Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nahm mit Schreiben vom 30.11.2017, BMF IV C 6 – S 2133/14/10001, zur Besteuerung übernommener Verpflichtungen Stellung. In dem Schreiben geht es dem BMF um solche Betriebsschulden, die beim ursprünglich Verpflichteten (Übergeber) Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen unterliegen, beim Übernehmer der Schuld (Übernehmer) jedoch als ungewisse Verbindlichkeiten grundsätzlich mit den „Anschaffungskosten” oder dem höheren Teilwert zu bewerten sind. Wir nehmen dies zum Anlass, die vom Gesetzgeber mit §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG letztlich sanktionierten Gestaltungen näher zu beleuchten.
Verpflichtungen können entweder im Wege
- einer Schuldübernahme nach den §§ 414ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder
- durch Übernahme der mit der Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung)
übernommen werden.
Während die Schuldübernahme zur Schuldbefreiung führt, bleibt der ursprünglich Verpflichtete beim Schuldbeitritt oder bei der Schuldfreistellung rechtlich mit der ursprünglichen Schuld belastet. Die Finanzverwaltung stellt im oben genannten BMF-Schreiben nunmehr klar, dass die ursprüngliche Schuld beim Freistellungsberechtigten gewinnerhöhend aufzulösen ist. Korrespondierend hat der Freistellungsberechtigte in seiner steuerlichen Gewinnermittlung auch keinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Freistellungsverpflichteten auszuweisen.
Vor Aufnahme von § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG in das deutsche Einkommensteuerrecht ließen sich fiskalisch orientierte Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen im Wege der entgeltlichen Schuldübernahme umgehen.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel:
Die Geschäftsführung der A-GmbH schließt einen nachteiligen Absatzvertrag, der erst nach dem nächsten Bilanzstichtag zu erfüllen ist. Der daraus resultierende Verpflichtungsüberschuss (Drohverlust) in Höhe von EUR 1 Mio. ist zwar in der Handelsbilanz als Rückstellung für drohende Verlust aus schwebenden Geschäften (Drohverlustrückstellung) zu passivieren. Gem. § 5 Abs. 4a EStG schlägt diese Passivierung aber nicht auf die Steuerbilanz der A-GmbH durch. Folglich wendet diese bis zur vollständigen Inanspruchnahme der Drohverlustrückstellung Steuerzahlungen auf.
Übernimmt nun die B-GmbH das Absatzgeschäft und folglich auch den Verpflichtungsüberschuss im Wege der befreienden Schuldübernahme, hätte die A-GmbH hierfür ein steuerlich voll abziehbares Freistellungsentgelt in Höhe von EUR 1 Mio. aufzuwenden. Die B-GmbH hätte die empfangenen Barmittel und die korrespondierende „Drohverlustrückstellung“ jeweils in Höhe von EUR 1 Mio., d. h. ohne Anwendung des § 5 Abs. 4a EStG, zu passivieren (erfolgsneutrales Anschaffungsgeschäft). Vom Ergebnis her betrachtet, ließe sich daher Folgendes resümieren:
- Die A-GmbH ist nach Schuldübernahme verpflichtet, den Verpflichtungsüberschuss in Höhe von EUR 1 Mio. als Betriebsausgabe zu deklarieren (vor Gestaltung wegen § 5 Abs. 4a EStG kein Ansatz von Betriebsausgaben möglich) und
- Die B-GmbH ist nach Schuldübernahme verpflichtet, den Verpflichtungsüberschuss in Höhe von EUR 1 Mio. als Rückstellung zu passivieren; § 5 Abs. 4a EStG war bei angeschafften Rückstellungen nicht anzuwenden.
Vorstehender Gestaltungsidee setzen die seit geraumer Zeit geltenden Regelungen in § 4f und § 5 Abs. 7 EStG ein Ende. Immer dann, wenn ein Übergeber die von einem Dritten übernommene Verpflichtung in der Passiva der Steuerbilanz
- nicht anzusetzen oder
- niedriger als die für die Übernahme der Verpflichtung erhaltene Gegenleistung zu bewerten hatte,
greifen folgende Steuerbilanzregeln:
- Der Übernehmer hat zunächst die gleichen Bilanzierungsvorschriften zu beachten, die auch für den Übertrager am Bilanzstichtag gegolten hätten, wenn er die Verpflichtung nicht übertragen hätte. Angewendet auf unser obiges Beispiel führt dies zur erfolgswirksamen Ausbuchung der zu „Anschaffungskosten“ in Höhe von EUR 1 Mio. übernommenen „Drohverlustrückstellung“. Der daraus resultierende steuerpflichtige Gewinn in Höhe von EUR 1 Mio. kann in Höhe von 14/15 in eine gewinnmindernde Rücklage eingestellt werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum). In Höhe von 1/15 der angeschafften Drohverlustrückstellung entsteht jedoch unvermeidbar ein steuerpflichtiger Gewinn.
- Auf Seiten des Übertragers kann der Aufwand aus dem Freistellungsentgelt grundsätzlich nur auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt als Betriebsausgabe abgezogen werden. Die Verteilung des Aufwandes erfolgt durch außerbilanzielle Hinzurechnungen und Abrechnungen.
Aus dem Zusammenspiel von § 4f EStG und § 5 Abs. 7 EStG können sich gegebenenfalls Gestaltungspotenziale bei Verkäufen von Unternehmensgruppen ableiten, wenn
- ein zu veräußerndes defizitäres Tochterunternehmen einen steuerlichen Freistellungsgewinn erzielt,
- diesen nicht oder nur partiell in die Rücklage gem. § 5 Abs. 7 S. 5 EStG einstellt,
- der Freistellungsgewinn den – beim Gesellschafterwechsel ansonsten entfallenden – steuerlichen Verlustvortrag aufzehrt und
- die aus der Inanspruchnahme der Freistellungslast resultierenden Zahlungen später zu Betriebsausgaben führen.