Monatliche Einsichtnahme des Betriebsrats in die Bruttoentgeltlisten nur bei konkretem Erfordernis

  • 23.04.2021
  • Lesezeit 3 Minuten

In einer Entscheidung vom 29.09.2020 (Az.: 1 ABR 23/19) hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass es kein Recht des Betriebsrats gibt, turnusgemäß Einsicht in die Bruttoentgeltlisten zu nehmen, wenn dies nicht aktuell erforderlich ist. Insofern bestätigt der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts die eher restriktive Linie beim Einsichtsrecht.

In dem Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt, hatte die Arbeitgeberin dem bei ihr errichteten Betriebsrat auf sein entsprechendes Verlangen hin, Einblick in eine Entgelttabelle für jeden Monat des Jahres 2016 gewährt. In den vorgelegten Tabellen war das Bruttogesamtentgelt für jeden Arbeitnehmer sowie eine Monatsdurchschnittssumme und eine Jahressumme aufgeführt. Nicht differenziert wurde zwischen Grundgehalt und Zuschlägen, Bonuszahlungen o. ä. 

Sechs Monate nach der ersten Einsichtnahme forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin daraufhin auf, erneut Einblick in die aktuelle Gehaltsliste nehmen zu können. Die Arbeitgeberin verlangte nunmehr eine Begründung, warum eine neuerliche Einsichtnahme notwendig sei. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, dass er jederzeit aufgrund seiner Überwachungsaufgaben Einsicht nehmen könne. 

Das BAG wies die Forderung des Betriebsrats, anlassunabhängig Einsicht nehmen zu dürfen, ab und begründete seine Entscheidung wie folgt: 

Dem Betriebsrat sei zwar nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf sein Verlangen hin jederzeit auch Einblick in die Listen über Bruttolöhne und -gehälter zu gewähren. Dieses Recht bestehe jedoch nur, wenn es zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sei. Eine solche Erforderlichkeit könne sich grundsätzlich auch aus der allgemeinen Überwachungsaufgabe des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ableiten oder sich aus einem Mitbestimmungsrecht wie z. B. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ergeben. Notwendig sei aber stets eine auf das konkrete Einsichtsverlangen bezogene spezifische Prüfung der Erforderlichkeit der von dem Betriebsrat geltend gemachte(n) Aufgabe(n). In dem vorliegenden Fall konnte das Gericht nicht erkennen, inwieweit eine solche Überwachungsaufgabe eine monatliche Einsichtnahme bedingen könne. 

Hinweis für die Praxis

Mit seiner Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht erneut – obgleich nicht so deutlich formuliert – klargestellt, dass der Betriebsrat bei objektiver Betrachtung eben keine zweite Personalabteilung ist und (s)ein Einsichtnahmerecht nur anlassbezogen durchsetzen kann.

Wichtig ist wiederum für den Arbeitgeber, noch einmal nachzuvollziehen, dass sich das Einsichtsrecht des Betriebsrates nicht auf anonymisierte Gehaltslisten beschränkt, auch nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen. Seine Grenzen findet das Einsichtsrecht allerdings stets da, wo z. B. ein örtlicher Betriebsrat Einblick in unternehmensweite Bruttoentgeltlisten verlangt, ohne dass überhaupt ein gesetzliches Ge- oder Verbot besteht, auf das sich die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats beziehen könnte.

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Autor dieses Artikels

Jacob Keyl

Partner

Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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