BMF-Schreiben: Versuchte Klarstellung zur Anwendung einer verkürzten Nutzungsdauer für digitale Wirtschaftsgüter

  • 14.04.2022
  • Lesezeit 4 Minuten

Am 22.02.2022 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) sein Schreiben vom 26.02.2021 bzgl. der Anwendung einer verkürzten Nutzungsdauer für digitale Wirtschaftsgüter durch ein neues Schreiben ersetzt und damit versucht, Zweifelsfragen, welche sich aus dem ersten Schreiben zu dieser Thematik ergeben haben, zu beseitigen.

Nachdem die Ministerpräsidenteninnen-Konferenz am 19.01.2021 gemeinsam mit der damals amtierenden Bundeskanzlerin in einem Beschluss die Möglichkeit zur Anwendung einer einjährigen Nutzungsdauer für sogenannte digitale Wirtschaftsgüter schuf, hatte das BMF in einem ersten Schreiben am 26.02.2021 weitestgehend Klarheit über Definition und Umfang des Begriffs „digitale Wirtschaftsgüter“ sowie die zeitliche Anwendung dieser Regelung geschaffen. Diesbezüglich haben sich in dem neuen BMF-Schreiben keine Änderungen ergeben.

Jedoch ließ das BMF im Februar 2021 einige Fragen unbeantwortet. Mit dem neuen Schreiben sollte Klarheit geschaffen werden.

Diskussionen bei der neu eingefügten Randziffer 1.1

Speziell die neu eingefügte Randziffer 1.1 führt allerdings zu weiteren Diskussionen in der Fachwelt. Hier heißt es:

„Die betroffenen Wirtschaftsgüter unterliegen auch weiterhin § 7 Absatz 1 EStG. Die Möglichkeit, eine kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, stellt

  • keine besondere Form der Abschreibung,
  • keine neue Abschreibungsmethode und
  • keine Sofortabschreibung dar.

Die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer stellt zudem auch kein Wahlrecht im Sinn des § 5 Abs. 1 EStG dar.“

Der einleitende Hinweis zur Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 EStG war nach Ansicht des BMF notwendig, weil in der Praxis überwiegend die Meinung vertreten wurde, dass eine Anwendung ausscheidet, da sich § 7 Abs. 1 EStG explizit auf Wirtschaftsgüter mit einer Nutzungsdauer von mehr als einem Jahr bezieht. Diese Auffassung basiert auf bis heute gültiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus dem Jahr 1993, welche auch in die Einkommensteuerrichtlinien übernommen wurde. Die Ausführungen des BMF-Schreibens stehen also im Widerspruch mit bisher angewendetem Recht.  

Konsequenz dieser bisherigen Sichtweise der Praktiker war ein steuerlicher Sofortabzug und keine Aufnahme der betroffenen Wirtschaftsgüter in ein Anlageverzeichnis und keine Erfassung von Abschreibungen. Das BMF hat mit dem Hinweis nun klargestellt, dass ein Bestandsverzeichnis auch für die digitalen Wirtschaftsgüter zu führen ist und Abschreibungen grundsätzlich pro rata temporis ab dem Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung des Wirtschaftsgutes zu berücksichtigen sind. Näheres hierzu ist in Randziffer 1.2 des neuen BMF-Schreibens geregelt. 

In der Praxis kann die unterschiedliche Definition der Betriebsausgaben als Abschreibungen oder sonstige Betriebsausgaben z. B. Auswirkungen auf die Anwendung der sog. Zinsschranke oder der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1f GewStG haben. 

Auch der letzte Satz der Randziffer 1.1 erzeugt bei Rechtsanwendern und Beratern Verwirrungen. Bisher wurde weitgehend die Auffassung vertreten, dass es sich bei den Regelungen um ein steuerliches Wahlrecht handelt und von dem sog. Maßgeblichkeitsprinzip der Handelsbilanz für die Steuerbilanz abgewichen werden kann.

Das BMF führt nun aus, dass es sich eben nicht um ein solches Wahlrecht i. S. d. § 5 Abs.1 EStG handelt. Gleichzeitig lässt das BMF aber eine notwendige, daraus folgende rechtliche Neuqualifizierung der Regelung offen. Speziell eine Klarstellung des Verhältnisses zwischen handelsbilanziellen und steuerbilanziellen Wertansätze erfolgt nicht.
Dies hat überall dort Bedeutung, wo unter handelsrechtlicher Betrachtung eine längere Nutzungsdauer zugrunde zu legen ist.

Bewertung und Praxishinweise

In diesem Zusammenhang hatte der Fachausschuss für Unternehmensberichterstattung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) bereits am 16.03.2021 in einer außerordentlichen Sitzung erklärt, dass man die Einschätzung einer einjährigen Nutzungsdauer für digitale Wirtschaftsgüter grundsätzlich nicht teilt. Das bedeutet, dass die Steuerpflichtigen in einen Konflikt mit den Ansichten des IDW geraten, sofern sie eine tatsächliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde legen.

Sollten Steuerpflichtige Investitionen für digitale Wirtschaftsgüter in nennenswerter Höhe planen, empfiehlt es sich daher detaillierten Rat einzuholen, auch hinsichtlich einer eventuellen Berücksichtigung latenter Steuern. Im Übrigen ergeben sich u. E. keine weiteren, nennenswerten Änderungen oder Ergänzungen durch das neue BMF-Schreiben.    
In Anbetracht der vorangehenden Ausführungen und des beabsichtigten Ziels, muss man für das BMF u.E. leider die Beurteilung „war stets bemüht“ abgeben.

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Autoren dieses Artikels

Kai Helesch

Partner

Steuerberater

Lars Lesser

Partner

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