Im Rahmen vorweggenommener Erbfolge sind Übertragende neben der Nutzung schenkung- und erbschaftsteuerrechtlicher Vorteile, oftmals daran interessiert, über das Vermögen bis zum Tod unmittelbar oder mittelbar weiterhin zu verfügen. Die Motivationen sind vielfältig und nachvollziehbar. So streben Übertragende beispielsweise an, weiterhin Mitspracherechte an der Verwendung des übertragenen Vermögens zu haben. Auch die künftige Absicherung des Übertragenden und dessen Ehegatte wird in die Überlegungen einbezogen. Zudem soll die Übertragung des Vermögens möglichst ohne ertragsteuerrechtliche Konsequenzen erfolgen.
Zum Letztgenannten schreibt das Einkommensteuerrecht bei unentgeltlicher Übertragung von Betrieben und Mitunternehmeranteilen zwingend eine ertragsteuerneutrale Übertragung vor, § 6 Abs. 3 EStG. Ist somit die unentgeltliche Übertragung eines Einzelunternehmens oder eines Anteils an einer Personengesellschaft Gegenstand der vorweggenommenen Erbfolge, entsteht beim Übertragenden grundsätzlich keine Ertragsteuerlast. Voraussetzung hierbei ist, dass sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen übertragen werden, die Besteuerung der stillen Reserven (in Deutschland) sichergestellt ist und der Übertragende seine Tätigkeit einstellt.
Da derartige Übertragungen ohne zusätzliche Vereinbarungen künftig Mitspracherechte oder Absicherungsrechte des Überlassenden ausschließen, werden oftmals zur Absicherung Nießbrauchsrechte für den Übertragenden vereinbart. So auch im Fall, über den der Bundesfinanzhof zu entscheiden hatte.
Hier übertrug ein Gewerbetreibender, der ein Grundstück gewerblich an Dritte verpachtete, dieses Grundstück seinem Sohn. Es ist unstreitig, dass ein Gewerbebetrieb vorlag und das Grundstück notwendiges Betriebsvermögen darstellte. Die Auflassung, also die dingliche Übertragung des Grundstücks, erfolgte unter aufschiebender Bedingung, dass diese erst nach Tod des Gewerbetreibenden und dessen Ehefrau erfolgen sollte. Zur Sicherung vereinbarten die Parteien, dass, sollte der Gewerbetreibende vor seiner Ehefrau versterben, der Ehefrau bis zu ihrem Tod ein uneingeschränktes, rechnungsfreies Nießbrauchsrecht (Vorbehaltsnießbrauch) an den in Rede stehenden Grundstück zusteht. Die Übertragung erfolgte im Übrigen unentgeltlich. Als der Gewerbetreibende in 2005 verstarb, erfolgte die Auflassung des Grundbesitzes an den Sohn sowie die Eigentumsumschreibung unter gleichzeitiger Eintragung eines Nießbrauchrechtes an die Ehefrau.
Die Ehefrau erklärte für sich und ihren verstorbenen Ehemann im Rahmen der Veranlagung 2005 laufende gewerbliche Einkünfte. Die Übertragung des Grundstücks erklärte sie unter Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG. Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven erklärte sie nicht. Dem folgte weder das Finanzamt noch das Finanzgericht. Diese waren der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG deshalb nicht vorlagen, da die Ehefrau aufgrund des Nießbrauchs den Gewerbebetrieb fortführte. Eine zwingende Voraussetzung des § 6 Abs. 3 EStG sei unter anderem die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit durch den Übertragenden. Das Recht eines Nießbrauchs steht dem entgegen.
Dem schloss sich im Ergebnis der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 21.01.2017,
X R 59/14 an und bestätigte somit seine bisherige Rechtsauffassung dahingehend, dass die Anwendung des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG voraussetzt, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellen muss. Daran fehlt es, wenn die einzige wesentliche Betriebsgrundlage aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs vom bisherigen Betriebsinhaber weiterhin gewerblich genutzt wird.
Hierzu führt er im Weiteren aus:
Geht man davon aus, dass sich die Übertragung nicht auf das Grundstück allein beschränkt, sondern vielmehr auf den gesamten Gewerbebetrieb bezog, da das Grundstück dessen einzige wesentliche Betriebsgrundlage darstellte, wäre die Übertragung unentgeltlich erfolgt. Dem steht auch die Bestellung des Nießbrauchsrechtes nicht entgegen, da diese nach ständiger Rechtsprechung keine Gegenleistung darstellt. Auch wurde der Sohn trotz Bestellung des Nießbrauches für die Mutter, sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks. Jedoch stellte die Mutter aufgrund der Bestellung des Nießbrauchsrechtes die gewerbliche Tätigkeit nicht ein, sondern führte diese fort. Allein dies führt dazu, dass § 6 Abs. 3 S. 1 EStG nicht anwendbar war. Im Ergebnis, stellte die Übertragung des Grundstücks durch die Mutter an den Sohn nach Auffassung des BFH eine gewinnrealisierende Entnahme dar, die zur Aufdeckung der stillen Reserven führte.
Anmerkung:
Aus dem hier besprochenen Fall wird deutlich, dass Interessen und Motivationen der Übertragenden oftmals mit den steuerrechtlichen Vorgaben kollidieren. Der BFH bespricht alternativ im vorliegenden Urteil die Möglichkeit, einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen. Er betont, dass dann einer ertragsteuerneutralen Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG nichts im Wege steht. Diese Möglichkeit wird derzeit auch in der Fachliteratur als gangbare Lösung benannt. Jedoch steht dann dem Übertragenden, im Gegensatz zum Nießbrauch, keinerlei Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen mehr zu. Somit ist im Einzelfall abzuwägen, welche Motivationen beim einzelnen Übertragenden im Vordergrund stehen sollen.