SanInsFoG in Kraft getreten: Reform des Restrukturierungsrechts bringt weitreichende Änderungen mit sich

  • 08.01.2021
  • Lesezeit 6 Minuten

Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG“) hat am 16. Dezember 2020 den Bundestag passiert und ist am 01.01.2021 in Kraft getreten. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber in Rekordgeschwindigkeit das Restrukturierungsrecht umgestaltet und hat so für einen zentralen Hebel zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der anhaltenden Pandemie gesorgt. Gleichzeitig passt der Gesetzgeber auch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz („COVInsAG“) auf die zweite Welle und den erneuten „harten“ Lockdown an.

Seit dem Referentenentwurf zum SanInsFoG vom 18.09.2020 (wir berichteten) haben sich noch einige weitere Änderungen ergeben.  Gerne weisen wir Sie dazu auch auf unsere Online-Seminar-Reihe SanInsFoG & StaRUG: Hintergründe, Implikationen & Praxisfälle hin.

Die wesentlichen Inhalte und Ziele des neuen Gesetztes sind unverändert geblieben:

  • Schaffung eines vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmen – Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen („SRR“)
  • Anpassung Sanierungsrecht an Folgen der COVID-19 Pandemie
  • Erfüllung der Vorgaben zur Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 (u. a. präventiver Restrukturierungsrahmen)
  • Verbesserung Eigenverwaltung durch Anpassung an Evaluation
  • Anpassung Insolvenzrecht an SRR
  • Kodifizierung der (bestehenden) Prüfungs- und Hinweispflicht von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern im Zusammenhang mit dem Fortbestand des Unternehmens

Letzte Änderungen im StaRUG
Der SRR ist im Wesentlichen erhalten geblieben und kann ab sofort angezeigt werden. 
Die Geschwindigkeit der Umsetzung ist sicher absolut nachvollziehbar, wenn die Reformen noch rechtzeitig bei der vermutlich anstehenden Insolvenz- und Restrukturierungswelle zum Tragen kommen sollen. Hier hat der Gesetzgeber offensichtlich entsprechenden Handlungsdruck gesehen. Ob die Gerichtsorganisation schon Anfang Januar 2021 tatsächlich auf Restrukturierungsrahmen vorbereitet sind, darf hingegen bezweifelt werden. Darauf haben nicht nur wir in der Diskussion in den letzten Monaten mehrfach hingewiesen.

Nicht mehr im StaRUG geregelt ist die Haftungsbeschreibung der Geschäftsleiter bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§§ 2 und 3 StaRUG-E). Wie schon der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, war damit ohnehin keine sachliche Haftungsänderung beabsichtigt. Übernommen worden ist nur eine Haftung während der Laufzeit der Restrukturierungssache, wenn die Gläubigergesamtheit durch die Geschäftsleitung geschädigt wird (vgl. § 43 StaRUG). Bei der Jahresabschlusserstellung und -prüfung ist die Pflicht der beauftragten Berufsträger zum Hinweis auf mögliche Insolvenzantragsgründe nun in § 102 StaRUG kodifiziert. 

Regelungen zum Restrukturierungsplan nahezu unverändert beschlossen
Die Regelungen zum Restrukturierungsplan sind nahezu unverändert beschlossen worden. Enthalten sind nur wenige finale inhaltliche Anpassungen:

  • Keine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger (§ 7 StaRUG).
  • Kostentransparenz beim Planangebot (§ 17 StaRUG)
  • Einschränkung des cross-class cram down (§ 28 StaRUG)

Anders verhält es sich bei den Instrumenten des SRR. Schon früh begann die Diskussion um das Instrument der Vertragsbeendigung durch das Restrukturierungsgericht. Letztlich konnten die Regelungen nicht überzeugen und sind – zumindest im ersten Schritt – nicht ins Gesetz übernommen worden. Im Kern ging es um die Frage, ob man die Privatautonomie partiell opfert, um auch operative Restrukturierungen im SRR zu erleichtern. Hier hat sich in der nun verabschiedeten Fassung der Schutz der Privatautonomie zunächst durchgesetzt. Der tatsächliche Anwendungsbereich der Vertragsbeendigung wäre bei den zuvor vorgesehenen Regelungen ohnehin auf wenige Bereiche (v.a. Filialisten) begrenzt gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass in der anschließenden Diskussion bessere Wege gefunden werden, um die operative Restrukturierung im SRR weiter zu erleichtern.

Auch an der Rechtsstellung und den Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten hat sich wenig geändert. Hier drehte sich die Diskussion der letzten Monate auch eher um die Idealbesetzung für den Restrukturierungsbeauftragten – (bestellter) Insolvenzverwalter oder Berater. Das hängt wesentlich mit der zugewiesenen Rolle des Restrukturierungsbeauftragten zusammen, nämlich ob er Moderator oder Aufsicht in der Restrukturierungssache sein soll. Da das Gesetz dazu keine deutliche Position beziehen will, wird es darauf ankommen, in welchem Umfang Rechtseingriffe in der konkreten Restrukturierungssache vorgenommen werden sollen. Je weniger eingriffsintensiv Instrumente genutzt werden, desto eher moderiert der Restrukturierungsbeauftragte den Prozess.

Neu hinzugekommen ist der Gläubigerbeirat (§ 93 StaRUG). Der kann nunmehr vom Restrukturierungsgericht eingesetzt werden, wenn die Restrukturierungssache „gesamtverfahrensartige Züge“ hat, also bis auf die ausgeschlossenen Gläubiger (§ 4 StaRUG) zumindest weite Teile der Gläubiger umfasst. In diesem Fall soll der Gläubigerrat insbesondere die Geschäftsführung beaufsichtigen. Sachlich ist das richtig, produziert aber zusätzlichen Restrukturierungsaufwand durch die Vergütung der Beiratsmitglieder. Daher werden die Vorschriften, jedenfalls ohne oder gegen den Willen des restrukturierungswilligen Schuldners, restriktiv Anwendung finden müssen. 

Letzte Änderungen im Insolvenzrecht
Neu wird mit dem SanInsFoG das insolvenzrechtliche Zahlungsverbot im insgesamt neuen § 15b InsO vor die Klammer gezogen. Bislang fand es sich in den rechtsformspezifischen Gesetzen (etwa § 64 GmbHG für die GmbH). Im verabschiedeten Gesetz findet sich in dem neuen Absatz 8 eine Privilegierung für Steuerverbindlichkeiten, jedoch nur soweit der Schuldner keinen verspäteten Insolvenzantrag gestellt hat. Damit wird endlich die Pflichtenkollision der Geschäftsleiter vor Insolvenzeröffnung aufgelöst, die zwischen einer gläubigerbegünstigenden Zahlung an das Finanzamt oder einem Verstoß gegen steuerrechtliche Zahlungspflichten standen. Gleichzeitig sieht aber § 55 Abs. 4 InsO in der verabschiedeten Fassung vor, dass nunmehr auch in der vorläufigen Eigenverwaltung und dem Schutzschirmverfahren insbesondere bei der Umsatzsteuerzahllast Masseverbindlichkeiten begründet werden. Bislang hatte sich die Ansicht durchgesetzt, die Umsatzsteuerverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung als Insolvenzforderungen sahen. Das ist nun zugunsten der Finanzverwaltung anders geregelt. Begründet wird dies mit der Gleichstellung von Fremd- und Eigenverwaltungsverfahren. Im Rahmen der Eigenverwaltung sind die Regelungen nahezu unverändert übernommen worden. Eintrittskarte für die vorläufige Eigenverwaltung oder den Schutzschirm ist nun eine vollständige und schlüssige Eigenverwaltungsplanung.

Letzte Änderungen im COVInsAG
Als Reaktion auf den erneuten harten Lockdown hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 COVInsAG nun die Insolvenzantragspflicht bis Ende Januar 2021 für solche Unternehmen ausgesetzt, die dort näher bezeichnete COVID-19 Hilfen beantragt haben. Davon umfasst ist sowohl die Überschuldung als auch die Zahlungsunfähigkeit. Die Hilfen dürfen allerdings auch nicht offensichtlich aussichtslos sein, ansonsten bleibt es bei der Antragspflicht.

Übergangsvorschriften beim Zugang zur Eigenverwaltung für pandemiegeschädigte Unternehmen sind noch für das gesamte Jahr 2021 vorgesehen. Dort werden nun erweiterte Zugangsmöglichkeiten zur Eigenverwaltung und dem Schutzschirm geregelt, sofern ein Kausalzusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Insolvenzreife besteht. So kann etwa ein Schutzschirm normalerweise nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit aufgespannt werden. Bis zum 31.12.2021 kann er aber auch für zahlungsunfähige Unternehmen genutzt werden.
 

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Autor dieses Artikels

Dr. Adrian Bölingen

Partner

Rechtsanwalt

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