M&A in den Nordischen Ländern: Ein Überblick

  • 04.01.2021
  • Lesezeit 10 Minuten

Nach einer von Bureau van Dijk veröffentlichten Statistik wurden in den Nordischen Ländern im Jahre 2019 3.509 Transaktionen mit einem Gesamtdealvolumen von ungefähr 87 Milliarden Euro bekannt gegeben. Dr. Ralf Ek, LL.M., Rechtsanwalt/Advokat (Schweden), Partner und Leiter des Nordic Desks bei Baker Tilly gibt neben einer Einführung über die Wirtschaft und das Geschäftsleben in der Region, einen Überblick über Unternehmenstransaktionen in den Nordischen Ländern.

 

Wirtschaft und Geschäftsleben in den Nordischen Ländern

Die Nordischen Länder Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden sind moderne Industriestaaten mit einer hoch entwickelten Infrastruktur. Gemäß einer aktuellen von der Weltbank für 2019 veröffentlichten Statistik beträgt das kombinierte Bruttosozialprodukt der Nordischen Länder 1.551 Milliarden US-Dollar. Die Region rangiert somit weltweit an 13. Stelle zwischen den Wirtschaftsnationen Südkorea und Spanien. Schweden hat das höchste Bruttosozialprodukt mit 531 Milliarden US-Dollar (Position 23 im weltweiten Ranking), gefolgt von Norwegen mit 403 Milliarden US-Dollar (30), Dänemark mit 348 Milliarden US-Dollar (37) und Finnland mit 269 Milliarden US-Dollar (43). 

Vor der weltweiten Corona-Krise, die die Nordischen Länder weit weniger als andere Regionen, insbesondere Südeuropa, getroffen hat, zeigten die Nordischen Länder eine solide makroökonomische Entwicklung mit im Vergleich zu anderen europäischen Staaten geringen Arbeitslosenquoten bei einem sehr hohen Lebensstandard. Ausländische Direktinvestitionen spielen in den Nordischen Ländern eine große Rolle, wobei Schweden die höchste Quote aufweist. Der Außenhandel und internationale Kooperationen haben eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für die Nordischen Länder. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zu Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner der Nordischen Länder. In den letzten Jahrzehnten gab es zudem umfassende Strukturänderungen in den Nordischen Ländern, die zu einer erheblichen Expansion sowohl des Dienstleistungsbereichs als auch des modernen Technologieindustriebereichs führte. Die Nordischen Länder werden allgemein als besonders innovativ betrachtet. 

Norwegen ist zwar nicht Mitglied der Europäischen Union, jedoch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums. Aus diesem Grund sind eine Vielzahl von norwegischen Wirtschaftsgesetzen mit europäischem Recht harmonisiert. Dänemark, Finnland und Schweden sind Mitglieder der Europäischen Union, wobei nur Finnland auch Mitglied der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist und den Euro eingeführt hat. Das Rechtssystem der Nordischen Staaten basiert vom Ausgangspunkt her auf dem römisch-germanischen Rechtskreis und bietet ausländischen Unternehmen einen zuverlässigen und berechenbaren rechtlichen Rahmen für Investitionen mit exzellenten Geschäftschancen in vielen stark wachsenden Bereichen. So stehen beispielsweise in allen Nordischen Ländern, besonders aber in Norwegen, signifikante Investitionen im Bereich von Infrastrukturmaßnahmen an, die erhebliches Geschäftspotential im Baubereich bieten. 

Alle Volkswirtschaften der Nordischen Länder sind exportorientiert. So werden in Finnland beispielsweise mehr als 80 % der Güter für den Export hergestellt. Traditionell starke Wirtschaftsbereiche sind in den Nordischen Ländern der Öl- und Gasbereich, die Telekommunikationstechnologie, die Papierindustrie und generell das verarbeitende Gewerbe. Zusätzlich sind auch die Bereiche Minen und natürliche Rohstoffe, erneuerbare Energien, Logistik und die neuen Technologiebereiche wie beispielsweise das mobile Spielen (Angry Birds ist in Finnland entwickelt worden) von besonderem Interesse für ausländische Investoren. Dies gilt aufgrund der vergleichsweise geringen Energiekosten auch für energieintensive Unternehmen.

Die Börsen in Stockholm, Helsinki und Kopenhagen sind Teil der NASDAQ Nordic Exchanges. Die Börse in Oslo hingegen wird seit Juni 2019 vom Euronext Konsortium verschiedener europäischer Börsen kontrolliert. 

Der Kapitalmarkt in den Nordischen Ländern ist sehr stark entwickelt. Insbesondere der norwegische Markt weist in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum bei der Begebung von Unternehmensanleihen auf. Der Bondmarkt ist nicht mehr auf die Fremdfinanzierung der Großunternehmen begrenzt, sondern ist eine auch von mittelgroßen und sogar kleinen Unternehmen genutzte Kapitalquelle. Ein hoher Prozentsatz von norwegischen High Yield Bonds wird von internationalen Investoren gehalten. Schweden hat eine überaus lebhafte IPO-Welle in den letzten Jahren erlebt. Beispielsweise gab es im Jahre 2017 74 Börseneinführungen in Schweden (sowie 11 in Norwegen, 10 in Finnland und 4 in Dänemark). 

Die Nordischen Länder haben in den letzten Jahrzehnten sehr enge Kontakte untereinander geknüpft, die zu einer wachsenden regionalen Wirtschaftstätigkeit geführt haben. In den letzten Jahren gab es zudem eine rasante wirtschaftliche Integration durch Fusionen von Großunternehmen aus zwei oder mehr Nordischen Ländern. Beispiele hierfür sind: Nordea (Finanzdienstleistung), Arla (Lebensmittelindustrie), Stora Enso (Papierindustrie), TeliaSonera (Telekommunikation) und Sampo Group (Versicherungen), die alle aus nordischen Zusammenschlüssen entstanden sind. 

Einige Beispiele von namhaften nordischen Unternehmen sind (nach Ländern aufgeführt):

  • Dänemark: A.P. Møller-Maersk (Transport), Bang & Olufsen (Audio & Elektronik), Carlsberg Group (Brauerei), Lego Group (Spielzeug), Novo Nordisk (Gesundheitswesen), TDC (Telekommunikation).
  • Finnland: Fortum (Versorgung), Huhtamäki (Lebensmittelverpackung), Kemira (Chemikalien), Marimekko (Mode), Metso (Geräte und Dienstleistungen für die verarbeitende Industrie), NOKIA (Technologie), Nordea (Finanzdienstleistungen), Stora Enso (Verarbeitende Industrie), UPM-Kymmene (Materialwirtschaft), Viking Line (Schifffahrt).
  • Norwegen: DNB (Finanzdienstleistungen), Netcom (Mobiltelefone), Norsk Hydro (Aluminium), Statoil (Öl und Gas), Telenor (Telekommunikation), Wilh. Wilhelmsen (Schifffahrt), Yara International (Chemie).
  • Schweden: Assa Abloy (Verarbeitende Industrie), Atlas Copco (Investitionsgüter), Electrolux (Verarbeitende Industrie), Ericsson (Telekommunikation), H&M (Einzelhandel), IKEA (Möbel), SEB (Finanzdienstleistungen), Skanska (Bauindustrie), SKF (Verarbeitende Industrie), Solvatten (Wasserversorgung), Svenska Cellulosa Aktiebolaget (Konsumgüter), TeliaSonera (Telekommunikation), Volvo (Automobil).
Strukturierung von M&A Transaktionen in den Nordischen Ländern

Allgemeines

Nach einer von Bureau van Dijk veröffentlichten Statistik wurden in den Nordischen Ländern im Jahre 2019 3.509 Transaktionen mit einem Gesamtdealvolumen von ungefähr 87 Milliarden Euro bekannt gegeben. Etwa 45 % der Transaktionen entfielen hierbei auf Schweden. Die grenzüberschreitende Transaktionstätigkeit war, wie in früheren Jahren, auch im Jahre 2019 hoch, da nordische Zielunternehmen weiterhin sehr attraktiv für Käufer von außerhalb der nordischen Region, insbesondere auch aus Deutschland, waren.

Die privaten M&A Märkte der Nordischen Länder richten sich zunehmend an den international üblichen Geschäftspraktiken aus. Sogar rein inländische Transaktionen, an denen nur Parteien aus den Nordischen Ländern beteiligt sind, werden oftmals in einer Weise vorbereitet, verhandelt und ausgeführt, wie dies der internationalen Marktpraxis entspricht. Aufgrund des Trends hin zu grenzüberschreitenden Deals steigt der ausländische Anteilsbesitz an nordischen Unternehmen. Strukturierte Auktionen werden häufig bei M&A Transaktionen durchgeführt, wie dies auch internationalen Trends entspricht. Ein weiteres Markenzeichen für den M&A Markt in den Nordischen Ländern ist die sehr starke Stellung von Private Equity Investoren. 

Grundsätzlich sind Share Deals (also der Kauf von Geschäftsanteilen) bei Deals in den Nordischen Ländern häufiger anzutreffen als Asset Deals (also der Kauf von Wirtschaftsgütern). Fusionen, Spaltungen, Unternehmenszusammenschlüsse und Joint Ventures kommen ebenfalls oft als Strukturierungsalternativen vor. Vorkaufsrechte und Einschränkungen beim Verkauf von Geschäftsanteilen (insbesondere Zustimmungsvorbehalte) sind in den Nordischen Ländern üblich. Aus diesem Grund muss ein potenzieller Käufer das Zielunternehmen im Rahmen der Due Diligence umfassend prüfen. Der Due-Diligence-Prozess folgt in den Nordischen Ländern grundsätzlich dem internationalen Standard und ist im Allgemeinen in einer sehr durchdachten und effizienten Weise strukturiert. In Bezug auf den Verhandlungsprozess sollten internationale Kaufinteressenten die lokalen Besonderheiten kennen, wie beispielsweise den auf Konsens ausgerichteten Führungsstil insbesondere in Schweden.

Verhandlungen können deshalb länger dauern als dies in anderen Regionen erwartet wird. Die M&A Dokumentation folgt dem international üblichen Standards, wie sie insbesondere für angloamerikanische Verträge gelten, allerdings mit gewissen Änderungen, die besser zu den nordischen Traditionen und dem Rechtsrahmen passen. So ist es beispielsweise weniger üblich als in anderen Jurisdiktionen, hohe Break-up Fees bei Scheitern der Vertragsverhandlungen zu vereinbaren. Im Bereich börsennotierter Gesellschaften werden Transaktionen üblicherweise als freundliche Übernahmen strukturiert und Angebote werden nach Verhandlungen mit wichtigen Aktionären und dem Verwaltungsrat des Zielunternehmens veröffentlicht. 

Das Rechtssystem von Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark stammt vom Ausgangspunkt her in wesentlichen Teilen von Rechtstraditionen ab, die auf dem deutschen Zivilrecht beruhen. Im Gegensatz zu angloamerikanischen Deals können deshalb grundsätzlich kürzere Verträge verwandt werden, bei denen dann die Gesetzesbestimmungen etwaige "Lücken" schließen. Jedoch ist in den letzten Jahren ein klarer Trend in den Nordischen Ländern festzustellen, auch dort die längeren angloamerikanischen Vertragsmuster und Dokumentationen zu verwenden. Grundsätzlich gibt es bei Asset oder Share Deals nur begrenzte formale Dokumentationspflichten.

Dänemark

Nach dänischem Recht sind Gesellschaften mit begrenzter Haftung als Anpartsselskab oder ApS mit einem Mindestkapital von  40.000 Dänischen Kronen (ungefähr 5.400 Euro) strukturiert. Die Aktieselskab oder A/S entspricht einer Aktiengesellschaft und verfügt über ein Mindestkapital von 400.000 Dänischen Kronen (ungefähr 54.000 Euro). Sie kann entweder nicht-börsennotiert oder an der Börse gelistet sein. 

Bei öffentlichen Übernahmen wird die Kontrolle einer dänischen börsennotierten Gesellschaft oftmals durch Beteiligungsaufbau zusammen mit einem freiwilligen oder einem Pflichtangebot erlangt. Beim Beteiligungsaufbau ist der Bieter zu einem Pflichtangebot bei einem "Kontrollerwerb" beim Zielunternehmen verpflichtet, der nach dem dänischen Kapitalmarktgesetz grundsätzlich dann erreicht ist, wenn der Käufer ein Drittel oder mehr der Stimmrechte der Gesellschaft hält, sofern es nicht evident ist, dass diese Beteiligung dem Aktionär keine Kontrolle der Zielgesellschaft ermöglicht. Ein Aktionär, der mehr als 90 % des Grundkapitals und der Stimmrechte kontrolliert, kann im Rahmen eines Squeeze-outs die verbleibenden Aktien erwerben. 

Finnland

In Finnland sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Oy organisiert, ein Mindestkapital existiert nicht. Die Rechtsform der auf den Börsenhandel ausgerichteten Publikumsgesellschaften mit beschränkter Haftung wird als Oyj bezeichnet und muss über ein Mindestkapital von 80.000 Euro verfügen. 

Ein historisch gewachsenes Kennzeichen des finnischen Marktes ist es, dass sich viele Gesellschaften in der Hand relativ weniger Unternehmen befinden. Dies gilt auch für viele börsennotierte Gesellschaften. Aus diesem Grund sind Verhandlungen mit wesentlichen Aktionären auch im öffentlichen M&A Bereich oftmals von großer Bedeutung. Die Übernahme börsennotierter Gesellschaften ist im Detail im finnischen Kapitalmarktgesetz geregelt, unterliegt den Standards der finnischen Finanzaufsichtsbehörde, den Übernahmeempfehlungen und dem Gesellschaftsrecht. 

Freundliche öffentliche Übernahmen erfolgen oftmals auf der Basis von Verhandlungen mit wesentlichen Aktionären und dem Zielunternehmen zusammen mit einer Due Diligence des Unternehmens. Das finnische Kapitalmarktgesetz sieht ein Pflichtangebot vor, sobald die Beteiligungsschwelle von 30 % der Stimmrechte einer börsennotierten Gesellschaft überschritten wurde. Gleiches gilt, wenn ein Bieter, der bereits 30 % der Stimmrechte gehalten hat, die Beteiligungsschwelle von 50 % überschreitet. Ein Aktionär, der mehr als 90 % der Aktien und Stimmrechte einer Gesellschaft hält, hat das Recht, die übrigen Aktionäre im Rahmen eines Squeeze-outs auszuschließen.

Norwegen

In Norwegen sind Gesellschaften als Aktiengesellschaften organisiert, entweder als Aksjeselskap oder AS bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft (mit einem Mindestkapital von 30.000 Norwegischen Kronen (ungefähr 2.850 Euro)) oder einer Allmennasksjeselskap oder ASA bei einer Publikumsgesellschaft (mit einem Mindestkapital von 1 Million Norwegischen Kronen (ungefähr 95.000 Euro)). 

Die Übernahme börsennotierter Gesellschaften in Norwegen erfolgt regelmäßig durch Beteiligungsaufbau und einem nachfolgenden öffentlichen Übernahmeangebot. Übernahmeangebote werden durch das norwegische Kapitalmarktgesetz geregelt, das Pflichtangebote vorsieht, wenn ein Bieter direkt oder indirekt mehr als ein Drittel der Stimmrechte einer börsennotierten Gesellschaft erwirbt (mit weiteren Pflichtangeboten bei den Beteiligungsschwellen von 40 % und 50 %). Ein Squeeze-out von Minderheitsaktionären ist dann zulässig, wenn ein Aktionär mehr als 90 % der Aktien und der Stimmrechte hält.

Schweden

Aktiengesellschaften (Aktiebolag oder AB) sind die von ausländischen Investoren am meisten genutzte Gesellschaftsform in Schweden. Private Aktiengesellschaften müssen ein Mindestkapital von 25.000 Schwedischen Kronen (ungefähr 2.400 Euro) und Publikumsgesellschaften ein Mindestkapital von 500.000 Schwedischen Kronen (ungefähr 48.500 Euro) aufweisen.

Nach dem schwedischen Übernahmegesetz hat grundsätzlich ein Pflichtangebot zu erfolgen, sobald ein Käufer 30 % oder mehr der Stimmrechte einer börsennotierten Gesellschaft hält. In Schweden erfolgen viele Übernahmeangebote unter der Bedingung, dass mindestens 90 % der Aktien angeboten werden. Sobald die 90 %-Schwelle überschritten ist, kann der Erwerber die Aktien der übrigen Aktionäre gemäß der Squeeze-out-Regelungen im schwedischen Aktiengesetz erwerben. 

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Dr. Ralf Ek, LL.M.

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