Insolvenzrecht: EU-Vorschlag bringt weitreichende Änderungen

Insolvenzrecht: EU-Vorschlag bringt weitreichende Änderungen
  • 22.07.2025
  • Lesezeit 3 Minuten

Die EU treibt die Harmonisierung des Insolvenzrechts voran. Ein neuer Richtlinienvorschlag sieht massive Auswirkungen auch auf das deutsche Insolvenzrecht vor. Die Änderungen im Überblick.

Am 23. Mai 2025 hat der Rat der Europäischen Union einen umfassenden Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung des Insolvenzrechts veröffentlicht. Ziel dieser Initiative ist es, grenzüberschreitende Investitionen im Binnenmarkt zu erleichtern, rechtliche Unsicherheiten zu reduzieren und die Effizienz von Insolvenzverfahren europaweit zu steigern. Die vorgeschlagene Richtlinie wird weitreichende Auswirkungen haben – insbesondere auf das deutsche Insolvenzrecht. Sie wird nach ihrer Verabschiedung durch die nationalen Gesetzgeber noch in geltendes nationales Recht umgesetzt werden müssen. 

Zentrale Inhalte des Richtlinienvorschlags 

Der Vorschlag umfasst insgesamt 137 Seiten, davon allein 55 Seiten mit Erwägungsgründen. Die geplanten Regelungen betreffen zahlreiche Aspekte des Insolvenzverfahrens und bringen sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Unternehmen, Berater und Insolvenzverwalter mit sich. Zu den wichtigsten Neuerungen zählen: 

1. Einführung eines Pre-Pack-Verfahrens 

Ein zentrales Element des Vorschlags ist die Einführung eines sogenannten Pre-Pack-Verfahrens. Dabei wird der Verkauf eines Unternehmens bereits vor der offiziellen Verfahrenseröffnung vorbereitet – unter gerichtlicher Aufsicht und unter Wahrung der Vertraulichkeit. Vertragsverhältnisse können im Rahmen dieses Verfahrens auf den Käufer übertragen werden, was eine schnellere und effizientere Unternehmensübertragung ermöglichen soll. 

2. Neue Anfechtungsregeln 

Die Richtlinie sieht neue Regelungen zur Insolvenzanfechtung vor. Sie beinhalten einen Schutz für Finanzierungen aus vorhergehenden Restrukturierungsversuchen, aber auch einen umfangreichen Regelungsrahmen gegen gläubigerschädigende Handlungen. 

3. Zugriff auf grenzüberschreitende Register 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Zugriff auf Register und Informationen über Vermögenswerte und Bankkonten – auch im EU-Ausland. Dies soll die Aufdeckung von Vermögenswerten im Insolvenzfall deutlich verbessern. 

4. Einheitliche Insolvenzantragspflicht 

Die Richtlinie sieht eine EU-weit einheitliche, haftungsbewehrte Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags bei Zahlungsunfähigkeit vor. Dabei sollen die Mitgliedstaaten gewisse Flexibilitätsoptionen erhalten. Der Richtlinienvorschlag enthält zudem die Möglichkeit für die Mitgliedsstaaten, die Antragspflicht bei Veröffentlichung der Insolvenz in einem öffentlichen Register auszusetzen. 

5. Keine verwalterlose Liquidation für Kleinstunternehmen 

Entgegen früheren Überlegungen soll die Einführung einer verwalterlosen Liquidation für Kleinstunternehmen nicht umgesetzt werden. Damit bleibt die Rolle des Insolvenzverwalters auch in diesen Fällen erhalten. 

6. Flexibilisierung der Gläubigerausschüsse 

Die Zusammensetzung und Arbeitsweise von Gläubigerausschüssen soll flexibler gestaltet werden, um eine effizientere Beteiligung der Gläubiger zu ermöglichen. 

Auswirkungen auf die Praxis 

Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht würde tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen – insbesondere für mittlere und große Unternehmen. Der Richtlinienvorschlag des Europarates berührt nicht nur das materielle Insolvenzrecht, sondern auch die Pflichten der Geschäftsführung, das Haftungsrisiko und die Anforderungen an die Sanierungsberatung. 

Unternehmen und Berater sollten sich frühzeitig mit den geplanten Regelungen auseinandersetzen und ihre Strategien entsprechend anpassen. Den vollständigen Richtlinienvorschlag finden Sie auf der Website des Rates der Europäischen Union. 

Sie haben Fragen zur Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht oder möchten sich strategisch auf die kommenden Änderungen vorbereiten? Wir stehen Ihnen gerne beratend zur Seite. 

Diesen Beitrag teilen:

Autor dieses Artikels

Dr. Alexander Fridgen

Partner

Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Was können wir für Sie tun?

Jetzt Kontakt aufnehmen

Kontakt aufnehmen