(Doch) Keine anteilige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit?

  • 22.07.2021
  • Lesezeit 5 Minuten

Seit der Corona-Pandemie arbeiten zahlreiche Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Arbeitgebern stellt sich immer wieder – spätestens jetzt in der Urlaubszeit – die Frage, inwiefern sich dies auf die Urlaubsansprüche ihrer in Kurzarbeit geschickten Arbeitnehmer auswirkt. Sind sie berechtigt die Urlaubsansprüche aufgrund der angeordneten Kurzarbeit anteilig zu kürzen?

Das Arbeitsgericht (ArbG) Osnabrück hat für mehrere gleich gelagerte Fälle (Az. 3 Ca 108/21 u. a.) entschieden, dass Urlaubsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer nicht anteilig gekürzt werden dürfen, sofern nicht Kurzarbeit „Null“ vorliegt.

Der Arbeitgeber ordnete in seinem Betrieb aufgrund der Corona-Pandemie tageweise Kurzarbeit an. Die Kurzarbeit durfte aufgrund einer Betriebsvereinbarung mit einer Ankündigungsfrist von nur zwei Werktagen beendet oder reduziert werden. Eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf „Null“ erfolgte jedoch nicht.

Nach Rückkehr der Arbeitnehmer ins Vollzeitarbeitsverhältnis kürzte der Arbeitgeber die Urlaubstage anteilig im Verhältnis zu den Jahresarbeitstagen. Er verwies auf Entscheidungen des EuGH zu Teilzeitbeschäftigten, eine Entscheidung des BAG zu Sabbaticals sowie auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf zur Kurzarbeit „Null“, von welcher wir im März berichteten. Des Weiteren war er der Ansicht, dass sein Betrieb nach der Kurzarbeit-Phase blockiert würde, wenn Arbeitnehmer nun ihren vollen Jahresurlaub in Anspruch nehmen könnten.

Der Arbeitnehmer argumentierte, er sei nicht vergleichbar mit Beschäftigten in Teilzeit oder im Sabbatical und bestand auf die ungekürzten Urlaubsansprüche. Für ihn sei die kurzzeitig angeordnete und wieder abänderbare Kurzarbeit keine vorhersehbare und frei zur Verfügung stehende Freizeit, die er nach Belieben nutzen könnte.

Das ArbG Osnabrück hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und den Arbeitgeber verpflichtet, den gekürzten Urlaubsanteil dem Urlaubskonto des Arbeitnehmers wieder gutzuschreiben.

Das ArbG ist der Auffassung, dass eine anteilige Kürzung rechtswidrig sei. Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) werde für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses unabhängig von der Erbringung einer konkreten Arbeitsleistung gewährt. Da kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kurzarbeit vorliege, sei eine anteilige Urlaubskürzung nicht berechtigt. Es bestehe keine vergleichbare Gesetzeslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wie beispielsweise beim Sabbatical, da sich die Arbeitszeit gerade nicht auf „Null“ reduziere.

Eine Vergleichbarkeit sieht das ArbG eher hinsichtlich Ruhenstatbeständen wie bei Elternzeit nach dem BEEG, für die eine anteilige Urlaubskürzung gesetzlich vorgesehen ist. Dies hätte der Gesetzgeber für den Fall der Kurzarbeit ebenfalls regeln können, hat dies aber nicht getan. Vielmehr habe er in § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG geregelt, dass die Kurzarbeit nicht zur Kürzung des Urlaubsentgelts führe. Er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass Kurzarbeit nicht zur Verdienstschmälerung betreffend Urlaubsentgelt führen soll.

Das ArbG verneint die anteilige Kürzung aufgrund tageweiser Kurzarbeit – im Gegensatz zur Kurzarbeit „Null“ – bei kurzfristiger Einführung sowie wegen der vorliegenden Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung oder Reduzierung der durchgeführten Kurzarbeit mit einer Ankündigungsfrist von zwei Werktagen. Arbeitnehmer haben dadurch nicht ihren Erholungsurlaub bereits anteilig realisieren können. Eine kurzfristige Ankündigung von Kurzarbeit ist zwar zulässig, führt aber nicht zu einer einem Erholungsurlaub ähnlichen Situation. 

Die Argumentation des Arbeitgebers, dass Arbeitnehmer nach Ende der Kurzarbeit ihren gesamten Jahresurlaub nehmen und dadurch den Betrieb blockieren könnten, hält das Arbeitsgericht für irrelevant. Die Beanspruchung des Urlaubs stehe dem Arbeitnehmer gesetzlich zu und die behauptete Betriebsblockade sei reine Spekulation.

Mein Praxistipp

Bislang liegt lediglich die Pressemitteilung zu der Entscheidung des ArbG Osnabrück vor. Daraus ergibt sich aber bereits, dass die Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) wegen der Bedeutung der Rechtssache zugelassen wurde. Es bleibt also abzuwarten, ob sich das LAG der Rechtsauffassung des ArbG Osnabrück anschließt oder die Kürzung des Urlaubsanspruchs zulässt.

Das LAG Düsseldorf sah in der oben bereits zitierten Entscheidung die anteilige Urlaubskürzung im Falle der Kurzarbeit „Null“ als rechtmäßig an. Dies steht zunächst nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des ArbG Osnabrück, da keine Kurzarbeit „Null“ vorliegt und diese darauf abstellt, ob sich durch die tageweise Gewährung von Kurzarbeit der Erholungsurlaub „bereits anteilig quasi realisiert“ hat.

Allerdings sind nach der Rechtsprechung des EuGH Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen. Durch die tageweise Anordnung von Kurzarbeit reduzieren sich – wie in der vorliegenden Entscheidung des ArbG Osnabrück – die Tage mit Arbeitsleistungspflicht und damit die benötigte Erholungszeit.  Nach diesem Maßstab wäre eine Kürzung des Urlaubs möglich.

Die Frage der Urlaubskürzung bei Kurzarbeit ist besonders praxisrelevant. Es wird deutlich, dass die Rechtslage gesetzlich oder höchstrichterlich klärungsbedürftig ist. Hier bleiben die weiteren Entscheidungen zu dieser Frage abzuwarten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Haben Sie Fragen zum Thema oder zu anderen arbeitsvertraglichen Sachverhalten? Sprechen Sie uns an!

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