Zweiter Anlauf zur Umsetzung der Whistleblowing-Richtlinie

  • 07.04.2022
  • Lesezeit 5 Minuten

Neuer Referentenentwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen: Welche Pflichten kommen nun auf Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Hand zu?

Nachdem der erste Anlauf zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden ((EU) 2019/1937) gescheitert ist (wir berichteten), wurde nun ein neuer Referentenentwurf vorgelegt.

Erweiterung des Anwendungsbereichs
Wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt wurde der Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes über die Vorgaben der Richtlinie erweitert: Um Wertungswidersprüche zu vermeiden und die praktische Anwendung handhabbar zu gestalten, wurden ausweislich des Entwurfs neben den von der Richtlinie umfassten Verstößen gegen EU-Recht auch das Strafrecht und bestimmte Ordnungswidrigkeiten (beispielsweise Verstöße gegen das Mindestlohngesetz) einbezogen. 

Hinweisgebende Personen sollen in Zukunft begründete Verdachtsmomente oder Wissen über tatsächliche oder mögliche Verstöße in dem oben genannten Umfang melden können, sofern Sie diese Informationen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit erlangt haben. Das gilt für Arbeitnehmer/innen genauso wie für Beamte/innen.

Freie Wahl zwischen interner und externer Meldestelle
Für hinweisgebende Personen werden mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege vorgesehen, zwischen denen sie frei wählen können. Eine Offenlegung der Information, beispielsweise an die Medien, ist nur in Ausnahmefällen möglich; eine Offenlegung außerhalb der gesetzlich zugelassenen Grenzen ist nach dem neuen Gesetzesentwurf bußgeldbewährt. Es ist daneben aber auch verboten, die hinweisgebende Person an einer (berechtigten) Meldung zu hindern.

Bußgeldbewährte Pflicht zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems
Alle Beschäftigungsgeber, sowohl private Unternehmen als auch Organisationen der öffentlichen Hand, haben eine interne Meldestelle einzurichten, sobald sie 50 oder mehr Personen beschäftigen. Für bestimmte Branchen, beispielsweise für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, gilt die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle unabhängig von der Beschäftigtenzahl. In dem neuen Gesetzesentwurf ist nun auch erstmals ein Bußgeld bis zu 20.000 Euro vorgesehen, wenn gegen die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle verstoßen wird. 

Mehrere private Beschäftigungsgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten können für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben; die Pflicht, etwaige Missstände abzustellen sowie der hinweisgebenden Person Rückmeldung zu geben, verbleibt dabei bei dem einzelnen Beschäftigungsgeber. Die interne Meldestelle kann entweder bei dem Beschäftigungsgeber selbst eingerichtet werden oder mithilfe der Unterstützung eines Dritten, etwa einer externen Ombudsperson, betrieben werden.

Hinweisgebersysteme in Konzernstrukturen
Der Gesetzesentwurf liefert auch eine (erste) Antwort auf die viel umstrittene Frage der Organisation von Hinweisgebersystemen in Konzernen: auch eine Mutter-, Schwester- oder Tochtergesellschaft kann aus Sicht des Entwurfs „Dritter“ sein, der mit der Einrichtung und dem Betrieb der Meldestelle betraut wird. Es soll auch möglich sein, dass eine Konzerngesellschaft für mehrere selbstständige Unternehmen im Konzern tätig ist. Allerdings kann die Verantwortung für die Aufklärung des Hinweises und das Abstellen eines etwaigen Missstandes auch im Konzern nicht auf den Dritten übertragen werden.

Ausgestaltung der internen Meldestelle
Die interne Meldestelle muss die notwendigen Befugnisse erteilt bekommen, um ihre Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere um Meldungen zu prüfen und Folgemaßnahmen zu ergreifen. Daneben hat die Meldestelle die Vertraulichkeit der Identität der meldenden Person zu schützen und zu bewahren. Eine Weitergabe von Informationen über die Identität der hinweisgebenden Person ist nur in Ausnahmefällen, beispielsweise im Rahmen von Straf- oder Verwaltungsverfahren, möglich. Die Personen, die die interne Meldestelle betreiben, müssen in dieser Tätigkeit unabhängig sein und zudem über die notwendige Fachkunde verfügen.

Verpflichtend einzurichten sind Meldekanäle für die Entgegennahme von Hinweisen von Beschäftigten und Leiharbeitnehmer/innen. Daneben kann die Meldestelle auch so ausgestaltet werden, dass sich auch Externe, also bspw. Vertragspartner, an die Meldestelle richten. Nach dem aktuellen Entwurf ist es nicht verpflichtend, anonyme Hinweise entgegenzunehmen.
Die Meldestelle muss so ausgestaltet sein, dass Meldungen entweder in mündlicher bzw. Textform oder im Rahmen einer persönlichen Zusammenkunft abgegeben werden können.

Case-Handling und Bearbeitung der Hinweise
Neben der reinen Entgegennahme der Meldung sieht das Gesetz eine Reihe von weiteren Verpflichtungen vor. Der hinweisgebenden Person muss spätestens nach 7 Tagen der Eingang der Meldung bestätigt werden, mit der hinweisgebender Person muss Kontakt gehalten werden und dem Hinweis muss in geeigneter Form nachgegangen werden. Dies kann beispielsweise durch die Durchführung einer internen Untersuchung geschehen. Der hinweisgebenden Person muss regelmäßig nach 3 Monaten eine Rückmeldung über geplante oder ergriffene Maßnahmen gegeben werden.

Einrichtung von externen Meldestellen
Externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz angesiedelt werden. Daneben können die Länder eigene, externe Meldestellen einrichten. Die externe Meldestelle hat – neben der Entgegennahme von Meldungen – auch die Aufgabe, natürliche Personen über die Abgabe von Meldungen zu beraten. Auch die externe Meldestelle ist nicht verpflichtet, anonyme Meldungen entgegenzunehmen.


Schutzmaßnahmen für hinweisgebende Personen
Repressalien gegen die hinweisgebende Person sind nach dem Entwurf verboten. Sollte es zu einer Benachteiligung einer hinweisgebenden Person im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit kommen, so gilt eine Beweislastumkehr: Es wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie wegen der Abgabe der Meldung ist. Die hinweisgebende Person hat einen Anspruch auf Schadensersatz; zudem ist das Ergreifen einer Repressalie bußgeldbewehrt. 

Übergangsfristen für Beschäftigungsgeber unter 250 Mitarbeiter
Beschäftigungsgeber, die zwischen 50 und 249 Mitarbeitende beschäftigen, haben für die Einrichtung der Meldestelle nach dem aktuellen Entwurf bis zum 17. Dezember 2023 Zeit; für Beschäftigungsgeber ab 250 Mitarbeiter ist dagegen keine Übergangfrist vorgesehen.

Handlungspflichten für betroffene Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Hand
Da die Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie bereits im Dezember vergangenen Jahres abgelaufen ist, ist davon auszugehen, dass das Gesetzgebungsverfahren nun rasch fortschreiten wird. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des neu eingefügten Bußgeldtatbestands bei Nichteinrichtung eines Hinweisgebersystems empfehlen wir bereits jetzt, sich mit der Einrichtung eines niederschwelligen und gut kommunizierten Hinweisgebersystems zu beschäftigen.  
 

Artikel teilen: