"Betriebsrätemodernisierungsgesetz": Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt in Kraft getreten

  • 08.07.2021
  • Lesezeit 4 Minuten

Am 18.06.2021 ist das "Betriebsrätemodernisierungsgesetz" in Kraft getreten. Kurz vor Ende der Legislaturperiode ist damit ein wichtiger Punkt aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt worden. Das Gesetz soll die Gründung von Betriebsräten erleichtern und somit die Anzahl von Betriebsräten in den Unternehmen in Deutschland wieder steigern.

Die Anzahl der Betriebsratsgremien ist in der Vergangenheit immer weiter zurückgegangen. So verfügen nur noch rund 10 % der Betriebe in Deutschland über einen Betriebsrat. Außerdem soll die Arbeitsweise des Betriebsrats an die modernen Arbeitsverhältnisse angepasst werden und der Schutz von Betriebsratsmitgliedern bzw. der Mitarbeiter, die im Vorfeld an der Gründung eines Betriebsrats mitwirken, ausgeweitet werden.

Im Einzelnen beinhaltet das Gesetz folgende relevante Änderungen:

  • Da Arbeitgeber teilweise zu drastischen Mitteln greifen, um die Wahl eines Betriebsrats zu verhindern, wird der Sonderkündigungsschutz für diejenigen, die durch eine eidesstattliche Versicherung nachweisen, dass sie die Gründung eines Betriebsrats beabsichtigen (sog. Vorfeldinitiatoren), mit dem nun neu geschaffenen § 15 Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ausgeweitet. Bereits 2001 war ein Sonderkündigungsschutz für die Mitarbeiter geschaffen worden, die zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung einladen oder die die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen, § 15 Abs. 3a KSchG.
  • In Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten (früher bis zu 50 Beschäftigten) wird das vereinfachte Wahlverfahren obligatorisch. Das vereinfachte Verfahren zeichnet sich durch formelle Vereinfachungen des Wahlverfahrens und kürzere Fristen aus. In Betrieben mit bis zu 200 Arbeitnehmern können der Arbeitgeber und der Wahlvorstand fakultativ das vereinfachte Wahlverfahren vereinbaren, § 14a BetrVG.
  • Was in Corona-Zeiten funktionierte, soll auch in Zukunft dauerhaft so bleiben. Gemäß § 30 BetrVG können Video- oder Telefonkonferenzen für Betriebsratssitzungen nun dauerhaft genutzt werden. Allerdings behalten Präsenzsitzungen weiterhin den Vorrang und der Betriebsrat kann selbst entscheiden, welches Format er nutzt. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz zu verlangen. Um die Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz durchführen zu können, muss der Betriebsrat die Voraussetzung in einer Geschäftsordnung festlegen. Es muss gewährleistet sein, dass die Betriebsratssitzung nicht öffentlich ist.
  • Wenn der Betriebsrat personenbezogene Daten verarbeitet, bleibt der Arbeitgeber der Verantwortliche für die Datenverarbeitung. Dies ergibt sich aus dem neu eingefügten § 79a BetrVG. Betriebsrat und Arbeitgeber müssen sich darin unterstützen, die datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten.
  • In § 87 Abs. 1 Ziffer 14 BetrVG wurde ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit neu geschaffen. Dadurch soll der Anreiz zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen über die mobile Arbeit gesteigert werden. Dabei bleibt das „Ob“ der mobilen Arbeit eine Entscheidung des Arbeitgebers. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung hat der Betriebsrat aber ein vollumfängliches Mitbestimmungsrecht.
  • Soll künstliche Intelligenz (KI) im Betrieb genutzt werden – etwa bei der Planung von Arbeitsabläufen oder bei der Personalauswahl – hat der Betriebsrat das Recht, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, wenn der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss (§ 80 Abs. 3 BetrVG). Die „Erforderlichkeit“ wird in diesen Fällen unterstellt.
  • Das aktive Wahlrecht wird auf 16 Jahre herabgesetzt, § 7 S. 1 BetrVG

Fazit

Nachdem Änderungen am Betriebsverfassungsgesetz zunächst durch das „Betriebsrätestärkungsgesetz“ erfolgen sollten, sind die Änderungen nun durch das „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ vom Bundestag verabschiedet worden. Das Gesetz hat aber nicht unbedingt die erforderliche Modernisierung gebracht. Das Wahlverfahren wurde nicht wirklich vereinfacht, denn auch das sogenannte „vereinfachte Verfahren“ ist ein komplexes Verfahren. Lediglich die Zahl der Arbeitnehmer wurde angepasst. Auch bei dem neuen Mitbestimmungsrecht „mobile Arbeit“ in Ziffer 14 des § 87 BetrVG ging es wohl mehr um das politische Ziel des Arbeitsministeriums, wenigstens durch den Mitbestimmungstatbestand das Homeoffice in den Fokus zu nehmen, nachdem die Einführung eines Rechts auf Arbeiten im Homeoffice gescheitert war.

Auch durch den neuen Mitbestimmungstatbestand wird die Entscheidung des Arbeitgebers nicht beeinflusst, mobile Arbeit einzuführen oder nicht. Damit unterlagen zusammenhängende Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeit, des Gesundheitsschutzes und der technischen Einrichtungen bereits in der Vergangenheit dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht. Leider wurde die pandemiebedingte befristete Übergangsregelung zur Abhaltung von virtuellen Einigungsstellensitzungen nicht dauerhaft in das BetrVG übernommen, sodass diese nach herrschender Meinung seit dem 01.07.2021 wieder zwingend in Präsenz durchzuführen sind.

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Autor dieses Artikels

Christine Ostwald

Director

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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