Die Corona-Krise hat teils erheblichen Einfluss auf Unternehmen. Beispielhaft sind massive Auswirkungen auf Liquiditäts- und Ertragslage zu erwarten, wenn Lieferanten und/oder Kunden – vor allem bedingt durch regulatorische Vorgaben wie einem angeordneten Versammlungsverbot oder Schließungen in einigen Industrien (Gastro-/Hotelindustrie, Sport- und Konzertveranstaltungen etc.) – ausfallen.
Bei einigen Unternehmensgruppen hat dies zur Folge, dass sich auch gruppeninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen und die hierfür angesetzten Verrechnungspreise deutlich verändern müssen. Neben einer mitunter kurz- oder mittelfristig erforderlichen Anpassung der Verrechnungspreise kann im Extremfall eine permanente Umstellung der Wertschöpfungskette erforderlich werden, um den geänderten Rahmenbedingungen, beispielsweise einer veränderten Vertriebs- oder Einkaufsstruktur, gerecht zu werden.
In diesem Zusammenhang sind erwartungsgemäß die nachfolgend aufgeführten Aspekte relevant.
1. Auswirkungen auf Verrechnungspreise für Waren und Dienstleistungen
Unternehmensgruppen wenden bei der Verrechnungspreisbildung für gruppeninterne Lieferungen von Waren und auch für die Verrechnung von Dienstleistungen regelmäßig die in § 1 AStG aufgeführten sogenannten Standardverrechnungspreismethoden an, also die Preisvergleichsmethode, die Kostenaufschlagsmethode oder die Wiederverkaufspreismethode.
Dabei korreliert die gruppeninterne Verrechnungspreisbildung und deren Angemessenheit regelmäßig mit den Verkaufspreisen an fremde Dritte oder auf der Eingangsseite mit den Einstandspreisen, die fremde Dritte für deren Zulieferungen verlangen. Kommt es nun in Folge der Corona-Krise dazu, dass sich die Verkaufspreise und/oder Absatzmengen erheblich verändern, weil kaum oder ggf. sogar keine externe Nachfrage mehr gegeben ist, wirkt sich das massiv auf das daraus resultierende Ergebnis aus. Gleicher Effekt ist gegeben, wenn sich auf externer Lieferantenseite deutlich veränderte Liefermengen und/oder Preise einstellen oder im Extremfall sogar ein kompletter Wegfall von Lieferketten eintritt.
Um eben auch unter veränderten Rahmenbedingungen eine mit dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einklang stehende Verrechnungspreisbildung zu erreichen, ist es dringend zu empfehlen, die Entwicklungen auf der Absatzseite und der Eingangsseite zu beobachten und die gruppeninterne Verrechnungspreisbildung daran anzupassen.
Dabei ist zu überlegen, wer in der Wertschöpfungskette die extern stark veränderten Bedingungen zu tragen hat und welche Konsequenzen sich daraus auf die internen Preise für Warenlieferungen und Dienstleistungen ergeben müssen. Üblicherweise sollte die Verrechnungspreisbildung zu dem Resultat führen, dass die an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen einen mit ihrem Wertbeitrag, d. h. der einhergehenden Funktions- und Risikoausübung unter Beachtung der immateriellen Werte, adäquat reflektierende Vergütung erzielen können. Dies gilt auch für die Vergütung von Routineaktivitäten, was wir wegen der enormen Bedeutung im nachfolgenden Abschnitt gesondert darstellen.
Um auch für spätere Betriebsprüfungen gut vorbereitet zu sein, ist dringend anzuraten, die Gründe für etwaige Anpassungen der Verrechnungspreise für Waren und auch Dienstleistungen in einer Verrechnungspreisdokumentation festzuhalten, sodass etwaige Zweifel an einem fremdunüblichen Verhalten widerlegt werden können. Dabei ist sicherzustellen, dass die Preisänderungen entsprechend dokumentiert und bestenfalls anhand geeigneter Vergleichsdaten begründet werden.
2. Auswirkungen auf die Vergütung von Routineaktivitäten
Routineunternehmen erzielen bei üblichem Geschäftsablauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren Tz.3.4.10.2). Diesem Grundgedanken folgend werden Gesellschaften mit Routinetätigkeiten, beispielsweise in den Bereichen Vertrieb, Dienstleistungen oder Auftragsfertigungsaktivitäten regelmäßig so vergütet, dass diese Nettorenditen erwirtschaften, die in die Bandbreite üblicher Unternehmensrenditen in dieser Branche bzw. Tätigkeit fallen.
Relevanz hat die Vergütung der Routineaktivitäten sowohl in Bezug auf die Begründung der Angemessenheit in den Verrechnungspreisdokumentationen bzw. im Rahmen der Betriebsprüfungen als auch in Bezug auf die laufende Aussteuerung von Vertriebsvergütungen im Falle der Anwendung der Zielmargenaussteuerung (Target-Margin-Ansatz).
Dauerhafte, aber auch zum Teil schon kurzfristige Verluste, führen erfahrungsgemäß bei Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltung überwiegend zu einer ganzen oder zumindest partiellen Nichtakzeptanz. Dieser Grundsatz kann in Zeiten extrem veränderter Rahmenbedingungen, z. B. einem nahezu kompletten Markteinbruch in einigen Industriezweigen, unseres Erachtens hinterfragt werden.
Im Grundsatz gilt, dass Verluste auf Ebene von Routinegesellschaften bzw. Routineaktivitäten nicht in Gänze ausgeschlossen werden können. Bei unüblichem Geschäftsverlauf kann es auch bei einer Routinegesellschaft zu Verlusten kommen. Die Auswirkungen der Corona-Krise auf Kaufverhalten in Folge regulatorischer Einschränkungen kann unseres Erachtens jedenfalls rechtfertigen, dass Routinegesellschaften auch vorübergehend an insgesamt auftretenden Ertragseinbrüchen bis hin zu massiven Verlusten partizipieren müssten.
Beispielsweise kann es auch im Rahmen eines Kostenaufschlagmodells temporär als fremdüblich erachtet werden, auf einen Kostenaufschlag zu verzichten oder einen Verlust zu erwirtschaften. Als Gründe seien die Deckung der laufenden Kosten bzw. die Abwendung noch höherer Verluste genannt, um auch zukunftsgerichtet eine Wiederaufnahme der Aktivitäten des Routineunternehmens zu ermöglichen, statt diese in der Krise zwingend profitabel zu halten und dadurch als Unternehmensgruppe ggf. insolvent zu werden.
Die Vergütungsmethodik von Gesellschaften, welche über eine Zielmarge ausgesteuert sind (Target-Margin-Approach), die in der Regel unter Anwendung der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode ermittelt wird und auf historischen Daten basiert, sollte vor dem Hintergrund der aktuellen Lage neu bewertet werden. Situationsbedingt ist z. B. eine Erweiterung der im Rahmen einer Benchmark-Studie ermittelten Bandbreiten von einer interquartilen Bandbreite zur Gesamtbandbreite möglich oder eine Erweiterung der Datenbasis auf Verlustunternehmen denkbar.
Eine Neuanalyse der aktuellen Verrechnungspreismodelle und entsprechende Adaption an die aktuelle Lage kann erforderlich sein. Dabei sollten vorgenommene Maßnahmen detailliert dokumentiert werden und insbesondere die Verlustursachen analysiert werden.
3. Funktionsverlagerungen
Die Corona-Krise wird in einigen Branchen und bei einer Vielzahl von Unternehmen eine Anpassung des Geschäftsmodells und damit einhergehender Wertschöpfungsprozesse erfordern. Angepasste Wertschöpfungsprozesse können, neben den oben bereits ausgeführten Auswirkungen auf laufende Verrechnungspreise, zu entschädigungspflichtigen Funktionsverlagerungen führen und eine damit einhergehende Besteuerung des Transferpakets (Exit-Taxation) auslösen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn Produktionsaktivitäten von ausländischen Tochtergesellschaften bedingt durch die Corona-Krise entfallen und diese zukünftig von einer anderen Gesellschaft des Konzerns übernommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass gemäß der Funktionsverlagerungsverordnung der Tatbestand der Funktionsverlagerung auch dann erfüllt sein kann, wenn die Gesellschaft die Funktion nur zeitweise übernimmt, um beispielsweise geografische Risiken zu minimieren.
Ausgangspunkt der Bewertung eines Transferpakets, die regelmäßig nach der Discounted Cash-Flow Methode durchgeführt wird, ist der erwartete zukünftige finanzielle Nutzen, der aus der Funktion gezogen bzw. nicht mehr gezogen wird. Die in diesem Zusammenhang erstellten Gewinnprognosen basieren in der Regel auf der Annahme einer stabilen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In Krisenzeiten wie diesen weisen die Funktionen jedoch deutlich niedrigere Gewinnerwartungen bzw. tatsächliche Gewinne auf als typischerweise angenommen.
Dies bringt einerseits – im Zusammenhang mit Funktionen, die in der aktuellen Krise verlagert werden – die Herausforderung mit sich Gewinnerwartungen angemessen zu bewerten. Andererseits kann dies – im Zusammenhang mit bereits vor der Krise verlagerten Funktionen – zu erheblichen Abweichungen der tatsächlichen Gewinne von den der ursprünglichen Bewertung zugrundeliegenden, erwarteten Gewinne führen. In dieser Hinsicht ist es ratsam zu prüfen, inwieweit die tatsächliche Gewinnentwicklung durch die Corona-Krise beeinflusst wurde und ob dieser Umstand gegebenenfalls im Rahmen einer Preisanpassung berücksichtigt werden sollte.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Funktionsverlagerungen als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle gelten, und demnach zeitnah zu dokumentieren sind, d. h. innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich die Funktionsverlagerung ereignet hat. Selbst wenn die Tatbestandsmerkmale von Funktionsverlagerungen nicht erfüllt sind, können sich Anpassungen der Wertschöpfungskette erheblich auf die Verrechnungspreisbildung auswirken, sodass diese als außergewöhnliche Geschäftsvorfälle zu erachten und damit auch zu dokumentieren sind.
4. Finanzierungsbeziehungen
Darüber hinaus ist zu erwarten, dass bedingt durch die Corona-Krise zunehmend konzerninterne Finanzierungsinstrumente, wie Darlehen, Cash-Pooling, Bürgschaften und Garantien zur Sicherung der Liquidität innerhalb des Konzerns und zur Überbrückung von Engpässen in dieser Krisenzeit eingesetzt werden.
Hinsichtlich konzerninterner Darlehen ist zu beachten, dass der veranschlagte Zinssatz weiterhin dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen muss. Da sich die Kreditwürdigkeit einzelner Konzerngesellschaften in Zeiten von Corona voraussichtlich drastisch verschlechtern wird, könnte dies zum einen zu einer Erhöhung der Refinanzierungskosten des kreditgebenden Unternehmens führen. Zum anderen müssten auch innerhalb des Konzerns höhere Risikoprämien erhoben werden. Es gilt daher zu prüfen, inwieweit die vereinbarten Darlehenskonditionen – insbesondere der Darlehenszinssatz – unter den derzeitigen Bedingungen als marktkonform angesehen werden können bzw. inwieweit Anpassungen notwendig sind.
Generell wird empfohlen, sämtliche konzerninternen Finanzierungsbeziehungen und die damit einhergehenden vertraglichen Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich der aktuellen betriebswirtschaftlichen Situation sowie im Zusammenhang mit den neuen OECD-Richtlinien für Finanztransaktionen (OECD Transfer Pricing Guidance on Financial Transactions) zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Inwiefern die Staaten Ausnahmen zur Gewährung von Sonderkrediten, gruppeninternem Schuldenerlass etc. im Rahmen der Corona-Krise gewährt, bleibt abzuwarten. Denkbar ist z. B. eine vorübergehende Ausweitung der Definition des Konzernrückhalts.
5. Begründung von Betriebsstätten und Ort der Geschäftsleitung
Die Corona-Krise führt dazu, dass Mitarbeiter und auch Geschäftsführer von Unternehmen ihre Arbeitsleistungen zumindest für eine gewisse Zeit nicht in gewohntem Umfang und/oder teils im „Homeoffice“ erbringen müssen. In manchen Branchen werden aktuelle Projekte ruhend gestellt.
Steuerlich kann durch die Veränderung von Arbeitsorten auf Unternehmensebene insbesondere die Begründung oder auch der Wegfall von Betriebsstätten eintreten. Beispielsweise ist im Baugewerbe aktuell eine vorübergehende Stilllegung von Baustellen zu verzeichnen. Dies kann sich auf die Berechnungszeit für die Begründung einer Betriebsstätte auswirken, denn für die Fristberechnung zur Begründung einer Betriebsstätte ist die Projektdauer und nicht die Anwesenheit von Mitarbeitern oder eine Tätigkeit maßgeblich. Somit wird nach aktuellem Rechtsstand, nach Überschreitung der Frist, eine Betriebsstätte auch dann begründet, wenn die Arbeiten ruhen.
Auch der Ort der Geschäftsleitung kann betroffen sein, wenn beispielsweise der Geschäftsführer mit persönlichem Wohnort im Ausland die Geschäfte, bedingt durch die Corona-Krise, vorwiegend aus dem „Homeoffice“ führt und dadurch dort die wesentlichen Entscheidungen trifft, was den Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit zumindest vorübergehend verändern kann.
Anzuraten ist, diese Sachverhalte in Ihrem Unternehmen zu überprüfen, um etwaigen steuerlichen Compliance Vorschriften folgen zu können bzw. einhergehende Risiken möglichst vermeiden zu können.
6. DAC 6
Jenseits der Corona-Krise ist das Thema DAC 6 und die einhergehenden Mitteilungspflichten grenzüberschreitender Steuergestaltungen weiterhin von hoher Brisanz. Hinsichtlich der Anwendung des am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Gesetzes wird derzeit ein Schreiben der Finanzbehörden erarbeitet.
Gemäß gesetzlicher Vorgabe sind Mitteilungen grundsätzlich ab dem 1. Juli 2020 zu übermitteln. In seinem letzten Entwurf des Schreibens verweist das BMF jedoch auf folgende Übergangsregeln:
- Für Gestaltungen, deren erster Schritt nach dem 24. Juni 2018 und vor dem 1. Juli 2020 umgesetzt wird, hat die Mitteilung innerhalb von zwei Monaten nach dem 30. Juni 2020 an das Bundeszentralamt für Steuern zu erfolgen. Da die Schnittstellenanbindung für die elektronische Meldung jedoch erst ab dem 1. August 2020 zur Verfügung steht, soll eine Übermittlung bis zum 30. September 2020 nicht beanstandet werden.
- Für Gestaltungen, deren maßgebendes Ereignis nach dem 30. Juni 2020 eingetreten ist, kann die Mitteilung ebenfalls frühestens ab dem 1. August 2020 erfolgen. Eine Mitteilung bis zum 30. September 2020 soll ebenfalls nicht beanstandet werden.
Ob sich diese Fristen in Anbetracht der aktuellen Situation verschieben, bleibt abzuwarten.
Nähere Informationen zu DAC 6 finden sich im Mitschnitt unseres DAC 6 Online-Seminars vom 5. März 2020. Dies umfasst auch eine Erläuterung unseres DAC 6 Prüfschema, das als gute Basis zur Beurteilung einer etwaigen Meldepflicht grenzüberschreitender Steuergestaltung dienen kann.
7. Fazit
Die Corona-Krise betrifft uns massiv. Das hat auch erheblichen Einfluss auf Unternehmensgruppen, deren Wertschöpfungsketten und auch auf Verrechnungspreise, die sich mitunter sehr stark verändern müssen, insbesondere um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Generell sollten betroffene Unternehmen potenzielle Auswirkungen von Anpassungen ihrer Wertschöpfungskette bedenken und frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um Steuer- und Compliance-Risiken zu minimieren und so die Krise bestmöglich zu bewältigen.