Gesellschafterkonflikte vermeiden: Struktur statt Unklarheit

Gesellschafterkonflikte vermeiden
  • 17.06.2025
  • Lesezeit 5 Minuten

Gesellschafterkonflikte entstehen oft schleichend und wurzeln in veralteten Verträgen, unklarer Verantwortung oder ungeregelter Vergütung. Strukturelle Klarheit hilft, Eskalation frühzeitig zu vermeiden.

In vielen mittelständischen Gesellschaften ist das Verhältnis der Gesellschafter über Jahre hinweg stabil. Entscheidungen werden im Einvernehmen getroffen, Zuständigkeiten sind gewachsen, Rollen selbstverständlich.

Gesellschafterkonflikte entstehen in solchen Strukturen nicht plötzlich, sondern über längere Zeit. Durch schleichende Veränderungen, unausgesprochene Erwartungen oder als ungerecht empfundene Entwicklungen. Oft entzünden sie sich an Details – etwa ausgelöst durch eine einzelne Entscheidung – obwohl der eigentliche Auslöser viel tiefer liegt.

Fehlen klare Regeln und Mechanismen im Gesellschaftsvertrag, fehlt auch ein gemeinsames Verständnis, wie mit solchen Situationen umzugehen ist. Die Folge: Blockaden, Missverständnisse und Eskalation, die sich vermeiden ließen.

Was passiert, wenn Gesellschafterverträge nicht mitwachsen? 

In der Praxis zeigt sich häufig: Die Gesellschaft wurde vor Jahren oder Jahrzehnten formal gegründet – oft mit einem Standardvertrag beim Notar. Dabei war nicht absehbar, wie dynamisch sich das Unternehmen entwickeln würde. Die tatsächliche Entwicklung, die gewachsene Verantwortung und die Komplexität der Strukturen haben sich seitdem erheblich verändert. Die vertragliche Basis jedoch nicht.
In Familiengesellschaften bleiben Gesellschaftsverträge auch oft über Jahrzehnte unverändert bestehen. Selbst dann, wenn sich die Eigentümerstruktur, die operativen Rollen oder die wirtschaftlichen Verhältnisse längst gewandelt haben.

Neue Gesellschafter werden aufgenommen, Anteile übertragen oder vererbt –der Gesellschaftsvertrag bleibt jedoch unverändert. Die Folge daraus: Die vertragliche Ordnung passt nicht mehr zur tatsächlichen Organisation. Und wenn es zu Differenzen kommt, fehlt die passende Grundlage, um sachlich darauf zu reagieren.

Wenn Beteiligung und Beitrag auseinanderfallen

Ein häufiger Ausgangspunkt für Unstimmigkeiten ist das subjektive Empfinden eines Ungleichgewichts: Wer trägt wie viel Verantwortung, wer bringt wie viel Zeit ein – und wer profitiert in welchem Umfang?

Gerade in gewachsenen Strukturen stimmen Beteiligungsverhältnisse und operative Rollen oft nicht mehr überein. Während die Gewinnverteilung regelmäßig an die Kapitalanteile gekoppelt ist, verändert sich der tatsächliche Beitrag der einzelnen Gesellschafter über die Jahre.

Ein Ausgleich über Gehälter, Tantiemen oder Sondervergütungen ist grundsätzlich möglich – aber steuerlich und rechtlich sensibel. Fremdvergleichsgrundsätze, verdeckte Gewinnausschüttungen und fehlende Dokumentation führen dann schnell zu Risiken.

Ein weiterer Aspekt: Die wirtschaftliche Bewertung individueller Beiträge ist oft ohne steuerliche und betriebswirtschaftliche Begleitung kaum realistisch abbildbar. In familiengeführten Unternehmen mit operativ tätigen Gesellschaftern ist die kontinuierliche Analyse von Kennzahlen, Prozessen und Ergebnissen entscheidend. Ein transparenter Blick auf betriebswirtschaftliche Entwicklungen schafft Vertrauen und ermöglicht fundierte Entscheidungen. Diese Datenbasis bildet die Grundlage für die Entwicklung leistungsorientierter und fairer Vergütungssysteme.

Hier zeigt sich die Stärke eines integrierten Ansatzes: Wenn rechtliche Gestaltung, steuerliche Rahmenbedingungen und betriebswirtschaftliche Realität zusammengebracht werden, entstehen konstruktive Lösungen. Diese sind sowohl innerhalb der Gesellschaft nachvollziehbar als auch steuerlich belastbar– und wirken Konflikten präventiv entgegenwirken.

Wie schützt ein Gesellschaftervertrag vor Konflikten?

Ein gut gestalteter Gesellschaftsvertrag ersetzt keine Einigkeit – aber er schafft einen verlässlichen Rahmen für den Fall, dass sie fehlt.

Fehlt dieser Rahmen, gehen die Beteiligten bei Unklarheiten naturgemäß von ihrer eigenen Auslegung aus – und übersehen die Risiken, die aus einer neutralen Perspektive entstehen könnten. Jede Seite sieht sich im Recht. Je weniger greifbar die Regelung ist, desto größer wird die Lücke, die durch Interpretation gefüllt wird.

Ein Gesellschaftsvertrag wirkt nicht nur dann, wenn der Streit da ist – sondern vor allem davor:

  • indem er klare Verfahrensregeln für Meinungsverschiedenheiten vorgibt
  • indem er gestufte Verfahren zur Lösung vorsieht, die Zeit für Einigung schaffen
  • oder indem er Regelungen enthält, die im Streitfall so nachteilig wirken könnten, dass kein Beteiligter sie bewusst in Kauf nehmen möchte

Solche Konstruktionen wirken präventiv, weil sie das Risiko für beide Seiten realistisch machen. Somit wird ein sachlicheres Verhandeln wahrscheinlicher.

Rechtliche und steuerliche Fallstricke in der Praxis

Fehlen abgestimmte Regelungen, greifen die allgemeinen Bestimmungen des GmbH-Gesetzes – oft mit Ergebnissen, die nicht zum konkreten Fall passen. Typische Beispiele:

  • keine vertraglich geregelte Abfindung bei Ausscheiden
  • Stimmrechtsverhältnisse, die nicht zur tatsächlichen Rollenverteilung passen
  • keine Regelung für Patt-Situationen
  • keine Mechanismen zur Streitbeilegung oder Trennung
  • fehlende Differenzierung bei Gewinnverwendung, Ausschüttung und Gehaltsstruktur

Steuerlich kann ein solcher Konflikt ebenfalls weitreichende Folgen haben. Etwa durch Rückforderungsrisiken bei Gesellschaftervergütungen, drohende verdeckte Gewinnausschüttungen oder unklare Zuordnung von Ausgaben. Auch die Abwicklung von Abfindungen oder der Austritt aus der Gesellschaft kann bilanzielle Effekte haben, die im laufenden Jahr nicht mehr zu korrigieren sind.

Struktur schaffen, bevor es nötig wird

Gesellschaftsverträge, die auf die aktuelle Eigentümer- und Unternehmenssituation abgestimmt sind, helfen nicht nur im Streitfall. Sie verhindern, dass Konflikte entstehen und geben allen Beteiligten Orientierung, wie mit Veränderungen umzugehen ist.

Wichtig ist, dass steuerliche und rechtliche Aspekte dabei gemeinsam betrachtet werden: Vergütungen müssen vereinbar, aber auch angemessen und dokumentierbar sein. Beteiligungsverhältnisse sollten zur operativen Verantwortung passen. Und Streitbeilegungsklauseln sollten nicht nur formal geregelt, sondern auch realistisch anwendbar sein.

Je konkreter die Struktur, desto geringer das Risiko, dass sich Konflikte über Jahre aufbauen – oder an Kleinigkeiten eskalieren.
 

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Autoren dieses Artikels

Matthias Winkler

Partner

Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

Ronny Walter

Partner

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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