Wachstumschancengesetz: Immobilienbranche droht durch Verschärfung der Zinsschranke höhere Steuerbelastung

  • 14.09.2023
  • Lesezeit 4 Minuten

Am 30. August hat das Bundeskabinett das sogenannte Wachstumschancengesetz (Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness) beschlossen. Insbesondere ein Punkt des Regierungsentwurfs dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Immobilienbranche haben, sollte das Gesetz in der Form umgesetzt werden.

Vorab sei gesagt, dass der Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes in Teilbereichen seinem Namen gerecht wird. So ist die Einführung einer degressiven Gebäude-Afa vorgesehen, die für Wohngebäude mit Baubeginn ab 1. Oktober 2023 (befristet auf sechs Jahre) gelten soll. Die Erzeugung und Abgabe regenerativer Energie im Gebäudesektor soll verbessert werden (Anhebung der „Schmutzgrenze“ von 10 auf 20 Prozent) und der mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz auf zwei Jahre erweiterte Verlustrücktrag soll um ein weiteres Jahr auf drei Jahre ausgedehnt werden. Auch hiervon profitieren Immobilienunternehmen.

Geplant ist aber auch eine Verschärfung des § 4h EStG, also des Paragrafen, der den Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen (Zinsschranke) regelt. Die mit dem Regierungsentwurf vorgeschlagenen Änderungen dienen u. a. der Umsetzung der EU-Antisteuervermeidungsrichtlinie (ATAD) und der (vermeintlichen) darüber hinaus gehenden Missbrauchsverhinderung. Hervorzuheben ist, dass die angedachte Verschärfung nicht nur den grenzüberschreitenden Fall betrifft, was man in Bezug auf ATAD meinen könnte (Verlagerung von Zinsaufwendungen), sondern auch den reinen Inlandsfall. 

Der Regierungsentwurf sieht konkret vor, dass eine Begrenzung des Zinsausgabenabzugs ausgeschlossen ist, wenn „die Nettozinsaufwendungen des Betriebs weniger als drei Millionen Euro betragen. Gleichartige Betriebe, die unter der einheitlichen Leitung einer Person oder Personengruppe stehen oder auf deren Leitung dieselbe Person oder Personengruppe unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, gelten für Zwecke des Satzes 1 als ein Betrieb; die Freigrenze nach Satz 1 ist auf diese Betriebe entsprechend dem Verhältnis der Nettozinsaufwendungen aufzuteilen“.

Anzumerken ist hier, dass der ursprünglich angedachte Freibetrag verworfen wurde und es bei der bisher schon geltenden Freigrenze bleibt.

Besondere Bedeutung kommt aber Satz 2 dieser angedachten Regelung zu. Nach geltender Rechtslage wird beispielsweise in Konzernfällen mit mehreren Immobilientochtergesellschaften die Freigrenze für jede einzelne Tochtergesellschaft in voller Höhe gewährt. Dies liegt daran, dass jede der Immobilientochtergesellschaften als Betrieb im Sinne der Regelung betrachtet wird.

Laut Regierungsentwurf kann die Freigrenze im Konzern nur noch einmal zur Anwendung kommen, wenn die Immobilientochtergesellschaften gemeinschaftlich als ein „Betrieb“ für Zwecke der Freigrenze gelten, was nach dem Wortlaut der Fall wäre, wenn auf die einheitliche Leitung durch eine Person/Personengruppe respektive einen beherrschenden Einfluss durch dieselbe Person/Personengruppe abgestellt wird. Voraussetzung für die Zusammenfassung mehrerer Gesellschaften zu einem Betrieb ist zudem die „Gleichartigkeit“ des Geschäftsbetriebs. Hierzu wird im Gesetz und auch in der Begründung allerdings nicht näher Stellung genommen. Wichtige Fragen zur konkreten Auslegung bleiben unbeantwortet:

  • Ist die Vermietung einer gewerblichen Single-Tenant Immobilie gleichartig zur Vermietung von Wohnraum an viele Parteien? 
  • Wie viele Parteien sind erforderlich, um nicht mehr von Gleichartigkeit zu reden?
  • Ist die Vermietungstätigkeit eines Projektentwicklers, der in Schwestergesellschaften zur Projektgesellschaft eigenen Immobilienbestand hält, gleichartig?

Sollte der Regierungsentwurf in dieser Version unverändert umgesetzt werden, so hätte dies erhebliche Folgen für die Immobilienbranche:

  • Konzern-Escapes mitsamt des EK-Quotenvergleichs müssten (ggf. erstmalig) berechnet werden,
  • Im ungünstigsten Fall müsste die Finanzierungsstruktur komplett umstrukturiert, mindestens aber angepasst werden,
  • Immobilientochtergesellschaften könnten durch die Einschränkung des Zinsausgabenabzugs einer Ertragsteuerbelastung unterliegen, was deren Cashflow negativ belasten würde. Hier verfehlt der Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes die Zielrichtung, die der Name verspricht.

Damit nicht genug. Der Regierungsentwurf sieht weitere Verschärfungen vor. Einmal in Bezug auf die Stand Alone Klausel. Konkret soll die Anwendung dieser Befreiung von der Beschränkung des Zinsabzugs nur noch gelten, wenn „dem Steuerpflichtigen keine Person im Sinne des § 1 Absatz 2 AStG nahesteht. Weiterhin sind eine Erweiterung des Zinsbegriffs („wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital“) sowie eine Begrenzung der Nutzung von Zinsvorträgen geplant.

Gänzlich neu soll eine Zinshöhenschranke eingeführt werden, die für Zinsaufwendungen aufgrund einer Geschäftsbeziehung zwischen nahestehenden Personen Anwendung finden soll.

Aus dem parlamentarischen Verfahren sind noch keine Gerüchte bekannt. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich daher nur spekulieren, inwieweit der Zeitplan (für den 10. November 2023 ist die Verabschiedung im Bundestag geplant, die Zustimmung im Bundesrat für den 15. Dezember 2023 und für die Verkündung ist noch kein Termin bekannt) und die bereits in diversen Stellungnahmen zum Ausdruck gebrachten Anpassungen noch umgesetzt werden.

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Autor dieses Artikels

Andreas Griesbach

Partner, Head of Real Estate

Rechtsanwalt, Steuerberater

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