BGH: Abschluss eines Strom- bzw. Gaskonzessionsauswahlverfahrens trotz schwerer Verfahrensfehler unter besonderen Umständen angemessen

In einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. März 2021 (KZR 55/19) kann unter besonderen Umständen des Einzelfalls der Abschluss eines Strom- bzw. Gaskonzessionsauswahlverfahrens trotz des Vorliegens schwerer Verfahrensfehler geboten sein.

Kommunen sind als marktbeherrschende Anbieter von Wegenutzungsrechten nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und § 46 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verpflichtet, zumindest alle 20 Jahre den Konzessionär für den Betrieb ihrer Strom- und Gasversorgungsnetze in einem transparenten und diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. 

Zwar können im Rahmen dieser Verfahren auftretende Verfahrensfehler einen vollständigen oder teilweisen Neubeginn des Verfahrens rechtfertigen - auch, um eine tragfähige Verfahrensgrundlage für eine rechtmäßige Konzessionsvergabe zu schaffen. Je später dieser jedoch erfolgt, desto stärker beeinträchtigt er die vom Gesetz vorgegebene Mindestfrequenz der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession.

Urteil entschärft Spannungsverhältnis

Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner jüngsten Entscheidung (Urteil vom 9. März 2021, Az.: KZR 55/19) erstmals zu dem zuvor aufgezeigten Spannungsverhältnis geäußert und den Kommunen Richtlinien zu Entscheidungsfindung an die Hand gegeben. 

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes gibt das Gesetz den Kommunen nicht nur die grundsätzliche Verpflichtung vor, ordnungsgemäße Verfahren zur Neuvergabe der Konzessionen durchzuführen, sondern verpflichtet diese gleichzeitig die angestoßenen Verfahren unter Wahrung der vom Gesetz vorgegebenen Mindestfrequenz abzuschließen. Die letztgenannte Verpflichtung kann nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes in besonderen Einzelfällen sogar dazu führen, dass die Konzession trotz des Vorliegens von schweren Verfahrensfehlern zu vergeben ist und ein vollständiger oder teilweise Neubeginn untersagt bleibt. Für die Entscheidung zwischen einem Abschluss des Konzessionsvergabeverfahrens und einem neuen Verfahren komme es darauf an, auf welche Weise die Ziele des Gesetzes trotz eines fehlerhaften Verfahrens noch am besten erreicht werden können. 

Mein Praxistipp

Der BGH stellt in seiner Entscheidung die Kommunen erstmals in die Pflicht, die vom Gesetz vorgegebene Mindestfrequenz der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession zu beachten. Eine sorgfältige Verfahrensgestaltung erleichtert es den Kommunen diesen Vorgaben gerecht zu werden und den von Gesetz vorgegebenen Zeitplan einzuhalten.

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Autor dieses Artikels

Nicolas Plinke

Senior Manager

Rechtsanwalt

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