Alphabet Inc. (Google): Erster Anwendungsfall des neuen § 19a Abs. 1 GWB

  • 10.01.2022
  • Lesezeit 4 Minuten

Das neue Jahr ist noch jung, wurde aber vom Bundeskartellamt mit einem Paukenschlag eröffnet: Am 5. Januar teilte die Behörde mit, dass sie zum ersten Mal den im Zuge der 10. GWB-Novelle im Januar 2021 in Kraft getretenen neuen § 19a Abs. 1 GWB angewendet hat.

Diese Vorschrift ermöglicht ein Vorgehen des Bundeskartellamts gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Betroffen ist die Alphabet Inc., die Muttergesellschaft von Google. Google gehört zu den „GAFA“-Unternehmen. Hierunter versteht man allgemein die großen Digitalkonzerne Google (bzw. Alphabet), Amazon, Facebook (bzw. Meta) und Apple, die wegen ihrer Marktstellung und ihrer Größe als wichtigste und Wettbewerbsstärkste Unternehmen in der Digitalwirtschaft betrachtet werden.

Was bedeutet diese Entscheidung für das betroffene Unternehmen?

Nach dem neuen § 19a GWB kann das Bundeskartellamt Unternehmen mit einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb früher und effektiver Wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen: Auf der ersten Stufe ist eine überragende marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb von der Behörde festzustellen. Auf der zweiten Stufe können dann einzelne Verhaltensweisen sanktioniert werden.

Die aktuelle Entscheidung der Bonner Behörde betrifft nur die erste Stufe. Die Wettbewerbsbehörde hat nach einer umfassenden Gesamtwürdigung festgestellt, dass Alphabet eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Die Entscheidung des Bundeskartellamts gilt zunächst für fünf Jahre. Google hat erklärt, gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel einzulegen und die Normadressatenstellung nach § 19a Abs. 1 GWB nicht zu bestreiten.

Infrastruktur-Charakter von Google ausschlaggebend

Google ist eine multinationale Unternehmensgruppe und der Obergesellschaft Alphabet zugeordnet. Am bekanntesten und verbreitetsten sind die Google-Suchmaschine, der Karten- und Navigationsdienst Google Maps, der Videodienst YouTube, der Browser Chrome, das Betriebssystem Android, der App-Store Play Store und der E-Mail-Dienst Gmail. Im Bereich der Werbung bietet Google verschiedene Werbedienste zur Vermarktung seiner eigenen und der Online-Werbeflächen Dritter sowie damit in Zusammenhang stehender Dienstleistungen wie etwa dem Tracking von Nutzerverhalten an.

In beinahe allen genannten Bereichen verfügt Google auch in Deutschland über sehr hohe Marktanteile, wenn das Unternehmen nicht sogar mit großem Abstand Marktführer ist. Dadurch sei es Google nach Aussage des Bundeskartellamts marktübergreifend möglich, gegenüber Nutzern, Kunden und anderen Unternehmen die Regeln und Rahmenbedingungen in seinem digitalen Ökosystem vorzugeben, was einem „Infrastrukturcharakter“ gleichstehe.

Hinzu kommen die weitreichende Autarkie Googles für die Fortentwicklung seiner Dienste, die Vermarktung zielgerichteter Werbung und der herausragende Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten durch die hohe Reichweite des Unternehmens. Schließlich soll die überragende Bedeutung von Google für den Wettbewerb auch durch deren Marktkapitalisierung zum Ausdruck kommen. Diese sei weltweit eine der höchsten und spiegele die große Finanzkraft Googles wider.

Welche Maßnahmen kann das Bundeskartellamt nun verhängen?

Nach Abschluss der ersten Stufe des behördlichen Verfahrens unterliegt Google nun in Deutschland der besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt nach § 19a Abs. 2 GWB. Die Behörde kann Google danach beispielsweise untersagen, seine eigenen Dienste gegenüber Wettbewerbern zu bevorzugen (Nr. 1) oder die Geschäftstätigkeit anderer Unternehmen bei der Nutzung von Googles Diensten zu behindern (Nr. 2).

§ 19a Abs. 2 GWB soll ausweislich der Gesetzesbegründung Verhaltensweisen erfassen, die gerade dann ein gesteigertes wettbewerbsrechtliches Schädigungspotential aufweisen, wenn Unternehmen mit überragend marktübergreifender Bedeutung sie einsetzen. Diese können nämlich besonders die Entwicklung im Wettbewerb mitbestimmen und ihre Stellung dadurch noch weiter verfestigen. Durch § 19a GWB soll der Markt aber auch für (neue) Wettbewerber offen bleiben und ihnen echte Wettbewerbschancen einräumen.

Entscheidung mit weitreichenden Auswirkungen

Die Entscheidung stellt auch aus Sicht des Bundeskartellamts einen ganz wesentlichen Schritt dar. Die Behörde kann nun bestimmte, für den Wettbewerb schädliche Verhaltensweisen von Google aufgreifen und untersagen. Nach Mitteilung des Bundeskartellamts stehen (jedenfalls zunächst) die Verarbeitung persönlicher Daten durch Google und das Thema Google News Showcase im Fokus.

Das Bundeskartellamt führt gegen weitere „GAFA“-Unternehmen Verfahren nach § 19a GWB. Die Chancen stehen gut, dass auch Amazon, Apple und Facebook unter § 19a Abs. 1 GWB fallen.

Spannend wird die Frage, welche konkreten Maßnahmen die Behörde im Nachgang zu einer möglichen Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Stellung gegen einzelne Unternehmen verhängen wird.

Unternehmen, die sich durch bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen mit festgestellter überragender marktübergreifender Bedeutung benachteiligt sehen, können die rechtliche Zulässigkeit solcher Praktiken prüfen lassen und beim Bundeskartellamt ggf. deren Abstellung beantragen.

Die entsprechende Meldung des Bundeskartellamts finden Sie hier >>

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Autor dieses Artikels

Dr. Stefan Meßmer

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