BGH: Firmenbestatter haftet als faktischer Geschäftsführer

BGH: Firmenbestatter haftet als faktischer Geschäftsführer

Der BGH entscheidet: Firmenbestatter können als faktische Geschäftsführer für Insolvenz- und Bankrottdelikte haften – auch ohne offizielle Funktion.

Der 5. Strafsenat des BGH beschäftigte sich in einer kürzlich veröffentlichten Leitsatzentscheidung vom 27. Februar 2025 (Az.: 5 StR 287/24) mit der faktischen Geschäftsführung durch einen Firmenbestatter. Dabei stellte der BGH klar: Ein Firmenbestatter kann nicht nur Teilnehmer, sondern auch Täter von Insolvenz- und Bankrottdelikten sein.

Der Sachverhalt

Der Angeklagte war in der Vergangenheit bereits mehrfach als sogenannter „Firmenbestatter“ in Erscheinung getreten. Er brachte dabei sanierungsbedürftige Gesellschaften in seine Verfügungsgewalt und eignete sich das noch vorhandene Firmenvermögen rechtswidrig an. Dabei schaltete der Angeklagte in den meisten Fällen einen geschäftsunerfahrenen Strohgeschäftsführer ein und agierte selbst als faktischer Geschäftsführer im Hintergrund.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall verschaffte sich der Angeklagte die Kontrolle über mehrere Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage. Im Anschluss an die Übernahme veranlasste er die sofortige Abberufung der alten Geschäftsführer und die Bestellung eines neuen (Stroh-)Geschäftsführers. Bei dem neuen Geschäftsführer handelte es sich um einen vollberufstätigen Krankenpflegehelfer, der an der Führung der Geschäfte weder interessiert noch hierzu in der Lage war. Eine Leitung oder Fortführung der Geschäfte durch den (Stroh-)Geschäftsführer war aber ohnehin nie beabsichtigt. Für sein Mitwirken erhielt der (Stroh-)Geschäftsführer vom Angeklagten Essenseinladungen oder geringe Geldbeträge. Mit der Geschäftsführerbestellung des Pflegehelfers wollte der Angeklagte planmäßig verschleiern, dass er selbst die Geschicke der Gesellschaften bestimmte.

Die übernommenen Unternehmen wurden kurz vor oder kurz nach Übertragung der Anteile zahlungsunfähig, wobei der Angeklagte den Firmen teilweise noch vorhandene Vermögenswerte entzog. In der Folge versäumte es der eingesetzte (Stroh-)Geschäftsführer, einen Insolvenzantrag zu stellen, und gefährdete zeitgleich die Interessen der Gläubiger bezüglich der Befriedigung ihrer geldwerten Ansprüche.

Die Entscheidung

Das LG Leipzig entschied als Vorinstanz (Az.: 11 KLs 281 Js 35309/18), dass eine Täterschaft des Angeklagten nicht in Betracht komme. Der Angeklagte sei nicht als faktischer Geschäftsführer anzusehen, weil er nicht eine „Mehrzahl von klassischen Merkmalen“ aus dem Kernbereich der Unternehmensleitung (z. B. Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern oder Gestaltung der Geschäftsbeziehungen nach außen) erfülle. Laut LG habe auch nicht festgestellt werden können, ob und inwieweit der Angeklagte für die Gesellschaften nach außen aufgetreten sei. Es verbleibe somit nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Bankrott und Beihilfe zur Insolvenzverschleppung des (Stroh-)Geschäftsführers.

Der BGH widersprach dem landgerichtlichen Urteil deutlich und nannte die Ablehnung einer Täterschaft des Angeklagten rechtsfehlerhaft. Wenn der Zweck eines Unternehmens nur noch in der Abwicklung der Geschäftstätigkeit besteht, können laut Senat die für werbende Unternehmen entwickelten Merkmale nur eingeschränkt Anwendung finden. Es kommt deshalb laut BGH für eine faktische Geschäftsführertätigkeit nicht entscheidend darauf an, ob der Angeklagte für die Gesellschaft nach außen aufgetreten ist. Die eine Täterschaft begründende faktische Organstellung beruht nämlich allein auf der rein tatsächlichen Übernahme der Geschäftsführung und ist nicht von einem Außenauftritt abhängig.

Keine klassischen Maßstäbe bei Geschäftsführung in Abwicklungsphasen

Eine faktische Geschäftsführung scheitert laut BGH auch nicht am Fehlen der oben genannten und auf das BayObLG zurückgehenden „klassischen Merkmale“. In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass die vom Angeklagten übernommenen Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hatten und es dem Angeklagten nur noch darum ging, ihnen im Wege einer Firmenbestattung vorhandene Vermögenswerte zu entziehen und Gläubiger „abzuschütteln“. In einem solchen geschäftlichen Rahmen lässt sich laut Senat eine Stellung als Geschäftsführer nicht danach beurteilen, ob von der Person Mitarbeiter eingestellt werden oder ob Vertragsbeziehungen mit Geschäftspartnern gestaltet werden. Es kommt allein darauf an, in welchem Umfang tatsächlich zu erledigende organtypische Aufgaben übernommen werden.

Der BGH hob daher das Urteil des LG hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott und Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück. Eine Entscheidung steht bislang noch aus.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass bei Firmenbestattungen nicht nur der Strohgeschäftsführer Täter von Insolvenz- und Bankrottdelikten sein kann, sondern über die Stellung als faktischer Geschäftsführer auch der im Hintergrund agierende „Bestatter“.

Für die wirtschaftliche Praxis bedeutet dies vor allem, dass Unternehmen in der Krise frühzeitig professionellen Rat einholen sollten. Die Einschaltung eines Firmenbestatters führt regelmäßig gerade nicht zum Wegfall der eigenen strafrechtlichen Verantwortung, sondern wird von der Rechtsprechung erfahrungsgemäß sogar straferschwerend gewertet.
 

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Autoren dieses Artikels

Dr. Rahel Reichold

Partner

Rechtsanwältin

Simon Bloch

Manager

Rechtsanwalt

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