BMF stoppt BFH-Urteil zur Verlustverrechnung

BMF stoppt BFH-Urteil zur Verlustverrechnung
  • 01.07.2025
  • Lesezeit 6 Minuten

Das BMF widerspricht dem BFH: Ein Nichtanwendungserlass schafft Klarheit bei der Verlustverrechnung öffentlicher Unternehmen und sichert die bisherige Praxis im Querverbund.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat auf die Entscheidung des BFH vom 29. August 2024 (Az. V R 43/21) mit Schreiben vom 6. Juni 2025 reagiert und diese mit einem Nichtanwendungserlass belegt. Die durch den 5. Senat entstandene Verunsicherung über die Voraussetzungen der Verlustverrechnung ist damit von der Finanzverwaltung beseitigt worden.

Hintergrund zur Verlustverrechnung bei öffentlichen Unternehmen

Unterhält ein öffentliches Unternehmen einzelne oder mehrere Tätigkeiten, die strukturell dauerdefizitär sind, so stellt das grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Trägerkörperschaft oder die Gesellschafterin dar, aus deren Interesse heraus die Tätigkeit durch das Unternehmen unterhalten wird. 

Die Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung sind jedoch gemäß § 8 Abs. 7 S. 2 KStG insoweit nicht zu ziehen, soweit das Dauerverlustgeschäft aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird. Der Verlust aus diesen Tätigkeiten steht dann für die Zwecke der Verlustverrechnung gem. § 10d EStG zur Verfügung. 

Eine Verrechnung dieser Dauerverluste ist jedoch bei Kapitalgesellschaften und Betrieben gewerblicher Art (BgA) nur nach Maßgabe der Zusammenfassungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 KStG möglich. Dauerverlustgeschäfte können nur mit dem Ergebnis aus anderen Tätigkeiten zusammengefasst werden, wenn 

  • sie gleichartig sind, 
  • zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder 
  • Betriebe vorliegen, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. 

Mittels dieser Möglichkeit entsteht bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder ihren Eigengesellschaften der sog. Querverbund, bei denen Dauerverlusttätigkeiten (z.B. der ÖPNV oder Bäderbetriebe) mit anderen – gewinnträchtigen – Tätigkeiten (z.B. Elektrizitäts-, Wasser- oder Gasversorgung) zusammengefasst und somit steuerlich die Ergebnisse verrechnet werden können. 

Besteht bei der öffentlichen Hand selbst noch ein Wahlrecht zur Zusammenfassung der BgA nach § 4 Abs. 6 S. 1 KStG („können“), so muss bei einer Kapitalgesellschaft hingegen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 9 S. 1 KStG („sind“) die weitestmögliche Zusammenfassung der Tätigkeiten zu den sog. Sparten nach Maßgabe des § 4 Abs. 6 S. 1 KStG erfolgen. 

Urteil des BFH (5. Senat) vom 29. August 2024: Konsequenzen für die Verlustverrechnung

Der BFH hat mit Urteil vom 29. August 2024 entschieden, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen müssen. Dies hat zur Folge, dass für die Frage der Zusammenfassung bereits zusammengefasste BgA wieder in ihre einzelnen Tätigkeiten „aufgespalten“ werden und die Zusammenfassungsvoraussetzungen sodann im Anschluss zwischen sämtlichen dieser Tätigkeiten geprüft werden müssen. 

Im konkreten Fall betraf das Urteil die Zusammenfassung eines Bäderbetriebs und eines Wasserversorgungsbetriebs mittels eines Blockheizkraftwerkes (BHKW). Die klagende Gemeinde hatte – entsprechend der bisherigen Verwaltungspraxis – die Versorgungsbetriebe des BHKW und der Wasserversorgung zusammengefasst (§ 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 KStG) und sodann diesen zusammengefassten Versorgungs-BgA mit dem Freibad aufgrund der engen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung (§ 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG) weiter zusammengefasst. 

Das zuständige Finanzamt hatte eine Zusammenfassung des Bades mit dem Versorgungs-BgA abgelehnt, da es aufgrund der „Überdimensionierung“ der BHKW an einer engen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung fehle. Hiergegen klagte die Gemeinde.

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein (FG) gab der Klage mit Urteil vom 17. Juni 2021 (Az. 1 K 115/17) umfassend statt. In Übereinstimmung mit den bisherigen Grundsätzen nahm das FG eine zweistufige Prüfung vor: In einem ersten Schritt die Zusammenfassung der Versorgungstätigkeiten zu einem zusammengefassten BgA, im zweiten Schritt die weitere Zusammenfassung des zusammengefassten BgA auf Grund einer engen wirtschaftlich-technischen Verflechtung von einer der zusammengefassten Tätigkeiten zu dem Freibad, die nach bisheriger Auffassung der Rechtsprechung und Finanzverwaltung für die weitere Zusammenfassung ausreichend ist (sog. Mitschlepptheorie). 

Der BFH hob die Entscheidung auf Revision des Finanzamtes auf. Aufgrund des Wortlauts, der Systematik und des gesetzgeberischen Willens müssten die Voraussetzungen der Zusammenfassung zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen. Entsprechend müsse die enge technisch-wirtschaftliche Verflechtung nicht nur zwischen Bad und BHKW, sondern auch zwischen Bad und Wasserversorgung vorliegen. 

Diese Voraussetzungen werden im Regelfall nicht gegeben sein, wodurch es faktisch in vielen Fällen zu einer Aufspaltung des Querverbunds in die Bereiche Bäder und Energieversorgung zum einen sowie die Bereiche der übrigen Versorgung und des Verkehrs zum anderen kommen würde. 

Insbesondere bei Kapitalgesellschaften würde diese Sichtweise vor dem Hintergrund der Pflicht zur weitestmöglichen Zusammenfassung der Tätigkeiten zu erheblichen praktischen Problemen führen. So wäre unklar, ob eine Energieversorgungssparte, die mit einem Bad technisch-wirtschaftlich eng verflochten ist, mit der Bädersparte oder mit anderen gleichartigen Versorgungstätigkeiten oder mit einem etwaigen Verkehrssparte zusammenzufassen wäre. 

Dass der 5. Senat auch insoweit eine von der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis abweichende Auffassung zur Spartenzusammenfassung und insbesondere der Bedeutung des
§ 8 Abs. 9 S. 3 KStG vertritt, hat er bereits in den Urteilen vom 14. März 2024 (Az. V R 2/24 und V R 51/20) angedeutet. 

Nichtanwendungserlass des BMF 

Das BMF wird das Urteil vom 29. August 2024 nicht über den Einzelfall hinaus anwenden. Die Finanzverwaltung hält somit an den Grundsätzen fest, die im BMF-Schreiben vom 12. November 2009 (BStBl. I 2009, 1303) festgelegt wurden. 

Entsprechend bedarf es aus der Sicht der Finanzverwaltung somit der Erfüllung der Zusammenfassungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 nur zwischen den BgA, die zusammengefasst werden sollen. Wurde einer dieser BgA bereits zuvor selbst zusammengefasst, so ist nur der durch Zusammenfassung entstandene BgA auf das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen. 

Das BMF hält somit weiter an der sog. Geprägetheorie fest, wonach es bei Zusammenfassung von selbst zusammengefassten BgA darauf ankommt, welche der im BgA zusammengefassten Tätigkeiten dem Gesamtgebilde das Gepräge gibt. 

Nichtanwendungserlass des BMF schafft Rechtssicherheit trotz restriktiver BFH-Rechtsprechung

Der Nichtanwendungserlass seitens des BMF ist zu begrüßen. Das Urteil des 5. Senats hat die Verlustverrechnung durch Zusammenfassung gem. § 4 Abs. 6 S. 1 KStG mit erheblichen Unsicherheiten belegt. Der 5. Senat vertritt in diesem Bereich eine sehr restriktive Auffassung, die bei betroffenen Kapitalgesellschaften zu wesentlichen Anwendungsproblemen des § 8 Abs. 9 KStG führt. 

Nach den Vorgaben des § 8 Abs. 9 S. 1 KStG sind diese dazu verpflichtet, eine Spartenzusammenfassung im weitestmöglichen Umfang vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des 5. Senats ist eine solche Spartenzusammenfassung in einem weitaus geringeren Umfang als nach der Auffassung der Finanzverwaltung, der Literatur und wohl auch der anderen Senate des BFH möglich. 

Mit dem Nichtanwendungserlass führt das BMF die bisherige Verwaltungsauffassung, die sich nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des großen Senats des BFH gebildet hatte und bisher finanzgerichtlich nicht beanstandet worden war, fort und beseitigt somit zumindest von Verwaltungsseite aus die vom 5. Senat geschaffenen Unsicherheiten. Es ist jedoch auch weiterhin damit zu rechnen, dass der 5. Senat in zukünftigen Fällen seine Rechtsprechungslinie fortführen wird. 

Daher bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag niedergelegte Versprechen der Stärkung des kommunalen Querverbunds und Sicherung der Daseinsvorsorge umsetzt und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Anpassungen an den gesetzlichen Vorschriften vornehmen wird.  

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Autoren dieses Artikels

Dr. Michael Klett

Partner

Rechtsanwalt, Steuerberater

Enno Thönnes

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Nico Schüller

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