BGH: In einem Konzessionsauswahlverfahren unterlegene Strom- und Gasnetzbetreiber haben Auskunftsanspruch zu bewertungsrelevanten Erwägungen der Kommunen

  • 15.12.2021
  • Lesezeit 3 Minuten

Eine Kommune war schon vor Inkrafttreten von § 47 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) n.F. verpflichtet, bei der Strom- und Gaskonzession den unterlegenen Bietern Auskunft über die Gründe der anderweitigen Vergabe zu erteilen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in seiner Entscheidung vom 07. September 2021, Az.: EnZR 29/20, einige neue Aussagen bei einer solchen Auskunft getroffen, welche sich auf die neue Gesetzlage übertragen lassen.

Mit dem Urteil des BGH ist es für Kommunen verpflichtend, die bewertungsrelevanten Erwägungen in einem für die Auswahlentscheidung erstellten Auswertungsvermerk vollständig mitzuteilen. Dabei können sie lediglich Schwärzungen vornehmen, wenn sie deren Notwendigkeit zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen jeweils für die konkrete Angabe substantiiert darlegen können und dazu ausführen, welche schützenswerten Interessen des betreffenden Bieters die Beschränkung der Auskunft erfordern. Der Grundsatz des Geheimwettbewerbs werde laut BGH durch das Transparenzgebot begrenzt und trete regelmäßig hinter diesem zurück, sofern der erfolgreiche Bieter ein Beteiligungsunternehmen der vergebenden Kommune ist. Insoweit müsse es grundsätzlich hingenommen werden, dass die Auskunft es gegebenenfalls ermöglichen oder erleichtern könnte, das eigene Angebot in einem anderweitigen Konzessionsverfahren an das Erstangebot eines Mitbewerbers anzupassen.
Am Ende seiner Entscheidung erteilt der BGH allgemeine Hinweise für das wiedereröffnete Berufungsverfahren, welche auch darüber hinaus für die neue Rechtslage beachtenswert sind.


Was gilt für die Informationspflicht, wenn Geschäftsgeheimnisse zu schützen sind?

Kann die Kommune zum Schutz eines Geschäftsgeheimnisses nach den erläuterten Maßstäben bestimmte Einzelheiten der bewertungsrelevanten Erwägungen des Auswertungsvermerks nicht oder nicht in vollem Umfang mitteilen, sei zunächst zu prüfen, ob diese in einer Form wiedergegeben werden kann, die dem Informationsinteresse bestmöglich Rechnung trägt. Ist auch dies nicht möglich, wird dem Informationsinteresse des unterlegenen Bieters der Vorrang eingeräumt. Damit soll sichergestellt werden, dass es keinen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Kommune gibt, indem der unterlegene Bieter hinreichenden Einblick in die vergleichende Bewertung der Gebote erhält und eine rechtsfehlerhafte Bevorzugung eines Mitbewerbers ausschließen kann. Erweitert sich das Interesse des unterlegenen Bieters von der Einsicht in die bewertungsrelevanten Erwägungen des Auswertungsvermerks auf das Angebot des Wettbewerbers, so müsse substantiiert die Notwendigkeit und Relevanz dieser Auskunft in Zusammenhang zum Auswahlergebnis dargelegt werden.

Schließlich ist anzumerken, dass keine allgemeingültigen Vorgaben an den Inhalt und Umfang eines Auswertungsvermerks gestellt werden und in der Entscheidung der Inhalt des verfahrensgegenständlichen Vermerks nicht näher beleuchtet wird, was die Übertragbarkeit der Entscheidung auf andere Verfahren erschwert. Jedenfalls gibt der Bundesgerichtshof den Rechtsanwendern nunmehr gewisse Richtlinien an die Hand, die im Rahmen der von den Kommunen zutreffende Entscheidung über den Umfang der Auskunftserteilung auch im Rahmen der derzeitigen Rechtslage zu beachten sind.


Praxistipp: Was können Kommunen tun, um den Prozess zu erleichtern?

Die Identifizierung und die Einordnung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und die Darstellung der bewertungsrelevanten Erwägungen im Rahmen eines Auswertungsvermerks können sich für die Kommunen oftmals schwierig gestalten. Im Vorfeld bietet es sich an, Schwärzungsvorschläge nebst Begründungen von den Bewerbern selbst einzufordern, wenngleich es den Kommunen nicht erspart bleibt, diese rechtlich zu überprüfen und einer entsprechenden eigenen Abwägungsentscheidung zuzuführen. 
 

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Autor dieses Artikels

Nicolas Plinke

Senior Manager

Rechtsanwalt

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