Vergabebeschleunigungsgesetz: Zentrale Punkte des Referentenentwurfs

Foto: Blick durch einen runden Innenhof nach oben in den Himmel.
  • 17.07.2025
  • Lesezeit 4 Minuten

Mit dem sogenannten Vergabebeschleunigungsgesetz soll die Vergabe öffentlicher Aufträge effizienter werden. Nun hat das Wirtschaftsministerium den ersten Entwurf vorgelegt. Die zentralen Vorhaben und Herausforderungen im Überblick.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge“ vorgelegt. Der Entwurf, der noch in dieser Woche das Bundeskabinett passieren soll, greift zentrale Elemente des 2023 angestoßenen, aber nicht verabschiedeten Vergabetransformationsgesetzes auf. 

Der Entwurf ist zugleich als Antwort auf den politischen Imperativ zu verstehen, öffentliche Auftragsvergabe schneller, effizienter und strategischer auszurichten – nicht zuletzt mit Blick auf Investitionsstau, Transformationserfordernisse und sicherheitspolitische Dringlichkeit. 

Regelungsansatz und Reichweite 

Der Referentenentwurf aus dem BMWE bezieht sich ausschließlich auf Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte. Geändert werden sollen sämtliche vergaberechtlichen Verordnungen des Bundes. Flankierend ist eine Änderung der Bundeshaushaltsordnung (BHO) vorgesehen, die eine Anhebung der Wertgrenze für Direktvergaben auf 50.000 Euro netto ermöglichen soll. 

Flexibilisierung des Losgrundsatzes 

§ 97 Absatz 4 GWB soll so angepasst werden, dass Auftraggeber künftig in begründeten Fällen einfacher auf eine losweise Vergabe verzichten können. Voraussetzung ist eine sachliche Rechtfertigung, etwa bei funktionalen oder wirtschaftlichen Unteilbarkeiten der Leistung. Zugleich soll es möglich werden, Hauptauftragnehmer vertraglich zur Weitervergabe bestimmter Leistungsanteile an kleine und mittlere Unternehmen zu verpflichten. 

Abschaffung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde 

Eine der weitreichendsten Änderungen betrifft § 173 GWB: Die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer soll künftig keine automatische aufschiebende Wirkung mehr entfalten. Der Zuschlag darf unmittelbar erteilt werden, sofern das Beschwerdegericht nicht im Einzelfall Abhilfe schafft. Damit wird das Nachprüfungsverfahren grundlegend verändert. 

Neuregelung der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit 

Die Voraussetzungen für eine vergabefreie Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern werden in § 108 GWB neu gefasst. Künftig soll es ausreichen, dass eine gemeinsame öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird; das bisherige Erfordernis wechselseitiger Leistungsverpflichtung entfällt. Damit wird der europarechtliche Rahmen aufgenommen, zugleich aber der Anwendungsbereich der Ausnahme deutlich erweitert. 

Strategische Beschaffung soll früher greifen 

Nach dem Entwurf sollen § 28 VgV und die Parallelvorschriften der Sektoren- und KonzVgV so überarbeitet werden, dass öffentliche Auftraggeber bereits im Rahmen der Markterkundung umweltbezogene, soziale und innovationsbezogene Aspekte berücksichtigen können. Die strategische Beschaffung soll damit früher greifen und gezielter vorbereitet werden. 

Beschränkung des Marktzugangs für Drittstaatenbieter 

In Umsetzung des EuGH-Urteils „Kolin“ (C-652/22) wird § 97 GWB dahingehend angepasst, dass Bieter aus Drittstaaten ohne Vergaberechtsabkommen mit der EU künftig vom Verfahren ausgeschlossen werden können. Entscheidend ist, ob Gegenseitigkeit im Marktzugang besteht. 

Absehen von der Unwirksamkeit bei De-facto-Vergaben 

Die bislang zwingende Rechtsfolge der Unwirksamkeit eines Zuschlags bei rechtswidriger Direktvergabe (§ 135 GWB) soll in Ausnahmefällen entfallen können, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses dies erfordern. Die Vorschrift soll vor allem dem Schutz kritischer Infrastrukturen und Versorgungslagen dienen. 

Fazit: Ein kraftvoller Reformentwurf zwischen Entlastung, Eingriff und europarechtlicher Gratwanderung 

Der Gesetzentwurf greift tief in die Strukturprinzipien des Vergaberechts ein. In mehreren Punkten folgt er einem sachlich nachvollziehbaren und rechtspolitisch gut begründeten Ansatz. Die Flexibilisierung der Losvergabe, die Stärkung der Markterkundung und die Einbeziehung strategischer Kriterien sind konsequente Antworten auf den wachsenden Steuerungsanspruch der öffentlichen Hand. Auch die Möglichkeit, Anbieter aus Drittstaaten ohne Reziprozität auszuschließen, ist europarechtlich abgesichert und in der Sache richtig. 

Problematisch ist jedoch der Wegfall der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde. Er bricht mit dem Grundprinzip effektiven Primärrechtsschutzes und stellt die Nachprüfung de facto unter das Vorzeichen der Vollzugspriorität. Dass ein Zuschlag erteilt werden kann, bevor das Beschwerdegericht überhaupt angerufen wurde, widerspricht dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot und ist europarechtlich angreifbar. 

Auch die geplante Ausnahmeklausel in § 135 GWB zur Heilung rechtswidriger Direktvergaben ist differenziert zu sehen. Die Einführung eines Ausnahmetatbestands für unbestimmte „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ läuft Gefahr, das bislang klare Rechtsfolgensystem aufzuweichen. Unklare Begriffsbestimmungen, weitgehende Ermessensspielräume und eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle könnten zu einer faktischen Entwertung des Rechtsschutzes führen. 

In der Summe steht der Entwurf für eine entschlossene Reformagenda, deren Zielrichtung nachvollziehbar ist. Doch wo Beschleunigung zur Entstrukturierung wird, besteht gesetzgeberischer Korrekturbedarf. Effektive Steuerung braucht verfahrensfeste Rahmenbedingungen. Die Reform kann gelingen – wenn sie den Rechtsstaat nicht als Hindernis, sondern als Strukturvoraussetzung begreift.


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Autor dieses Artikels

Dr. Christian Teuber

Partner

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht

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