Prämienmodelle und §37b EStG – Der BFH als Spielverderber und das Ende der Komfortzone für den Vertrieb

  • 07.09.2023
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Lange Zeit blieb das BFH-Urteil vom 21.02.2018 – VI R 25/16 zur Frage einer möglichen Pauschalversteuerung gewährter Prämien für Vermittlung von Verträgen in der betrieblichen Praxis unbemerkt.

Noch erstaunlicher aber ist, dass auch das am 28. Juni 2018 angepasste BMF-Schreiben zu § 37b EStG keinerlei Aufmerksamkeit erfuhr. Damit sind alle bekannten und oftmals in der Wirtschaft genutzten Punkte-/Prämienmodelle, die eine Pauschalversteuerung für den primären Zuwendenden (z.B. Banken/Versicherungen) vorsehen, steuerlich und sozialversicherungsrechtlich seit 2018 unzulässig und überholt. 

1.          Grundsätze

Tenor und Kernaussage des BFH ist, dass eine Pauschalversteuerung von Prämien aus Punkte- und/oder Prämienmodellen auf Ebene des originären Zuwendenden nicht möglich ist. Begründet wird dies damit, dass eine Prämie als das ausgelobte Entgelt für die Veräußerung von Leistungen des Zuwendenden anzusehen ist.  In Folge werden etwaige Prämien als Bestandteil von Leistung und Gegenleistung anzusehen und damit nicht zusätzlich zu einer ohnehin vereinbarten Leistung gewährt. Somit fehlt es an einem pauschalierungsfähigen Tatbestand. 

2.          Einschätzung

Die Einschätzung des BFH in dessen Urteil aus 2018 ist u.E. vollkommen steuerlich sowie zivilrechtlich richtig und nimmt Rücksicht auf den gesetzlichen Wortlaut von § 37b EStG.

Dennoch kann wohl festgehalten werden, dass die Entscheidung den eigentlichen Sinn des § 37b Abs. 1 EStG komplett aushebelt. Vorliegend hatte der Gesetzgeber die Pauschalierungsnorm gerade eingeführt, um das Steuersubstrat für Zuwendungen an Dritte direkt an der Quelle einzusammeln sowie weitergehend auch Rechtschutz für den Empfänger als fremden Dritten zu gewährleisten.  

Beispiel für eine klassische Modellierung in der Praxis: 

Was sind also die konkreten steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen der BFH-Entscheidung sowie der Rn. 9d des BMF-Schreibens vom 28. Juni 2018? 

2.1          Ebene des Zuwendenden (Baker Tilly Mandat) 
a. Eine Pauschalierung der Prämien aus dem jeweiligen Modell mit § 37b EStG auf Ebene des Baker Tilly Mandats scheidet aus.
b. Bisher abgeführte Pauschalsteuern für derartige Zuwendungen sind zu Unrecht abgeführte Steuerleistungen und es besteht ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO.
c. Verschiebung der Lohnversteuerung/Sozialversicherung auf die Ebene des Vertriebspartners. 

2.2          Ebene des Vertriebspartners (Autohaus) 

a. Auf Ebene des jeweiligen Autohauses bildet die Prämie sog. unechten Drittlohn, da das Baker Tilly -Mandat in Abstimmung mit dem Autohaus an deren Mitarbeiter zuwendet. 
b. Der Vertriebspartner als Arbeitgeber des vermittelnden Mitarbeiters muss daher die Lohnversteuerung sowie eine etwaige Verbeitragung in der Sozialversicherung vornehmen.
c. Höhere Steuern- und Abgabenlast in Abhängigkeit der Versteuerungsart. 

In Summe bedeutet dies: Viele Unternehmen, welche an derartigen Modellen weiterhin festhalten, generieren fortlaufend Steuer- & Sozialversicherungsrisiken für ihre Vertriebspartner bzw. haben sie in der Vergangenheit (beginnend ab 2018) diesen Risiken ausgesetzt.

3.          Praxishinweise 

Die dargestellte Thematik betrifft somit zumeist den aktuellen Prüfungszeitraum einer kommenden und stattfindenden Lohnsteueraußenprüfung. Damit wird die Lage besonders brisant, wenn der Prüfer sodann die bisherige Pauschalversteuerung zurückdreht und die Versteuerung auf Ebene der Vertriebspartner fordert oder im Wege von Kontrollmitteilungen umsetzt. Dabei zu beachten ist auch das für Beitragsnachforderungen in der Sozialversicherung, welche älter als 3 Monate sind, der Vertriebspartner als Arbeitgeber allein haftet (Beitragsüberrollung).

Damit sind in Bezug auf eine relevante Tax Compliance alle betroffenen Unternehmen in der Pflicht, die vorhandenen Modelle zu überdenken.

Für die Vertriebsbereiche zeigen sich neue Herausforderungen, da sich hier ein Konflikt zwischen der Markt-/Vertriebssteuerung der jeweiligen externen Mitarbeiter (hier Autohausmitarbeiter) und der Kommunikationsnotwendigkeit gegenüber dem Vertriebspartner (hier Autohaus) ergibt. Die Vertriebsbereiche müssen, die bisher bekannte und wohl geschätzte Komfortzone verlassen und eine wesentlich aktivere Rolle einnehmen.

4.          Handlungsempfehlungen für die Praxis

Welche Modelle geben eine Alternative? 

Es ergeben sich verschiedene Modellierungen, die es in der Praxis erlauben, eine Pauschalversteuerung weiterhin auf Ebene des Zuwendenden zu ermöglichen. Wesentlich für die Alternativen ist dabei sowohl rechtlich aus auch tatsächlich in einen anderen Rechtsbegriff oder einen Prozess zu gehen.

Beispielhaft sei hier genannt: 

a. Geschenk-Modell – Punkte-/Prämienvergabe entkoppelt von der Vermittlungsleistung. 
b. Tax Compliance-Modell – Aktive Abstimmung und Kommunikation mit dem Vertriebspartner (Ausgleich der Personalkosten). 

Überdies lassen sich noch weitere Modelle darstellen. Dies beruht jedoch im Regelfall auf dem jeweilig vorhandenen individuellen Modell im Unternehmen.

Wie sollten Unternehmen nun reagieren? 

Die gute Nachricht ist, es gibt alternative Modellierungen, welche eine Pauschalierung nach § 37b EStG auf Ebene des Zuwendenden entweder direkt oder indirekt ermöglichen. 

a. Prüfen Sie das aktuelle Modell auf die dargestellten Schwachstellen. 
b. Binden Sie Marketing/Vertrieb sowie Ihren Dienstleister aktiv in die Anpassungsüberlegungen ein.
c. Sprechen Sie uns an, um gemeinsam neue und sichere Wege für Ihren Verkauf zu gehen.
d. Binden Sie ebenfalls Ihren aktuellen Anbieter mit ein, um entsprechende Modelle & Arbeitspakete abzustimmen. 
e. Bauen Sie ein Kommunikationskonzept für eine mögliche Ansprache Ihrer Vertriebspartner auf.

Sprechen Sie uns gerne in dieser Thematik sowie einer möglichen Umsetzung in Ihrem Unternehmen direkt an. 

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Autor dieses Artikels

Andreas Bode

Partner

Steuerberater

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