Europas neuer Kurs: Krypto-Regulierung auf dem Weg zur Systemrelevanz

Europas neuer Kurs: Krypto-Regulierung auf dem Weg zur Systemrelevanz
  • 24.07.2025
  • Lesezeit 6 Minuten

Europa wird zum Vorreiter in Sachen Krypto-Aufsicht und setzt neue Standards für Finanzdienstleister und Crypto Asset Service Providers (CASP) sowie Aufsichtsbehörden und Investoren. Der regulatorische Dreiklang im Überblick.

Die Europäische Union nimmt die Krypto-Industrie verstärkt ins Visier – nicht aus grundsätzlichem Misstrauen gegenüber technologischer Innovation, sondern als Antwort auf eine neue Risikoeinschätzung: Kryptowährungen gelten laut der neuen europäischen Geldwäschebehörde AMLA als eine der größten aktuellen Bedrohungen für die Integrität des Finanzsystems.

Der europäische Dreiklang für eine kohärente Krypto-Aufsicht

Mit der Kombination aus AMLA, der MiCAR und der verpflichtenden Umsetzung der sogenannten „Travel Rule“ schafft die EU erstmals einen kohärenten und grenzüberschreitenden Regulierungsrahmen. Damit positioniert sich Europa als globaler Vorreiter in der Krypto-Aufsicht – und setzt neue Standards für Marktteilnehmer, Aufsichtsbehörden und Investoren.

AMLA – Europas neue Geldwäschewächter 

Mit der Anti-Money Laundering Authority (AMLA) will die EU die Bekämpfung von Geldwäsche europaweit koordinieren und vereinheitlichen. Die Behörde wurde im Juli 2025 offiziell eröffnet. Ab 2028 soll sie die direkte Aufsicht über besonders risikobehaftete Finanzinstitute übernehmen – darunter auch ausgewählte Krypto-Dienstleister.

Für Anbieter digitaler Vermögenswerte bedeutet dies eine spürbare Verschärfung der regulatorischen Anforderungen. So plant die AMLA, Krypto-Unternehmen systematisch in die Gruppe der besonders risikobehafteten Marktteilnehmer aufzunehmen. Damit verbunden sind deutlich erhöhte Anforderungen an interne Governance-Strukturen, insbesondere in Bezug auf die Verankerung von Geldwäscheprävention auf Vorstandsebene, sowie an die Implementierung effektiver Risikomanagementsysteme.

Zudem soll die bisherige Praxis national unterschiedlich gehandhabter Lizenzierungen und Aufsichtsmodelle zukünftig vermieden werden. Ziel der AMLA ist eine Harmonisierung der Aufsichtspraxis, die gerade für grenzüberschreitend tätige Anbieter mehr Rechtssicherheit und einheitliche Anforderungen schafft.

MiCAR – Einheitlicher Regulierungsrahmen für Krypto-Assets

Mit der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) führt die EU erstmals einen unionsweit geltenden Regulierungsrahmen für digitale Vermögenswerte ein. Die Verordnung umfasst insbesondere Stablecoins, Utility Token sowie Krypto-Dienstleister wie Wallet-Anbieter, Handelsplattformen und Broker.

Auch wenn MiCAR nicht primär als geldwäscherechtliche Regulierung konzipiert ist, stellt sie dennoch einen entscheidenden Baustein zur Stärkung der Markttransparenz und Integrität dar. Die Verordnung verpflichtet alle relevanten Akteure zu einer Lizenzierung durch nationale Aufsichtsbehörden nach EU-weit einheitlichen Kriterien. Zudem werden umfassende Transparenzpflichten, Anforderungen an die IT-Sicherheit und klare Vorgaben zum Verbraucherschutz eingeführt.

MiCAR bildet somit die regulatorische Basis, auf der die AMLA ihre Aufsicht über Krypto-Unternehmen aufbauen kann. Anbieter müssen sich auf detaillierte Vorgaben zu Unternehmensführung, Risikomanagement und Marktverhalten einstellen.

Travel Rule – Der „EU-Durchbruch“ bei Krypto-Transparenz

Ein weiterer zentraler Bestandteil des neuen EU-Regulierungsrahmens ist die verpflichtende Umsetzung der sogenannten Travel Rule. Mit dieser Regelung, die bereits 2019 von der Financial Action Rask Force (FATF) in Ihrer Recommendation 16 formuliert wurde, überträgt die EU die Anforderungen klassischer Finanztransaktionen auf den Krypto-Bereich.

Diese verpflichtet alle Krypto-Dienstleister innerhalb der EU, bei Transaktionen sowohl Informationen zum Absender als auch zum Empfänger zu erheben, zu verifizieren und mit der Transaktion zu übermitteln. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Transaktion und betrifft alle Transfers, bei denen ein EU-ansässiger Anbieter involviert ist.

Für die Industrie bedeutet dies hohe technische Anforderungen. Anbieter müssen Schnittstellen zur Datenübertragung aufbauen, Systeme zur Identitätsprüfung implementieren und gleichzeitig datenschutzrechtliche Vorgaben einhalten. Ziel dieser Regelung ist es, die pseudonymen Krypto-Transaktionen transparent zu machen und so Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung zu verhindern.

Implikationen für europäische und internationale Krypto-Anbieter

Für europäische Krypto-Anbieter stellt das neue Regulierungsregime eine Zäsur dar. So wird die Lizenzierung künftig auf EU-Ebene einheitlich geregelt – eine regulatorische Arbitrage, also die gezielte Wahl besonders nachgiebiger Aufsichtsbehörden, ist damit kaum noch möglich.

Zudem werden alle Anbieter verpflichtet, ein konsistentes und nachweislich wirksames System zur Verhinderung von Geldwäsche zu implementieren. Die Anforderungen gehen dabei weit über die formale Existenz einer Geldwäsche-/Compliance-Abteilung hinaus. Vielmehr geht es um Kompetenzen auch auf Vorstandsebene, um automatisierte Transaktionsüberwachung, um wirksame Sanktions- und KYC-Prüfungen.

Für Anbieter, die in der EU aktiv werden wollen, ist der neue Regulierungsrahmen nicht weniger wichtig. So müssen international Anbieter zukünftig MiCAR- und AMLA-konforme Prozesse und Strukturen vorweisen, um in der EU geschäftstätig zu sein. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle vieler globaler Krypto-Börsen, Stablecoin-Emittenten und DeFi-Plattformen.

Darüber hinaus zeichnet sich bereits ab, dass die europäische Regulierung – ähnlich wie bei der DSGVO – international als Vorlage wahrgenommen wird. Ein „Brüssel-Effekt“, bei dem andere Rechtsräume europäische Standards übernehmen, ist durchaus wahrscheinlich. Anbieter, die heute EU-konform sind, könnten so auch global von einem regulatorischen Vertrauensvorsprung profitieren.

Warum war dies längst überfällig?

Die bisherige Regulierungspraxis in Europa war von nationalen „Alleingängen“ geprägt. Während Länder wie Deutschland bereits strenge Anforderungen an Krypto-Dienstleister stellten, genügte in anderen Mitgliedstaaten eine einfache Registrierung ohne tiefgehende Prüfung.

Diese regulatorische Uneinheitlichkeit führte nicht nur zu einem Wettbewerbsungleichgewicht, sondern auch zu echten Risiken für die Marktintegrität. Krypto-Dienstleister konnten bisher gezielt jene Jurisdiktionen wählen, die für sie die niedrigsten Anforderungen stellten.

Mit dem neuen europäischen Rahmen soll dieser Zustand beendet werden. Die EU schafft ein integriertes Regulierungsmodell, das sich an den Anforderungen des klassischen Finanzsystems orientiert und digitale Vermögenswerte gleichwertig reguliert.

Fazit: Krypto ist ein Europa willkommen, doch die Voraussetzungen sind streng

Die Einführung der AMLA, die Umsetzung der MiCAR und die verpflichtende Travel Rule markieren einen Paradigmenwechsel in der europäischen Krypto-Regulierung. Die EU setzt auf Transparenz, Rechtssicherheit und Harmonisierung und etabliert sich damit als internationaler Standardsetzer.

Für Anbieter digitaler Vermögenswerte ist dies Herausforderung und Chance zugleich. Wer frühzeitig in Compliance-Strukturen investiert, regulatorische Anforderungen umsetzt und Transparenz schafft, kann sich zukünftig als vertrauenswürdiger Partner für institutionelle Investoren, Banken und Aufsichtsbehörden positionieren. 

Die Botschaft der AMLA ist eindeutig: Krypto ist in Europa willkommen – aber nur, wenn es verantwortungsvoll, reguliert und im Einklang mit den Grundwerten des europäischen Finanzsystems geschieht.

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Autor dieses Artikels

Dr. Christoph Wronka, LL.M. (London)

Director, Head of Anti-Financial Crime Audit & Advisory

Certified Anti-Money Laundering Specialist (CAMS), Certified Internal Auditor (CIA)

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