Referentenentwurf zum Lieferkettengesetz – welche Sorgfaltspflichten treffen Unternehmen?

Am 12.02.2021 verkündete die Bundesregierung eine Einigung der beteiligten Ministerien in Bezug auf den Referentenentwurf des Lieferkettengesetzes. Im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2016 ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, dass in Lieferketten in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken zu ermitteln sind. Hinzu kommt eine Berichtspflicht der Unternehmen. Dieser Aktionsplan wird von der Bundesregierung nun umgesetzt, um sicherzustellen, dass deutsche Unternehmen ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten nachkommen. Welche Unternehmen sind davon betroffen und welche Pflichten könnten sie in naher Zukunft treffen?

Welche Unternehmen sind betroffen?

Der Entwurf sieht vor, dass das Gesetz ab dem 1. Januar 2023 Anwendung auf Unternehmen jeglicher Rechtsformen mit inländischem Sitz und mehr als 3.000 Mitarbeiter findet. Zu den Mitarbeitern zählen ebenfalls Leiharbeiter, die mehr als 6 Monate im Einsatz sind und für verbundene Unternehmen nach § 15 AktG. Letztere sind auch dann zu berücksichtigen, wenn eine konzernangehörige Gesellschaft ihren Sitz im Ausland hat. Ab dem 1. Januar 2024 gelten die Sorgfaltspflichten dann auch für Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern.

Welche Rechte sollen durch das Gesetz geschützt werden?

Geschützte Rechtsposition unter dem Lieferkettengesetz sind unter anderem Leben, Gesundheit, gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, ein angemessener Lebensstandard, Kinderschutz, Freiheit von Sklaverei, Leibeigenschaft, Zwangs- oder Pflichtarbeit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen und Schutz vor Folter. Darüber hinaus gibt es auch umweltbezogene Pflichten.

Gerechte und günstige Arbeitsbedingungen beinhalten insbesondere einen angemessenen Lohn und gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, einen angemessenen Lebensunterhalt, sichere sowie gesunde Arbeitsbedingungen und Arbeitspausen sowie eine angemessene Arbeitszeit.

Welche Pflichten haben Unternehmen?

Das angedachte Gesetz begründet für Unternehmen ab einer gewissen Größe eine Bemühenspflicht. Dadurch, dass kein Erfolg geschuldet ist, gibt es auch keine Garantiehaftung, dass die Lieferkette frei von Menschenrechtsverletzungen ist. Unternehmen sind zur Beachtung der in dem Lieferkettengesetz festgelegten menschenrechtlichen Sorgfalt allerdings in angemessener Weise verpflichtet. 

Unternehmen sollen deshalb ein angemessenes Risikomanagement einführen und ebenfalls wirksam umzusetzen, indem es in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufen durch angemessene Maßnahmen verankert wird. Dadurch sollen Risiken erkannt, eine Vorbeugung der Verwirklichung der Risiken ermöglicht und die Verletzung von Menschenrechten beendet werden.

Die Angemessenheit des Handelns des Unternehmens bestimmt sich nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, nach dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung der Rechtsposition bzw. der umweltbezogenen Pflicht. Darüber hinaus ist die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung, der Umkehrbarkeit der Verletzung und die Wahrscheinlichkeit des Verletzungseintritts maßgeblich.

Die Lieferkette erstreckt sich auf die Beiträge, die das Unternehmen verwendet, um ein Produkt herzustellen oder eine Dienstleistung zu erbringen. Dies reicht von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden. Dadurch wird nicht nur das Handeln des Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich erfasst, sondern auch das Handeln eines Vertragspartners, soweit es für die Produktherstellung/Dienstleistung notwendig ist und erfasst ebenfalls das Handeln mittelbarer Zulieferer.

Wie müssen Unternehmen die Einhaltung ihrer Pflichten nach dem Referentenentwurf umsetzen?

Unternehmen müssen festlegen, wer innerhalb des Unternehmens zuständig ist, die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sicherzustellen. So sollten sie z. B. einen Menschenrechtsbeauftragten benennen und die Geschäftsleitung muss sich mindestens einmal jährlich über die Arbeit dieser Person informieren.

Darüber hinaus muss jedes Unternehmen eine Grundsatzerklärung verabschieden, die diverse Elemente enthält wie z. B. die Beschreibung des Präventionsverfahrens, relevante Risiken und die Festlegung der menschenrechtsbezogenen Erwartungen, die das Unternehmen an seine Beschäftigten und Zulieferer in der Lieferkette richtet.

Durch eine Risikoanalyse sollen Unternehmen die menschenrechtlichen Risiken und das Risiko für einen Verstoß gegen eine umweltbezogene Pflicht für den eigenen Geschäftsbereich und den Geschäftsbereich des unmittelbaren Zulieferers identifizieren, bewerten und priorisieren. Die Analyse dient als Grundlage, um wirksame Präventions- und Abhilfemaßnahmen festzulegen und erfolgt einmal jährlich und ggf. anlassbezogen. Die Ergebnisse der Risikoanalyse sind den maßgeblichen Entscheidungsträgern zu kommunizieren. Dies kann der Vorstand sein, aber auch die Einkaufsabteilung.

Zudem müssen Unternehmen jährlich einen Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr erstellen. An diesen Bericht werden umfassende Anforderungen gestellt. So muss unter anderem aufgeführt werden, ob und welche Risiken identifiziert wurden und welche Maßnahmen das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten unternommen hat. Wurden keine Risiken festgestellt, muss dies ebenfalls in dem Bericht plausibel dargelegt werden.

Unternehmen müssen zudem ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren etablieren, dass schriftlich eine Vorgehensweise festlegt, wie Personen ermöglicht wird, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinzuweisen. Über das angebotene Verfahren muss informiert und dessen Wirksamkeit einmal jährlich überprüft werden.

Für mittelbare Zulieferer muss bei Erlangung substantiierter Kenntnis über eine mögliche menschenrechtliche Verletzung unter anderem eine Risikoanalyse durchgeführt und Präventionsmaßnahmen müssen etabliert werden. Darüber hinaus muss das Beschwerdeverfahren auch eine Hinweismöglichkeit für diese Zulieferer beinhalten.

Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist unternehmensintern zu dokumentieren und die entsprechende Dokumentation ist für mindestens sieben Jahre aufzubewahren.

Verstoß gegen Sorgfaltspflichten

Verstoßen Unternehmen gegen die auferlegten Pflichten, so können Zwangs- und Bußgelder verhängt werden. Darüber hinaus ist es ab einer gewissen Bußgeldschwelle möglich, dass Unternehmen aufgrund von Verstößen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss soll nur für bis zu drei Jahre gelten.

Bewertung der Maßnahmen

Auf europäischer Ebene wird ebenfalls ein Lieferkettengesetz erwartet, welches inhaltlich wohl weitreichender sein wird als der deutsche Entwurf. Es ist fraglich, ob der deutsche Alleingang an dieser Stelle die erhoffte Vorbildfunktion hat und tatsächlich Menschenrechtsverletzungen verhindert. Eine gemeinschaftliche Lösung in der EU hätte den Vorteil, dass nicht andere europäische Unternehmen von den weniger strengen Regeln ihres Staates profitieren. Dies wiederum würde bedeuten, dass Menschenrechtsverletzungen durch das vorliegende Gesetz nicht verhindert werden und zudem der Wirtschaftsstandort Deutschland durch die erheblichen Kontrollpflichten einen Nachteil erleidet ohne, dass das Ziel des Gesetzes tatsächlich erreicht wird. 

Vielen Dank an meine Co-Autorin Cathleen Haack.

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Autor dieses Artikels

Oliver Köster, LL.M.

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