Oberste Finanzbehörden schaffen Klarheit: Aktualisierte Erlasse zur Grunderwerbsteuer

  • 21.05.2024
  • Lesezeit 8 Minuten

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben die folgenden gleichlautenden Erlasse mit Datum vom 5. März 2024 (GLE) aktualisiert:

  • zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG (GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG) 
  • zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle (GLE zu Organschaftsfällen) 
  • zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG (GLE zu §§ 5, 6 GrEStG)

Der wesentliche Inhalt dieser Aktualisierung soll im Folgenden im Überblick zusammengefasst werden: 

I.    Zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG (GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG)

§ 1 Abs. 3 GrEStG regelt, dass die Vereinigung von nunmehr mindestens 90 % der Anteile einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft bzw. der Übergang bereits zuvor vereinigter Anteile grunderwerbssteuerbare Vorgänge sind. Dabei können diese Vorgänge unmittelbar, mittelbar oder teilweise unmittelbar und mittelbar über eine andere Gesellschaft erfolgen.

1.    Bestätigung des Anteilsbegriffs bei Kapital- und Personengesellschaften (Rz. 7 ff.):
Der GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG stellt klar, dass hinsichtlich der Frage, ob eine Anteilsvereinigung vorliegt, die mit den Anteilen im Einzelnen verbundene Rechtsstellung keinen Unterschied macht. So werden Vorzugsaktien mit voll stimmberechtigten Aktien gleichgestellt. Es kommt mithin allein auf die vermögensmäßige bzw. die zivilrechtliche Beteiligung an. Von der Gesellschaft selbst gehaltene Anteile bleiben bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes außer Betracht. 

Hinsichtlich Personengesellschaften bleibt es bei der bisherigen Sichtweise, dass zwischen mittelbaren und unmittelbaren Anteilsvereinigungen unterschieden wird. Im Falle eines mittelbaren Anteilserwerbs entspricht der Anteil an einer Personengesellschaft – wie bei einer Kapitalgesellschaft – der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Bei unmittelbarem Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft folgert die Finanzverwaltung aus dem neu eingeführten § 24 GrEStG, dass hier weiterhin die Pro-Kopf-Betrachtung anzuwenden ist. Nach diesem gilt das mit dem MoPeG zivilrechtlich abgeschaffte Gesamthandsprinzip für grunderwerbsteuerliche Zwecke zeitlich begrenzt fort.

2.    Keine mehrfache Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen (Rz. 21 ff.):
Entgegen anders lautender Befürchtungen möchte die Finanzverwaltung eine Mehrfachbesteuerung wegen der Verwirklichung nur einer Anteilsvereinigung wohl vermeiden.  So soll es bei mehrstufige Beteiligungsstrukturen nicht zur mehrfachen Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG kommen. Ausweislich der Regelung im Erlass wird der Tatbestand allein durch den unmittelbar am Anteilsübergang beteiligten Rechtsträger erfüllt. Erfüllt dieser den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG selbst nicht, ist auf denjenigen Rechtsträger der nächsthöheren Ebene abzustellen, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht.

3.    Bestätigung der Grundsätze zur Verstärkung einer bestehenden Anteilsvereinigung (Rz. 24 ff.):
Die Finanzverwaltung bestätigt ihre bisherige  in der Altfassung der Erlasse zu § 1 Abs. 3 GrEStG geäußerte Ansicht,  dass die Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung von mindestens 90 % – etwa durch Verkürzung der Beteiligungskette, Umwandlung einer mittelbaren in eine unmittelbare Beteiligung oder aber durch Aufstockung einer Beteiligung - keinen steuerbaren, für die Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG beachtlichen Vorgang darstellt. Ausdrücklich erwähnt werden insoweit nur § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG. Unseres Erachtens sollte dies aber auch für Fälle § 1 Abs 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG gelten. Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen besteht aber leider nur in den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2.

Keine Beachtung findet zudem der Umstand, ob eine gegenwärtig grundbesitzende Gesellschaft grunderwerbssteuerbar erworben wurde oder nicht, beispielsweise falls sie zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs noch über keinen Grundbesitz verfügt hat. Insoweit wird demnach allein auf die Beteiligung abgestellt und nicht auf eine etwaige Grundstückszurechnung nach den grunderwerbsteuerlichen Zurechnungsgrundsätzen.

4.    Auseinanderfallen von Signing und Closing bei der Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft (Rz. 29 ff.): 
Etwas überraschend hält die Finanzverwaltung an der in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vom 10.05.2022 geäußerten Rechtsauffassung fest, wonach eine eigene Steuerfestsetzung für das schuldrechtliche Geschäft (Signing)  prinzipiell nur dann geboten ist, wenn eine tatsächliche Durchführung des dinglichen Geschäftsteils (Closing) nicht innerhalb der Jahresfrist zu erwarten ist. Voraussetzung hierfür ist ein identischer Grundstücksbestand bei Signing und Closing sowie die fristgerechte und vollständige Anzeige beider Erwerbsvorgänge (§ 16 Ab. 4a und Abs. 5 GrEStG). Fehlt letztere, soll die Steuerfestsetzung für das Signing, falls noch nicht durchgeführt, jedenfalls nachgeholt werden.

Der Vorrang der Regelungen in §§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG vor §§ 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG soll weiterhin nur beim Zusammenfall von Signing und Closing gelten. Fallen Signing und Closing auseinander – etwa einer aufschiebend bedingten Anteilsabtretung, wird der Vorrang durch § 16 Absatz 4a in Verbindung mit Absatz 5 Satz 2 GrEStG umgesetzt – wobei hier aufgrund des Erfordernisses der vollständigen und fristgemäßen Anzeige höhere Anforderungen gestellt werden.

II.    GLE zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle (GLE zu Organschaftsfällen) 

Auch die Erlasse zur im Grunderwerbsteuerrecht praktisch weniger relevanten Organschaft wurden neu gefasst. Inhaltlich beschränken sich die Änderungen jedoch im Wesentlichen auf die Anpassung der relevanten Beteiligungsgrenzen von bisher 95% auf 90%.


III.    Zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG (GLE zu §§ 5, 6 GrEStG)

1.    Hintergrund: Rechtsunsicherheit durch Einführung des MoPeG

§ 5 und § 6 GrEStG sind insbesondere relevant bei Grundstücksübertragungen im Zusammenhang mit Personengesellschaften, welche jedenfalls bislang grunderwerbsteuerlich den Gesamthändern zugerechnet wurden. Die Einführung des MoPeG zum 1.1.2024 und die damit einhergehende Abschaffung der Gesamthand im Personengesellschaftsrecht erzeugte folglich einige Unsicherheit für die Grunderwerbsteuer.

Hier war bisher zum einen fraglich, ob die Steuervergünstigungen für Personengesellschaften weiter in Anspruch genommen werden können und zum anderen, ob die Gesetzesänderung zu einer Fristverletzung kraft Gesetzes bei bereits erfüllten, aber bislang steuerbefreiten Erwerbsvorgängen führen würde (siehe auch: MoPeG und Nachhaftung: Haftungsbegrenzung für ausscheidende Gesellschafter).

Der Gesetzgeber versuchte dieser Unsicherheit mit dem neu eingeführten § 24 GrEStG zu begegnen und bestimmte darin die temporäre Beibehaltung des Gesamthandsprinzips für Zwecke der Grunderwerbsteuer bis zum Ablauf des 31.12.2026 auch nach dem Inkrafttreten des MoPeG.

In diesem Zusammenhang sollte beachtet werden, dass dies jedenfalls nach Wortlaut der gesetzlichen Regelung nur Rechtssicherheit für Fristen schafft, die bis 31.12.2026 auslaufen. Für Fristen, die bis 2027 und darüber hinaus laufen, wird das Problem dem Wortlaut nach nur zeitlich verschoben. Laut Auskunft der Bundesregierung vom 25.04.2024 vertritt diese jedoch die Auffassung, dass weder die Einführung des MoPeG noch das Auslaufen des befristeten § 24 GrEStG zum 01.01.2027 eine Verletzung der laufenden Nachbehaltensfristen begründet. Damit sollte zumindest für bereits verwirklichte Erwerbstatbestände unter Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach §§5,6 GrEStG nach jetzigem Stand Rechtssicherheit herrschen.

2.    Nachbehaltefristen der §§ 5, 6 GrEStG
Im Rahmen der Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen sind die Nachbehaltensfristen gemäß § 5 Absatz 3 Satz 1 bzw. § 6 Absatz 3 Satz 2 GrEStG zu beachten, wonach eine bereits gewährte Vergünstigung rückwirkend versagt wird, wenn sich innerhalb der festgelegten Nachbehaltensfrist nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand der Anteil des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand verringert. Durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.01.2021 wurden die Fristen für diese Nachbehaltensfristen von fünf auf zehn Jahre verlängert.

Die Finanzverwaltung übernimmt die BFH-Rechtsprechung, wonach für die Bestimmung des  Anteils am Vermögen i.S.d. §§ 5 und 6 GrEStG allein die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am Gesamthandsvermögen maßgeblich ist. Entscheidend ist dabei insoweit die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Beteiligung am Vermögen im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs. 

Dagegen kann eine Anteilsverminderung auf Seiten des übertragenden Gesamthänders am Gesamthandsvermögen auch aufgrund anderweitiger Vereinbarung eintreten, wenn es bei sonst unveränderter zivilrechtlicher Beteiligungsstruktur wirtschaftlich betrachtet zu einer Beschränkung oder gar Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils kommt. Eine schädliche Anteilsminderung liegt demnach auch vor, wenn die Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks beschränkt oder aufgegeben wird. Im Ergebnis kann daher eine anderweitige Vereinbarung auch bei im Übrigen unveränderter zivilrechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen zu einer Anteilsminderung führen.

Entgegen der herrschenden Meinung der Literatur vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass eine zum 30.06.2021 noch nicht abgelaufene Nachbehaltensfrist auch zehn Jahre beträgt bzw. faktisch auf zehn Jahre verlängert wird. Dies bedeutet, dass nach Verwaltungsauffassung bei einer im Jahre 2020 vorgenommen Grundstücksübertragung an eine Tochter-KG eine zehnjährige Nachbehaltensfrist einzuhalten wären (statt wie bislang 5 Jahre).
 

3.    Sonstige Neuerungen
Im Übrigen wurde der Erlass vor allem an die gesetzlichen Neuregelungen seit dem Jahre 2018, also der Absenkung der relevanten Beteiligungsgrenzen sowie der geänderten Fristen angepasst.
Wie erwartet, wird zudem klargestellt, dass die Vergünstigungen auf Kapitalgesellschaften keine Anwendung finden.
Der Erlass äußert sich auch zu den Auswirkungen und Folgen einer Option nach § 1a KStG mit Blick auf die Inanspruchnahme der §§ 5 und 6 GrEStG und weist in diesem Zuge darauf hin, dass die Optionsausübung nach § 1a KStG innerhalb der Nachbehaltensfristen eine schädliche Anteilsminderung darstellt.

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Autoren dieses Artikels

Uwe Roth

Partner

Steuerberater

Stefan Lehner

Director

Steuerberater

Markus Cullefors

Manager

Rechtsanwalt

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