Erneute EZB-Leitzinserhöhung: Warum jetzt für Unternehmen die Bonitätsanalyse weiter an Bedeutung gewinnt

  • 27.10.2022
  • Lesezeit 5 Minuten

Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöht den Leitzins um weitere 0,75 Basispunkte auf 2,00 %. Mit diesem erneuten Zinsschritt, dem dritten im laufenden Jahr, lassen Europas Währungshüter ihren Ankündigungen Taten folgen. Unternehmen müssen sich nun wieder verstärkt der Bonitätsanalyse widmen und können dabei über Baker Tilly auf ein BaFin-zertifiziertes Ratingtool zurückgreifen.

Lange Zeit hatte die Bonität des eigenen Unternehmens und von Drittunternehmen (Lieferanten, Abnehmer, Mieter) aufgrund der attraktiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eher geringere direkte Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen. Niedrige Insolvenzzahlen, wenige Forderungsausfälle sowie historisch niedrige Zinsen und somit geringe Finanzaufwendungen haben die Gewinn- und Verlustrechnung nur geringfügig belastet. 

Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld ist allerdings geprägt von schwierigen Rahmenbedingungen und einer größeren Unsicherheit. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt ist zwar im 2. Quartal 2022 gegenüber dem 1. Quartal 2022 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,1 % gestiegen und hat damit das Niveau vor der Corona-Pandemie wieder erreicht, für das 3. und 4. Quartal 2022 sowie für das Jahr 2023 rechnen die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute jedoch mit einem Rückgang des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Die meisten Experten erwarten als Folge auch eine steigende Zahl an Insolvenzen. Verantwortlich hierfür sind gestörte Lieferketten, die Energiekrise und die u.a. daraus resultierende hohe Inflation, insbesondere im Euroraum. Diese exogenen Faktoren treffen Unternehmen, die größtenteils aus der Corona-Pandemie mit einer höheren Verschuldung und geringerem Eigenkapital kommen.  

Die Zentralbanken steuern mit Leitzinserhöhungen gegen die hohe Inflation. Im Rahmen ihrer dritten Leitzinserhöhung im Jahr 2022 hob auch die EZB am 27. Oktober 2022 den Leitzins erneut um 0,75 Basispunkte auf 2,00 % an. Durch die Zinserhöhungen steigen auch die für Finanzierungen relevanten Referenzzinsen (z.B. EURIBOR). Zudem führen die negativen Konjunkturaussichten und die Unsicherheit zu höheren Finanzierungsmargen, so dass sich der Fremdfinanzierungszinssatz (Referenzzins + Marge) in den zurückliegenden Monaten deutlich erhöht hat. Damit ist die Zeit der historisch niedrigen Finanzierungskosten vorerst vorbei und auch die Relevanz der eigenen Ratingnote steigt bei höheren Zinsen wieder an. 

Die veränderten Rahmenbedingungen belasten die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen enorm. In der Regel können Unternehmen die Belastungen nicht vollständig über Gegenmaßnahmen ausgleichen, so dass in der Breite geringere Gewinne oder sogar Verluste für die nächsten Jahre zu erwarten sind. Als Folge der verschlechterten Jahres- bzw. Konzernabschlüsse 2022 ff. ist auch mit Verschlechterungen der Ratingnoten in den Systemen der Finanzierungsparteien zu rechnen. Dies führt wiederum zu höheren individuellen Margen in den Finanzierungskonditionen, die durch die ausgeführten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich schon angestiegen sind. Es ergibt sich dementsprechend ein doppelter negativer Effekt auf das Finanzergebnis.

Insgesamt steigt unter den gegebenen Rahmenbedingungen somit wieder die Bedeutung der Bonitätsanalyse des eigenen Unternehmens und von Drittunternehmen, um die Gewinn- und Verlustrechnung nicht noch zusätzlich zu belasten. Über die eigene Bonitätsanalyse und Optimierung der eigenen Ratingnote lassen sich Finanzierungskosten in der Regel reduzieren. Zudem kann über eine Bonitätsanalyse von Drittunternehmen das Forderungsausfallrisiko reduziert und auf Abhängigkeiten von wirtschaftlich ungesunden Drittunternehmen reagiert werden.

Baker Tilly kann neben der persönlichen Expertise bei der Bonitätsanalyse auf ein BaFin-zertifiziertes Ratingtool zurückgreifen, welches auch von mehreren (deutschen) Geschäftsbanken genutzt wird. Nach Abfrage der sogenannten „Stammdaten“ (u.a. Rechtsform, Branche etc.) wird über die Erfassung von Jahres- oder Konzernabschlüssen („Hardfacts“) und ausgewählten Fragen („Softfacts“) die Ratingnote auf Basis der 1-Jahres Ausfallwahrscheinlichkeit („PD“) ermittelt. Zudem erfolgt eine Einordnung des Unternehmens in den Branchenvergleich (Benchmarking / Peergroup) und die Darstellung der Bonität und ausgewählter Unternehmenskennzahlen im Zeitvergleich. Von Interesse ist insbesondere die Klassifizierung in „Investment Grade“ und „Non-Investment Grade“. Des Weiteren ist ein Vergleich mit dem Rating-Schema von S&P sowie weiteren Rating-Agenturen und Banken auf Basis der individuell ermittelten 1-Jahres-PD möglich.

Eigene Status quo Bonitätsanalyse

Im Rahmen der Status quo Bonitätsanalyse wird für das Unternehmen eine Ratingnote ermittelt. Mit Hilfe dieser Note kann u.a. eine erste valide Einschätzung zu möglichen Finanzierungsinstrumenten und -konditionen (inklusive Fördermittel) und (Re)Finanzierungsrisiken angegeben werden. Zudem ist ein Benchmarking mit anderen Ratingsystemen möglich, was eine bessere Vergleichbarkeit von Finanzierungsangeboten ermöglicht und als Diskussionsgrundlage für Gespräche mit den Finanzierungspartnern dient. 

Im Rahmen einer detaillierten Analyse können Optimierungsmöglichkeiten der Unternehmenskennzahlen und dementsprechend des Ratings identifiziert werden. Durch die Umsetzung der identifizierten Maßnahmen lassen sich positive Ratingentwicklungen erzielen, die sich in der Regel auch in geringeren Finanzierungskonditionen (Reduktion der Marge) widerspiegeln. Über eine eigene Bonitätsanalyse können somit die Finanzaufwendungen reduziert und die Gewinn- und Verlustrechnung entlastet werden.  

Sensitivierungen

Neben der eigenen Status quo Bonitätsanalyse können auch diverse Sensitivierungen abgebildet werden. Dies können zum einen Sensitivierungen in Bezug auf den Status quo sein: Wie verändert sich die Ratingnote, wenn einzelne Parameter (z.B. Kostenquoten, Margen, Working Capital Struktur, Finanzierungsstruktur) angepasst / optimiert werden? Zum anderen können dies Sensitivierungen in Bezug auf geplante Transaktionen sein: Wie verändert sich die Ratingnote nach Umsetzung einer Transaktion (z.B. M&A, CAPEX, Umstrukturierung) und wie kann die Transaktionsstruktur optimiert werden, um das Rating zu verbessern?

Bonitätsanalyse von Drittunternehmen (z.B. Lieferanten, Abnehmern, Mietern) 

In Ergänzung zur eigenen Bonitätsanalyse können auch Drittunternehmen, die mit einem Unternehmen in einer Geschäftsbeziehung stehen, schnell und effizient in Bezug auf ihre Bonität analysiert werden. So erhalten Unternehmen eine objektive Einschätzung ihrer Lieferanten, Abnehmer, Mieter etc. Auf Basis der Einschätzung oder Veränderungen der Bonität im Zeitverlauf können entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden, um z.B. das Zahlungsausfallrisiko zu minimieren oder die Beschaffung der Waren zu diversifizieren. Über eine Bonitätsanalyse von Drittunternehmen können somit die Aufwendungen (z.B. Forderungsabschreibungen) reduziert und die Gewinn- und Verlustrechnung entlastet werden.  

Je nach Auftrags- und Beratungsumfang ist eine Bonitätsanalyse bereits innerhalb weniger Tage durchführbar. Sprechen Sie gern unsere Experten Markus Paffenholz und Jan-Philipp Bülow dazu an.

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Autoren dieses Artikels

Markus Paffenholz

Partner, Head of Debt Advisory

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