Ist Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD unzulässige Arbeitnehmerüberlassung?

  • 25.06.2021
  • Lesezeit 4 Minuten

Verlagert ein Arbeitgeber, für den die Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) gelten, Aufgaben auf einen Dritten, kann er nach § 4 Abs. 3 TVöD von seinen bisher mit diesen Aufgaben betrauten Beschäftigten verlangen, dass sie ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nunmehr bei diesem Dritten erbringen. Diese vom Tarifvertrag als Personalgestellung bezeichnete Maßnahme ermöglicht es dem Arbeitgeber also, seine Arbeitnehmer dauerhaft einem Dritten zu überlassen.

Die Personalgestellung ist vor allem in Krankenhäusern und ihren Servicegesellschaften sowie bei kommunalen Unternehmen weitverbreitet. Bisher galten für sie die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG nicht. Entsprechend konnten Arbeitnehmer auf Verlangen ihres Arbeitgebers ihre Arbeitsleistung dauerhaft bei einem Drittunternehmen erbringen, ohne dass dafür eine Überlassungserlaubnis erforderlich war oder die sonst bei Arbeitnehmerüberlassung vorgesehene zeitliche Beschränkung auf 18 Monate galt. Das könnte sich jetzt ändern: Das BAG hat mit Beschluss vom 16. Juni 2021 (6 AZR 390/20 (A)) in einem dort anhängigen Verfahren den Gerichtshof der Europäischen Union um Beantwortung der Frage gebeten, ob die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD unter den Schutzzweck der Europäischen Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG) fällt und ob, wenn dies zu bejahen ist, die Leiharbeitsrichtlinie eine Bereichsausnahme, wie in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelt, zulässt.

In dem beim BAG anhängigen Verfahren ist der Kläger bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt und deren alleinige Gesellschafterin eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung. 
Die Beklagte hatte 2018 eine Service GmbH gegründet und in der Folgezeit verschiedene Aufgabenbereiche auf diese ausgegliedert, darunter auch den Arbeitsplatz des Klägers. Diese Ausgliederung führte zu einem Betriebsteilübergang. Der Kläger widersprach nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Servicegesellschaft, sodass es unverändert mit der Beklagten bestehen blieb. Auf Verlangen der Beklagten erbringt der Kläger allerdings seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD seit Jahren dauerhaft bei der Service GmbH, der das fachliche und organisatorische Weisungsrecht gegenüber dem Kläger obliegt.

Der Kläger macht mit seiner Klage geltend, dass sein Einsatz bei der Service GmbH gegen Unionsrecht verstoße und rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung sei, die Beklagte hält dagegen die Personalgestellung aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG für zulässig.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, das BAG hat die Frage, ob die Personalgestellung unter die Leiharbeitsrichtlinie fällt und die Bereichsausnahme zulässig ist, dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt.

Die Antworten des EuGHs können weitreichende Folgen vor allem für kommunale Unternehmen haben. Sollte die Personalgestellung in den Schutzbereich der Leiharbeitsrichtlinie fallen und die Bereichsausnahme gegen die Richtlinie verstoßen, wäre sie eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung. In dem Fall wäre eine Überlassungsgenehmigung erforderlich und die Überlassung zudem auf 18 Monate begrenzt. Für viele kommunale Arbeitgeber, insbesondere auch für Krankenhäuser wäre eine Personalgestellung in der bisherigen Form nicht mehr möglich. Es dürfte in vielen Häusern zu ganz erheblichen arbeitsrechtlichen Problemen kommen.

Mein Praxistipp

Alle Arbeitgeber, die bislang Mitarbeiter im Wege der Personalgestellung an andere Unternehmen, insbesondere Servicegesellschaften überlassen haben, sollten dringend auf die weitere Entwicklung achten und sich bereits jetzt Gedanken über ihre personelle Struktur und Organisation ebenso wie die ihrer Servicegesellschaften machen. Hält der EuGH die Bereichsausnahme für europarechtswidrig, ist schnelles Handeln erforderlich, da unzulässige Arbeitnehmerüberlassung erhebliche rechtliche wie finanzielle Folgen haben kann.

Über die Entscheidung des EuGHs werden wir Sie informieren.

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Autor dieses Artikels

Gabriele Heise

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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