Anfechtungsfrist bei Vormerkung

  • 29.04.2021
  • Lesezeit 6 Minuten

Der BGH urteilt, dass der Rechtsgrund, welcher einer Vormerkung zugrunde liegt, bei Berechnung der Anfechtungsfristen keine Rolle spielt

Gemäß § 8 Abs. 1 AnfG (§ 140 Abs. 1 InsO) gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Über § 8 Abs. 2 AnfG (§ 140 Abs. 2 InsO) wird dieser Zeitpunkt insbesondere bei Vormerkungen vorverlagert auf den Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Die Instanzgerichte waren unterschiedlicher Ansicht, ob diese Vorverlagerung auch bei unentgeltlichen Leistungen, die über eine Vormerkung im Grundbuch gesichert waren, greifen soll oder ob aufgrund der geringeren Schutzwürdigkeit des Anfechtungsgegners auf den Zeitpunkt der Rechtsänderung im Grundbuch abzustellen ist. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 25. März 2021 nunmehr klargestellt, dass der Rechtsgrund, welcher einer Vormerkung zugrunde liegt, bei Berechnung der Anfechtungsfristen keine Rolle spielt. Daher ist bei allen Anfechtungstatbeständen für die Fristberechnung einheitlich auf den Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Vormerkung abzustellen. 

Mit Wirkung vom 5. April 2017 hat der Gesetzgeber über die Einfügung des § 3 Abs. 2 AnfG (§ 133 Abs. 2 InsO) die Anfechtungsfrist für sog. Deckungshandlungen von 10 Jahren auf 4 Jahre verkürzt. Fraglich war seitdem, unter welchen Voraussetzungen derartige Deckungshandlungen entgegen § 3 Abs. 2 AnfG (§ 133 Abs. 2 InsO) weiterhin mit der 10-jährigen Anfechtungsfrist angefochten werden können. Zu dieser Frage hat der BGH nunmehr erstmals Ausführungen gemacht: Hat das der angefochtenen Leistung zugrunde liegende Rechtsgeschäft die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung des § 3 Abs. 1 AnfG (§ 133 Abs. 1 InsO) erfüllt, greift die 10-Jahresfrist des § 3 Abs. 1 AnfG (§ 133 Abs. 1 InsO).

Zusammenfassung des Urteils

BGH, Urteil vom 25.03.2021 – IX ZR 70/20 (OLG Koblenz, LG Mainz)

§§ 3, 4, 8 Abs. 1, 2 AnfG; § 106 InsO

Der IX. Zivilsenat hat mit Urteil vom 25. März 2021 entschieden, dass die jeweils maßgebliche Anfechtungsfrist bei Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch bereits mit dem Antrag auf Eintragung der Vormerkung im Grundbuch zu laufen beginnt, unabhängig davon, ob das zugrunde liegende Rechtsgeschäft als (teilweise) unentgeltlich anzusehen ist. 

Allerdings kann das der Vormerkung zugrunde liegende Rechtsgeschäft, auch dann, wenn die Vormerkung selbst außerhalb der Frist von 4 Jahren im Grundbuch eingetragen wurde, über § 3 Abs. 1 AnfG mit der 10-jährigen Anfechtungsfrist angefochten werden, wenn die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG erfüllt sind. 

Sachverhalt

Die Kläger sind die Eltern des Schuldners. Der Schuldner hat den Klägern im Jahr 2012 ein unwiderrufliches Kaufangebot über sein bebautes Grundstück unterbreitet. Zugunsten der Kläger wurde eine Auflassungsvormerkung bewilligt, die im November 2012 im Grundbuch eingetragen wurde. Die Kläger nahmen das notarielle Kaufangebot im Dezember 2014 an, die Eigentumsumschreibung erfolgte im Oktober 2015.

Die Beklagten hatten gegen den Schuldner einen Zahlungstitel erwirkt. Die zugrunde liegende Klage wurde dem Schuldner im August 2012 zugestellt. Die rechtskräftige Entscheidung des OLG erging im Oktober 2014. Nach Abgabe der Vermögensauskunft durch den Schuldner im Januar 2015 beantragten die Beklagten im Februar 2015 die Eintragung von Zwangssicherungshypotheken, welche im April 2015 im Grundbuch eingetragen wurden.

Die Kläger klagten im Jahr 2017 auf Löschung der Zwangssicherungshypotheken. Die Beklagten erhoben im Jahr 2018 Widerklage auf Löschung der Auflassungsvormerkung sowie auf Löschung der Auflassung. Die auf § 3 AnfG gestützte Widerklage wurde vom Landgericht abgewiesen, die Beklagten wurden zur Löschung der Zwangssicherungshypotheken verurteilt. Auf die hiergegeben gerichtete Berufung hob das OLG das Urteil auf, wies die Klage ab und gab der Widerklage aufgrund von § 4 AnfG im Wesentlichen statt. Die hiergegen zugelassene Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung an das Berufungsgericht. 

Rechtliche Würdigung

Streitig war im Wesentlichen, wann die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt, wenn der vormerkungsgesicherte Anspruch auf einer (teilweise) unentgeltlichen Leistung beruht. Das Berufungsgericht hat eine teleologische Reduktion des § 8 Abs. 2 AnfG vorgenommen und auf den Zeitpunkt der Auflassung abgestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Anfechtungsgegner einer (teilweise) unentgeltlichen Leistung weniger schutzwürdig sei und hat dabei § 106 InsO sowie § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO zur Begründung herangezogen. 

Der BGH hält die Ansicht des Berufungsgerichts jedoch nicht für überzeugend: Nach § 8 Abs. 1 AnfG gilt eine Rechtshandlung in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. § 8 Abs. 2 AnfG verlagert diesen Zeitpunkt bei Registergeschäften vor. Maßgeblich ist dann der Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung im Register. Bei dem hier vorliegenden Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung ist jedoch zu beachten, dass Voraussetzung die Wirksamkeit der Vormerkung selbst ist (Bestehen eines zu sichernden Anspruchs sowie eintragungsfähige Rechtsänderung). Diese Schutzwirkung der Vormerkung tritt nach dem BGH unabhängig davon ein, auf welchem Rechtsgrund der vorgemerkte Anspruch beruht. Die geringere Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs habe der Gesetzgeber bei Neufassung der Vorschriften zur Anfechtung unentgeltlicher Leistungen dadurch berücksichtigt, dass er die Anfechtungsfrist von einem Jahr auf vier Jahre verlängert hat. Aus diesem Grund war die Anfechtungsfrist in dem hier streitgegenständlichen Fall bei Erhebung der Widerklage im Jahr 2018 bereits abgelaufen.

Der BGH prüft dann weiter, welche Anfechtungsfrist im Rahmen des § 3 AnfG vorliegend maßgebend ist. Die Anfechtungsfrist bei sog. Deckungsgeschäften (Sicherungen und Befriedigungen) wurde durch die Gesetzesreform im Jahr 2017 auf vier Jahre verkürzt, § 3 Abs. 2 AnfG. Da es sich bei § 3 Abs. 2 AnfG um lex specialis gegenüber § 3 Abs. 1 AnfG handelt, ist die Anfechtung von Deckungsgeschäften außerhalb der Frist von vier Jahren grundsätzlich ausgeschlossen. Bei der streitgegenständlichen Auflassungsvormerkung handelt es sich um eine Sicherung i. S. v. § 3 Abs.  2 AnfG, sodass auch hier die Anfechtungsfrist verstrichen sein könnte. Allerdings führt der BGH weiter aus, dass bei einer Sicherung auch das zugrunde liegende Rechtsgeschäft zu betrachten ist. Erfüllt dieses die subjektiven Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG, unterfällt auch die Sicherung dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 AnfG und damit der zehnjährigen Anfechtungsfrist. 

Da das Berufungsgericht sich nicht mit dem Anfechtungstatbestand des § 3 AnfG und den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts auseinandergesetzt hatte, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH sorgt nunmehr für Rechtsklarheit im Hinblick auf den Beginn der Anfechtungsfrist bei eintragungsfähigen Ansprüchen. Darüber wird erstmals eine Aussage dazu getroffen, inwiefern sog. Deckungshandlungen, welche nach § 3 Abs. 2 AnfG mit einer Frist von vier Jahren anfechtbar sind, gleichwohl unter den Tatbestand des § 3 Abs. 1 AnfG fallen können und damit der 10-jährigen Anfechtungsfrist unterliegen. Bei Deckungshandlungen ist damit künftig auch jeweils das zugrunde liegende Rechtsgeschäft zu überprüfen, ob dieses die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung erfüllt. 

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