S/4HANA Einführung – Stetigkeit der Buchführung nicht vergessen

2027 ist ein wichtiges Jahr für alle SAP Kunden, da die Wartung der bisherigen ERP-Produkte SAP ECC und SAP R/3 endet. Ungeachtet der darüber hinausgehenden Extended-Maintenance (Wartungszusage) bis 2030 bedeutet dies für alle Kunden, die nicht migrieren, ab 2027 weniger Supportleistung bei höheren Kosten. Trotz der verlängerten Wartungszusage sollten SAP-Kunden frühzeitig die Umstellung angehen und die Sicherstellung der Stetigkeit der Buchführung und Einhaltung der GoBD Anforderungen im Rahmen einer projektbegleitenden Prüfung von vorneherein einplanen und budgetieren.

Worauf Sie bei der Umstellung unbedingt achten sollten

SAP S/4HANA wird üblicherweise als rechnungslegungsrelevantes System eingestuft. Unabhängig davon, für welchen Migrationspfad Sie sich entscheiden (Greenfield, Brownfield oder hybride Variante), sollten Sie daher die Stetigkeit der Buchführung sicherstellen, da dies sowohl im Rahmen einer Jahresabschlussprüfung als auch im Rahmen einer Betriebsprüfung relevant ist. Ziel ist, darzustellen und nachzuweisen, dass bei der Umstellung auf das neue System sachlich korrekt an das alte System angeknüpft wurde, auch wenn Customizing, Aufsetzen neuer Prozesse, Änderungen an Daten und Kontenrahmen ggf. einen anderen ersten Eindruck ermitteln. Es ist nachzuweisen, dass keine Manipulationen und Eingriffe vorgenommen wurden, die die Anforderungen an die Unveränderbarkeit der Daten verletzen.

Die Stetigkeit der Buchführung berücksichtigt dabei zwei gleichwertige Komponenten:

1.    Daten
Im Rahmen der Systemumstellung können verschiedene Arten von Daten übernommen werden: Stammdaten, Salden und Bewegungsdaten, für die jeweils spezifische Besonderheiten beachtet werden müssen:

Stammdaten werden im Rahmen der Übernahme oft bereinigt, so dass alte Daten / Karteileichen nicht übernommen werden. Hierbei ist es zwingend notwendig, die Logik zur Differenzierung alter und aktueller Stammdaten präzise zu dokumentieren. Zudem ist zu beachten, dass auch die nicht übernommenen Stammdaten der Aufbewahrungspflicht unterliegen. Auch die Bereinigung von Dubletten, insbesondere bei der Zusammenführung von Debitoren und Kreditoren zu Geschäftspartnern, fällt in die Kategorie der Stammdatenbereinigung. In diesem Zuge bekommen die Stammdaten oftmals neue Nummernkreise, so dass die Überleitung vollständig über sogenannte Mappingtabellen dokumentiert werden muss. Sofern der Kontenrahmen bei der Systemumstellung verändert wird, ist eine vollständige Überleitung ebenfalls über Mappingtabellen nachzuhalten.
Salden können in unterschiedlicher Granularität übernommen werden. Gängige Varianten sind Eröffnungssalden oder Monats- oder Quartalssalden. In jedem Fall ist bei der Saldenübernahme die mögliche Anpassung des Kontenrahmens zu berücksichtigen.

Es wird zwischen zwei Arten von Bewegungsdaten unterschieden: Offene Posten sind Bewegungsdaten, die bei jeder Umstellung des Finanzbuchhaltungssystems übernommen werden müssen, so dass die Zahlungsein- und -ausgänge nach der Systemumstellung korrekt zugeordnet werden können. Hierbei sind die mögliche Bereinigung der zugehörigen Debitoren- und Kreditorenstammdaten sowie die möglichen neuen Nummernkreise zu beachten. Darüber hinaus können auch Einzelbelege für einen definierten Zeitraum übernommen werden. Sofern der Kontenrahmen bei der Systemumstellung angepasst wurde oder die Stammdaten neue Nummernkreise erhalten haben, sind diese Änderungen auch in den Bewegungsdaten anzupassen, so dass die übernommenen Bewegungsdaten konsistent zur neuen Stammdatenumgebung sind. Da dies ein sehr aufwendiges Verfahren ist, wird bei der Umstellung von Finanzbuchhaltungssystemen insbesondere bei Kontenrahmenänderungen oft auf die Übernahme der Bewegungsdaten verzichtet.

2.    Funktionen
Die Stetigkeit der Buchführung hängt maßgeblich von der Stetigkeit der Funktionen ab, was oftmals nicht angemessen berücksichtigt wird. Nur die Stetigkeit der Funktionen stellt sicher, dass die initial vollständig und richtig übernommenen Daten auch nach einer beliebigen Zeit des Produktivbetriebs noch richtig sind, denn falsche Abschreibungslogiken oder falsche Mehrwertsteuerberechnungen führen zwangsläufig zu falschen Daten im System, obwohl diese initial richtig übernommen wurden.

Um die Stetigkeit beider Bereiche sicherstellen zu können, sind bei jeder Umstellung eines rechnungslegungsrelevanten Systems ungeachtet des gewählten Migrationspfades zwei Maßnahmen umzusetzen:

  1. Im Rahmen einer angemessenen Konzeption ist die geforderte Funktionalität des neuen Systems zu definieren. Dies umfasst neben den spezifischen Ausprägungen einzelner Standardfunktionalitäten auch firmenspezifische prozessuale Besonderheiten sowie ein angemessenes Berechtigungskonzept, um eine geeignete Funktionstrennung innerhalb des neuen Systems sicherstellen und insbesondere weitreichende und administrative Rechte angemessen begrenzen zu können. Darüber hinaus sind die Verfahren und Logiken zur Datenübernahme in einem Datenübernahmekonzept nachvollziehbar zu dokumentieren. Diese Konzepte bilden die Soll-Vorlage für die anschließend durchzuführenden Testhandlungen.
  2. Im Rahmen von Testhandlungen ist die korrekte Umsetzung der in den Konzepten vorgegebenen Funktionen und Datenübernahmen zu prüfen. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der übernommenen Daten wird üblicherweise durch Datenabgleiche sichergestellt. Dies kann im Rahmen eines automatischen Vollabgleichs, bei Stammdatenübernahmen im Rahmen von Stichproben oder bei Salden im Rahmen von Summenabgleichen erfolgen. In allen Fällen sind die Abgleiche nachvollziehbar zu dokumentieren. Die korrekte Abbildung der Funktionalitäten wird in verschiedenen Teststufen durch zuvor definierte Testfälle sichergestellt. In einem ersten Schritt werden dabei einzelne Funktionen isoliert betrachtet getestet. In einem nächsten Schritt werden End-to-End Prozesse getestet, so dass die Integration der Funktionen und die Anbindung des neuen Systems an die gesamte IT-Landschaft getestet wird. Die Durchführung der einzelnen Testaktivitäten ist so zu dokumentieren, dass das Testergebnis in allen Fällen – also auch für erfolgreich durchgeführte Tests – nachvollziehbar ist. Identifizierte Fehler sind zu bewerten / priorisieren, zu korrigieren und gesondert zu testen.
Baker Tilly Unterstützungsleistungen

Im Zuge einer Migrationsprüfung wird die Stetigkeit der Buchführung im Zuge einer Systemumstellung testiert. Dies erfolgt nach dem IDW-Standard PS 850 „Projektbegleitende Prüfung bei Einsatz von Informationstechnologie“ und kann in zwei Varianten durchgeführt werden:

Die nachgelagerte Migrationsprüfung wird einige Wochen nach der Produktivsetzung durchgeführt und beurteilt die Systemumstellung im Zuge einer Verfahrensprüfung. Aufgedeckte Schwachstellen werden identifiziert und bewertet. 

Die projektbegleitende Migrationsprüfung wird während des gesamten Projektverlaufs durchgeführt, wobei hierbei vereinbarte Zwischenergebnisse zum Zeitpunkt der Entstehung beurteilt werden. Dies hat den Vorteil, dass zeitnah auf Sachverhalte reagiert werden und die erforderliche Dokumentationstiefe im Vorfeld abgestimmt werden kann.
 

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