Arbeitnehmerüberlassung in der Corona-Krise unbürokratisch möglich?

  • 08.03.2021
  • Lesezeit 3 Minuten

Nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist eine Überlassung von Arbeitnehmern grundsätzlich nur mit einer Verleiherlaubnis zulässig (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG). Von dem Grundsatz gibt es aber Ausnahmen, die in Abs. 3 der Vorschrift genannt sind. Unter anderem ist gemäß § 1 Abs. 3 Ziffer 2a AÜG die gelegentliche Überlassung von Arbeitnehmern, die nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt werden, möglich.

Kann dies Unternehmen während des Lockdowns in der Corona-Krise helfen?

Die Corona-Krise führt dazu, dass in bestimmten Bereichen ein erhöhter Bedarf an Arbeitskräften vorliegt (z. B. im Lebensmittelhandel oder bei Logistik-Unternehmen). In anderen Bereichen hingegen, z. B. in der Gastronomie, können die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht beschäftigen. Ist in dieser Situation eine unbürokratische Überlassung von Arbeitnehmern im Rahmen des AÜG an ein anderes Unternehmen möglich? Können im Rahmen des AÜG risikolos unterbeschäftigte Arbeitnehmer mit Unternehmen zusammengeführt werden, die dringend Personal suchen?

Die Vorschriften des AÜG legen einen strengen rechtlichen Rahmen für die Leiharbeit fest. Dies gilt auch für die Ausnahmen, also die Privilegierungstatbestände in § 1 Abs. 3 AÜG. Eine „gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung“ liegt nach der Fachliteratur nur dann vor, wenn

  • die Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt werden,
  • die Mitarbeiter mit der Überlassung einverstanden sind,
  • die Überlassung unvorhersehbar ist und kurzfristig eingetreten ist (Im Voraus geplante Überlassungen sind von der Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestandes nicht erfasst. Genaue Richtwerte, wie hoch die Anzahl der Überlassungsfälle sein darf, gibt es nicht. Entsprechende Rechtsprechung dazu fehlt).
  • Die Dauer der Überlassung sollte 3 Monate nicht überschreiten.

Liegen die Voraussetzungen vor, dann ist zum einen keine Erlaubnis für die Zurverfügungstellung von Mitarbeitern nötig. Außerdem ist der Gleichstellungsgrundsatz gemäß § 8 AÜG (Equal Pay) nicht anwendbar.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat schon in seiner Verlautbarung vom 23.03.2020 mitgeteilt, dass in der Corona-Krise ein Bedürfnis besteht, Arbeitnehmer kurzfristig und unbürokratisch anderen Unternehmen zur Arbeitsleistung zu überlassen. Dies ist nach Ansicht des Bundesministeriums auch im Rahmen der bestehenden Vorschriften des AÜG möglich. Eine Rechtsänderung für die Krise ist dafür nicht erforderlich. Das BMAS geht davon aus, dass eine Überlassung auch ohne die erforderliche Erlaubnis möglich ist, wenn ein kurzfristiger und unvorhersehbarer Anlass für die Überlassung vorliegt und die Überlassung zeitlich begrenzt auf die aktuelle Krisensituation und nicht dauerhaft sein soll. Wie bereits dargelegt, sollte die Überlassung aber auch im Rahmen dieser Ausnahmevorschrift nicht länger als 3 Monate erfolgen. Die Rechtsansicht des Ministeriums, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar ist, ist so aber nicht haltbar. Aus dem AÜG ergibt sich ausdrücklich, dass die Vorschriften des AÜG grundsätzlich keine Anwendung finden, somit auch nicht der Equal-Pay-Grundsatz.

Mein Praxistipp

„Befreundete“ Unternehmen können im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Ziffer 2a AÜG eine Arbeitnehmerüberlassung vornehmen, wenn diese kurzfristig und unvorhersehbar wegen der Corona-Krise ist und nicht länger als 3 Monate dauert. Allerdings darf die Arbeitnehmerüberlassung auf keinen Fall im Baugewerbe stattfinden. Aufgrund der sehr strengen Vorschriften des AÜG sollte bei diesen sogenannten „Personalpartnerschaften“ aber auf jeden Fall anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, um die privilegierte Arbeitnehmerüberlassung von einer erlaubnispflichtigen abzugrenzen. Dies gilt auch im Lockdown. Eine illegale Arbeitnehmerüberlassung ist auf jeden Fall zu vermeiden, da hohe Bußgelder, die Fiktion von Arbeitsverhältnissen mit dem Entleiher und schlimmstenfalls sogar die Verwirklichung von Straftatbeständen im Raum stehen.

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Autor dieses Artikels

Christine Ostwald

Director

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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