Fachkräftemangel: Gesetz soll Erleichterung bei der Einwanderung schaffen

  • 09.01.2024
  • Lesezeit 5 Minuten

In vielen Branchen herrscht weiterhin Fachkräftemangel. Die Bundesregierung will diesem mit einem weiterentwickelten Fachkräfteeinwanderungsgesetz entgegenwirken. Hierdurch sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden, um die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zu erleichtern.

Die Einwanderung soll fortan auf ein Drei-Säulen-Modell gestützt werden: Fachkräftesäule, Erfahrungssäule und Potenzialsäule. Die wichtigste Säule soll die Fachkräftesäule bleiben. Die Änderungen treten schrittweise in Kraft.

Seit November 2023: Insbesondere Änderungen bei der Blauen Karte EU

Der attraktivste Aufenthaltstitel für zuwandernde Fachkräfte ist die Blaue Karte EU, da diese Jobwechsel, Familiennachzug und dauerhaften Aufenthalt erleichtert.

  • Im November 2023 wurden die Mindestgehaltsgrenzen für die Beantragung der Blauen Karte EU abgesenkt. Für Regelberufe beträgt diese seitdem 50 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung, für Mangel- und Engpassberufe 45,3 Prozent. Seit dem 1. Januar 2024 entspricht dies einem Jahresgehalt von
    • 45.300 Euro in Regelberufen und
    • 41.041,80 Euro in Mangel- und Engpassberufen.
  • Der Personenkreis, der eine Blaue Karte EU beantragen kann, wurde ausgeweitet: Die Liste der Engpassberufe wurde deutlich erweitert und umfasst nun beispielsweise auch weitere Berufe im Gesundheits- und Erziehungsbereich. IT-Spezialisten ohne Hochschulabschluss aber mit mindestens dreijähriger gleichwertiger Berufserfahrung können nun auch eine Blaue Karte EU beantragen. Außerdem erhalten Berufseinsteiger mit Hochschulabschluss aus den letzten drei Jahren vor Beantragung Zugang zur Blauen Karte EU, wenn sie ein Mindestgehalt von jährlich derzeit 41.041,80 Euro unabhängig von ihrem Beruf erhalten.
  • Neu ist auch, dass Inhaber einer Blauen Karte EU bis zu 90 Tage, ohne ein weiteres nationales Visum/eine Aufenthaltserlaubnis, Reisen in andere EU-Staaten unternehmen dürfen, die in direktem Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung stehen. Außerdem wurde für Inhaber dieser Aufenthaltserlaubnis der Arbeitgeberwechsel erleichtert.
  • Fachkräfte mit anerkannter qualifizierter Berufsausbildung oder akademischem Hochschulabschluss erhalten einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und können nun jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Der Ausbildungs- oder Hochschulabschluss muss nun nicht mehr zur geplanten Beschäftigung passen.
  • Auch für ausländische Berufskraftfahrer wurden deutliche Erleichterungen eingeführt.

Ab März 2024: Erfahrungssäule wird gestärkt

  • Das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsausbildungen sowie bei Qualifizierungsmaßnahmen wird erleichtert. Neu eingeführt wird ein Aufenthaltstitel für Fachkräfte in nicht reglementierten Berufen mit mindestens zweijähriger berufspraktischer Erfahrung sowie mindestens einem im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss mit mindestens zweijähriger Ausbildungsdauer. Eine Gehaltsschwelle von mindestens 45 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung ist allerdings einzuhalten und der Arbeitgeber muss tarifgebunden sein.
  • Für IT-Spezialisten wird die geforderte Berufserfahrung auf zwei Jahre reduziert. Sprachkenntnisse sind nicht erforderlich.
  • Mit der Einführung einer Anerkennungspartnerschaft wird ermöglicht, einen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung zu erhalten und ein erforderliches Anerkennungsverfahren erst nach der Einreise begleitend durchzuführen. Die Fachkraft kann dann, vorbehaltlich berufsrechtlicher Beschränkungen, vom ersten Tag an eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen, obwohl der ausländische Berufsabschluss noch nicht anerkannt ist. Die Anerkennung ist direkt nach der Einreise zu beantragen. Voraussetzung sind, neben Arbeitsvertrag und Vorliegen einer Berufsqualifikation mit mindestens zweijähriger Ausbildung, Sprachkenntnisse auf Niveau A2 (GER). Besondere Gehaltsschwellen sind nicht einzuhalten.
  • Praxisrelevant ist sicher auch die Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländische Studierende: Die zulässige Jahresarbeitszeit wird von bisher 120 ganzen bzw. 240 halben Tagen wird auf 140 volle oder 280 halbe Arbeitstage angehoben. Die Neuregelung ermöglicht es auch, Werkstudententätigkeiten bis zu 20 Stunden in der Woche auszuüben. Die Höhe des Gehalts und der Gegenstand der Beschäftigung sind unerheblich. Die Nebenbeschäftigung ist künftig auch beim Besuch von studienvorbereitenden Maßnahmen von Beginn an möglich. Auch mit einem Aufenthaltstitel zur Studienplatzsuche wird eine Nebenbeschäftigung im Umfang von bis zu 20 Stunden pro Woche ermöglicht.
  • In Branchen mit großem Bedarf können künftig tarifgebundene Arbeitgeber unabhängig von einer Qualifikation einen Aufenthaltstitel für eine bis zu achtmonatige sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im Umfang von mindestens 30 Wochenstunden beantragen. Dazu müssen sie sich verpflichten, die Reisekosten vollständig zu übernehmen.

Ab Juni 2024: Einführung Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche

  • Die Westbalkanregelung, die Staatsangehörigen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien jede Art von Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen ermöglicht, wurde im Jahr 2023 entfristet. Das Kontingent wird nun auf 50.000 Zustimmungen der Bundesagentur für Arbeit pro Jahr verdoppelt.
  • Zum Sommer wird dann die Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche im Rahmen der Potenzialsäule eingeführt. Diese wird es sowohl für Fachkräfte mit vollständig anerkannter Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation ohne weitere Voraussetzungen als auch für Personen mit Abschluss, der noch nicht anerkannt ist, die aber Deutsch- oder Englischkenntnisse vorweisen können, geben. Für Kriterien wie Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug sowie das Potenzial der mitziehenden Lebens- oder Ehepartner können unterschiedliche Punkte gesammelt werden. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen mindestens sechs Punkte erreicht werden. Die Chancenkarte wird für maximal ein Jahr erteilt, wenn der Lebensunterhalt für diese Zeit gesichert werden kann. Mit dieser Karte besteht die Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche.

Fazit

Mit den Neuregelungen werden neue Möglichkeiten der Beschäftigung ausländischer Fachkräfte geschaffen und deren Beschäftigung in Deutschland erleichtert. Das bisher schon recht unübersichtliche Einwanderungsrecht erhält zusätzliche Facetten. Auch künftig müssen die Anforderungen und Möglichkeiten in jedem Einzelfall genau geprüft und im Rahmen der Beschäftigung beachtet werden. Auch wenn die Neuregelungen auf Bürokratieabbau zielen, ist weiterhin auf ausreichende Vorlaufzeiten für die Beantragung der Aufenthaltstitel und eine gründliche Vorbereitung der Anträge zu achten.

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Autor dieses Artikels

Stephanie Breitenbach

Senior Manager

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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