • 27.05.2025
  • Lesezeit 4 Minuten

Fehlende steuerliche Einordnung im Tagesgeschäft führt zu Fehlern bei Quellensteuer, Verrechnungspreisen oder Umsatzsteuer – oft mit finanziellen und rechtlichen Folgen.

In vielen Unternehmen ist die Buchhaltung intern gut organisiert. Die steuerliche Beratung – einschließlich Jahresabschluss und Deklaration – wird hingegen extern erbracht. Dieses Modell ist in der Praxis weit verbreitet. Doch wenn steuerliche Anforderungen im Accounting nicht frühzeitig mitgedacht werden, entstehen systematische Schwächen, die sich im Rahmen des Jahresabschlusses nur noch eingeschränkt korrigieren lassen. 

Denn eine formal korrekte Buchung ist noch keine steuerlich zutreffende Bewertung – mit Konsequenzen für Compliance, Reporting, Steuerplanung und die Kommunikation mit Finanzverwaltung, Investoren oder Gesellschaftern. 

Steuerlich relevante Fragen entstehen im Alltag – aber werden oft erst im Rückblick sichtbar 

Viele steuerliche Fragestellungen entstehen nicht erst im Rahmen des Jahresabschlusses, sondern bereits im Tagesgeschäft. Fehlt eine frühzeitige Einbindung der steuerlichen Perspektive, können sich strukturelle Fehler verfestigen. Typische Beispiele aus der Praxis: 

  • Quellensteuerpflichten (§ 50a EStG) bei Zahlungen an ausländische Unternehmen – etwa für Lizenzen, Bauleistungen oder Künstlerhonorare – werden zwar buchhalterisch erfasst, aber ohne Einbehalt oder Prüfung einer Freistellungsbescheinigung durchgeführt. 
  • Leistungsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen erfolgen ohne schriftliche Verträge – obwohl aus steuerlicher Sicht eine dokumentierte Vereinbarung im Voraus erforderlich ist (insbesondere bei Verrechnungspreisen, vgl. § 1 Abs. 1 AStG). 
  • Geschäftsführerbezüge werden einheitlich behandelt, obwohl steuerlich zu unterscheiden ist, ob es sich um Fremd- oder Gesellschafter-Geschäftsführer handelt (vgl. auch BFH, Urteil vom 10.5.2006 – I R 28/05). 
  • Innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1b UStG i. V. m. § 6a UStG) oder Exporte werden steuerfrei erfasst, obwohl Nachweise unvollständig oder nicht vorhanden sind – insbesondere bei Abholfällen, in denen der Belegnachweis fehlt (§ 17a UStDV). 
  • Leistungsorte bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten werden pauschal als inländisch bewertet – ohne Prüfung der zutreffenden Zuordnung gemäß § 3a Abs. 2–8 UStG
  • Bauprojekte im Betrieb werden direkt als Aufwand gebucht, obwohl eine Aktivierungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Anschaffungs- und Herstellungskosten) bestehen könnte. 
  • Rückstellungen für drohende Verluste, die handelsrechtlich zulässig sein mögen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB), werden auch steuerlich mindernd berücksichtigt – obwohl sie im Steuerrecht nicht abzugsfähig sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies führt zu einer Verzerrung der Steuerplanung und zu Abweichungen bei Vorauszahlungen und Steuererklärungen. 

Diese Fälle zeigen: Die Lücke entsteht nicht bei der Buchung – sondern bei der Einordnung. 

Jahresabschlusskorrekturen sind keine dauerhafte Lösung 

Zwar erfolgen im Rahmen der Jahresabschlusserstellung regelmäßig steuerliche Korrekturen und Umbuchungen. Doch zu diesem Zeitpunkt ist die Nachvollziehbarkeit vieler Geschäftsvorfälle eingeschränkt. Dokumentationen fehlen, die wirtschaftlichen Hintergründe sind nicht mehr transparent. Dies erschwert auch die Einhaltung steuerlicher Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 AO) und die Abbildung in Erklärungen oder E-Bilanzen (§ 5b EStG). 

In Unternehmensstrukturen mit wachsendem Berichtsdruck – etwa bei Beteiligungen, PE-Investments oder internationalen Gruppen – können diese nachträglichen Klärungen nicht mehr kompensieren, was frühzeitig hätte erkannt werden müssen. 

Steuerliche Risiken entstehen oft aus organisatorischen Lücken 

Versäumnisse in der laufenden Abstimmung führen nicht nur zu Mehraufwand, sondern bergen auch rechtliche Risiken. Wird z. B. eine Quellensteuer zu Unrecht nicht einbehalten, haftet das Unternehmen für die Steuer (§ 50a Abs. 5 EStG). Umsatzsteuerliche Fehler – etwa bei Reverse-Charge-Sachverhalten (§ 13b UStG) – können zu Nachforderungen, Zinsen (§ 233a AO) und gegebenenfalls Bußgeldern (§ 378 AO) führen. 

Zudem bestehen Mitteilungspflichten gemäß § 138 AO, etwa bei grenzüberschreitenden Beteiligungen, Betriebsstätten oder Geschäftsbeziehungen, die in der laufenden Buchhaltung häufig unbeachtet bleiben. Die Finanzverwaltung prüft zunehmend datenbasiert – strukturelle Unstimmigkeiten treten damit schneller zu Tage. 

Lösungsansatz: Strukturen schaffen statt Einzelfälle nachberechnen 

Wer die steuerliche Perspektive systematisch in den Accountingprozess integriert, reduziert nicht nur Risiken, sondern schafft Verlässlichkeit. Hilfreich sind u. a.: 

  • Routinen zur Identifikation steuerlich sensibler Vorgänge im Alltag 
  • Abstimmung zwischen Accounting und steuerlicher Beratung – nicht nur beim Jahresabschluss, sondern quartals- oder monatsweise 
  • Checklisten für typische Problemfelder – z. B. bei Auslandssachverhalten, konzerninternen Leistungen, Geschäftsführervergütungen 
  • Dokumentation von Vereinbarungen mit verbundenen Unternehmen im Vorfeld der Leistungsbeziehung (Transfer-Pricing-Grundsatz) 
  • Transparenz im Umgang mit Investitionen, Rückstellungen und Leistungsorten 

Dabei geht es nicht um Kontrolle, sondern um Zusammenarbeit auf Augenhöhe – zwischen operativer Buchhaltung und steuerlicher Bewertung. 

Schlussfolgerung: Steuerliche und buchhalterische Betrachtung müssen konform sein 

Die Grenze zwischen buchhalterischer Korrektheit und steuerlicher Richtigkeit verläuft nicht entlang der Beleglage, sondern an der Schnittstelle von Organisation, Kommunikation und Einordnung. Wer hier vorausschauend handelt, schafft nicht nur Sicherheit gegenüber Finanzbehörden – sondern auch Vertrauen bei Investoren, Banken und Stakeholdern. 

Denn im steuerlichen Ergebnis zeigt sich nicht nur, wie verbucht wurde, sondern auch, wie gut steuerliches Denken in den Unternehmensprozess eingebettet ist. 

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Autoren dieses Artikels

Marcel Radke

Partner

Steuerberater

Kerstin Winkler

Partner

Steuerberaterin

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