Fraglich war, inwieweit das Wahlrecht gemäß Art. 28 EGHGB für sog. „Altzusagen“ in der vorliegenden Konstellation anwendbar ist.
Für die Anwendung von Artikel 28 EGHGB ist entscheidend, ob es sich bei der Verpflichtung um eine Pensionsverpflichtung oder um eine „pensionsähnliche“ Verpflichtung der gGmbH handelt, da sich Art. 28 Satz 2 EGHGB explizit auf solche Verpflichtungen bezieht und ausschließlich für diese ein Wahlrecht zum Ansatz von Rückstellungen gewährt.
Entsprechend IDW RS HFA 23 werden solche umlagebasierte Verpflichtungen gegenüber Beamten, die einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer Gesellschaft in privater Rechtsform überlassen werden, als „sonstige Rückstellung“ klassifiziert und damit vom Standard nicht als Pensionsverpflichtung der bilanzierenden Einheit gewertet (IDW RS HFA 23, Tz. 26).
In der 223. Sitzung des IDW HFA am 10. und 11. März 2011 wurde die Anwendbarkeit der Übergangsregelung im Rahmen der BilMoG-Umstellung nach Artikel 67 Abs. 1 Satz 1 EGHGB, der sich ebenfalls ausschließlich auf Pensionsverpflichtungen sowie „pensionsähnliche Verpflichtungen“ bezieht, auf Freistellungsverpflichtungen für Beamtenpensionen bejaht.
Im entsprechenden Sitzungsprotokoll wurde verlautbart:
„Werden Beamte einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für eine rechtlich selbstständige
Einheit (z.B. Kapitalgesellschaft, GmbH & Co. KG) tätig, die nicht Dienstherr im beamtenrechtlichen
Sinne ist, und trägt nach den Vereinbarungen die rechtlich selbstständige Einheit die Altersversorgungslasten bei deren Fälligkeit, werden durch solche Vereinbarungen die Versorgungsverpflichtungen gegenüber diesen Beamten, anders als bei rechtlich unselbstständigen Sondervermögen, nicht zu originären Pensionsverpflichtungen dieser rechtlich selbstständigen Einheit. Die aus der Vereinbarung resultierende Verpflichtung der rechtlich selbstständigen Einheit zur Erbringung der Versorgungsleistungen gegenüber der juristischen Person des öffentlichen Rechts als Dienstherr ist eine ihrer Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit, die als sonstige Rückstellung anzusehen ist (vgl. IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Bilanzierung und Bewertung von Pensionsverpflichtungen gegenüber Beamten und deren Hinterbliebenen (IDW RS HFA 23), Tz. 26).
Das Wahlrecht nach Artikel 67 Abs. 1 Satz 1 EGHGB, wonach eine aufgrund der Umstellung der Rechnungslegung auf das HGB i.d.F. des BilMoG erforderlich werdende Zuführung zu den Pensionsrückstellungen über maximal 15 Jahre verteilt werden darf, bezieht sich nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich auf laufende Pensionen oder Anwartschaften auf Pensionen. […] sind Verpflichtungen zur Erbringung von Versorgungsleistungen, die ein rechtlich selbstständiges Unternehmen gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (als Dienstherr eines Beamten) eingeht (sog. Freistellungsverpflichtungen), bei wirtschaftlicher Betrachtung unmittelbar durch die Tätigkeit des Beamten für das Unternehmen bedingt. Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des HFA gerechtfertigt, das Ansammlungswahlrecht nach Artikel 67 Abs. 1 Satz 1 EGHGB auch auf Freistellungsverpflichtungen für Beamtenpensionen im o.g. Sinne anzuwenden.“
In analoger Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise wurde bei der gGmbH das Passivierungswahlrecht gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGHGB auf die Verpflichtung zur Erbringung der Versorgungsleistungen für Beamtenpensionen angewendet.
Wir haben das IDW daher um eine Klarstellung gebeten, ob im Sinne der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im vorliegenden Fall eine (mittelbare) Pensionsverpflichtung oder eine „pensionsähnliche“ Verpflichtung vorliegt, da sich Art. 28 Satz 2 EGHGB (wie auch Artikel 67 Abs. 2 EGHGB) explizit auf solche Verpflichtungen bezieht und für solche eine Wahlrecht zum Ansatz von Rückstellungen gewährt.
In dem Schreiben des IDW vom 16. März 2017 wurde hierzu wie folgt Stellung genommen:
„Werden Beamte einer Gebietskörperschaft für eine rechtlich selbstständige Einheit, die nicht Dienstherr im beamtenrechtlichen Sinne ist (z.B. eine Kapitalgesellschaft), tätig und erstattet die Kapitalgesellschaft der Gebietskörperschaft die künftig anfallenden Versorgungsaufwendungen bei deren Fälligkeit, werden durch solche Vereinbarungen die Versorgungsverpflichtungen gegenüber diesen Beamten nicht zu originären Pensionsverpflichtungen der Kapitalgesellschaft. Die Pensionsansprüche der Beamten richten sich ausschließlich gegen ihren Dienstherrn. Deshalb ist die aus der Vereinbarung resultierende Verpflichtung der Kapitalgesellschaft zur Zahlung der Versorgungsleistungen (Umlagen) gegenüber der Gebietskörperschaft als Dienstherr als sonstige Rückstellung anzusehen.“
Nach Ansicht des IDW liegt bei der dargestellten Konstellation weder eine mittelbare Pensionsverpflichtung noch eine „pensionsähnliche“ Verpflichtung der Kapitalgesellschaft vor.
Klarstellend weist das IDW darauf hin, dass der Begriff „pensionsähnliche Verpflichtungen" (Artikel 28 und 67 EGHGB) nicht zu verwechseln mit den „den Altersversorgungsverpflichtungen vergleich
baren langfristig fälligen Verpflichtungen" (§ 253 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 HGB) ist.
Der begrifflichen Abgrenzung kommt insofern eine Bedeutung zu, als das die Klassifizierung als „den Altersversorgungsverpflichtungen vergleichbare langfristig fällige Verpflichtung“ gemäß § 253 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 HGB ausschließlich Auswirkungen auf den Diskontierungszinssatz hat, jedoch für die Anwendung des Passivierungswahlrecht gemäß Artikel 28 EGHGB keine Anwendung findet.
Die Anwendung von Art. 28 EGHGB im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, analog der Entscheidung in der 223. Sitzung des IDW HFA am 10. und 11. März 2011 ins Bezug auf das Zuführungswahlrecht von Pensionsverpflichtungen im Zuge der BilMoG-Umstellung nach Art. 67 EGHGB, wird in dem vorliegenden IDW-Schreiben explizit verneint.
In diesem Zusammenhang wurde auch die bisher in IDW RS HFA 23, Tz. 31, geäußerte Empfehlung, diese Rückstellung unter den Pensionsrückstellungen auszuweisen („jedoch empfiehlt sich ein gesonderter Ausweis unter den Pensionsrückstelllungen, da diese wirtschaftlich einer Pensionsrückstellung entspricht“) gestrichen.
Damit ist nun klarstellend geregelt, dass in Konstellationen, in denen rechtlich selbstständige Einheiten (z.B. Kapitalgesellschaft, GmbH & Co. KG, ggf. Anstalt des öffentlichen Rechts), die nicht Dienstherr im beamtenrechtlichen Sinne sind, Beamte beschäftigen und deren Altersversorgungslasten (Beihilfen und Pensionen) bei deren Fälligkeit tragen, für die entsprechenden Verpflichtungen eine „sonstige Rückstellung“ im Sinne einer ungewissen Verbindlichkeit nach § 249 Abs. 1 HGB zu bilanzieren haben. Die Anwendung von Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGHGB hinsichtlich des Passivierungswahlrechtes für sog. „Altfälle“ ist damit ausgeschlossen.
Eine entsprechende Ausübung des Passvierungswahlrecht nach Artikel 28 Abs. 1 S. 1 EGHBG war auch in der Vergangenheit nicht rechtskonform. Jahre- und Konzernabschlüsse, in denen das Passivierungswahlrecht unter Bezugnahme auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise in Anspruch genommen wurde, sollten gemäß IDW RS HFA 6 korrigiert werden.
In diesem Zusammenhang ist auch klarzustellen, dass in Fällen, in denen auf gesetzlicher oder freiwilliger Basis Versorgungskassen für die Versorgung der Beamten und deren Hinterbliebenen eingesetzt werden, und die rechtlich selbstständige Einheit, die nicht Dienstherr im beamtenrechtlichen Sinne ist, die Versorgungsumlagen an die Versorgungskasse leistet, auch das Passivierungswahlrecht nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 EGHGB für „mittelbare Pensionsverpflichtungen“ nicht in Anspruch nehmen kann. Dies entspricht auch der bisherigen Auffassung des IDW RS HFA 23, Tz. 16.