Entfall der korrespondierenden Bilanzierung des Gesellschafterdarlehens bei Veräußerung des Mitunternehmeranteils (BFH IV R 1/15 vom 16.03.2017)

Unternehmenskauf und Steuern – Verkauft ein (Alt-)Gesellschafter sämtliche Anteile seiner Personengesellschaft und seine wertlosen Gesellschafterdarlehen an einen zukünftigen Gesellschafter, realisiert sich der potentielle Gewinn zwischen Kaufpreis und Nennwert der verkauften Gesellschafterforderung in den Händen des Neugesellschafters erst bei Erfüllung (Tilgung) der verkauften Gesellschafterforderung!

Unternehmenskauf und Steuern – Verkauft ein (Alt-)Gesellschafter sämtliche Anteile seiner Personengesellschaft und seine wertlosen Gesellschafterdarlehen an einen zukünftigen Gesellschafter, realisiert sich der potentielle Gewinn zwischen Kaufpreis und Nennwert der verkauften Gesellschafterforderung in den Händen des Neugesellschafters erst bei Erfüllung (Tilgung) der verkauften Gesellschafterforderung.

Mit Urteil vom 16. März 2017, Az. IV R 1/15, Vorinstanz: Hessisches Finanzgericht vom 15.01.2013, Az. 8 K 762/08, entschied der Bundesfinanzhof (nachfolgend auch kurz „BFH“) Folgendes:

(1)    Die korrespondierende Bilanzierung der Darlehensforderung eines Personenge-sellschafters in dessen Sonderbilanz und in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft endet mit dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Ab diesem Zeitpunkt verliert die in der Gesamthandsbilanz ausgewiesene Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft ihre Funktion als funktionales Eigenkapital und stellt entsprechend ihrem Bilanzausweis Fremdkapital dar.

(2)    Die korrespondierende Bilanzierung endet ebenfalls, wenn der Erwerber des Mitunternehmeranteils auch die Gesellschafter-Darlehensforderung erwirbt. In der Sonderbilanz des Neugesellschafters ist die Forderung mit dessen Anschaffungskosten zu aktivieren. Demgegenüber ist die Darlehensverbindlichkeit in der Gesamthandsbilanz in unveränderter Höhe auszuweisen. Der dem Bundesfinanzhof zur Entscheidung vorgelegte Streitfall lag

  • die entgeltliche Übertragung sämtlicher Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG (nachfolgend auch kurz „KG“) sowie
  • die Veräußerung und Abtretung einer Gesellschafterforderung aus Darlehenshingaben an die KG (nachfolgend auch kurz „Gesellschafterforderung“)

an eine Erwerberin zugrunde.

Die Inhaberschaft an der veräußerten und abgetretenen Gesellschafterforderung lag damit vor und nach dem Unternehmenskauf in den Händen von (verschiedenen) Mitunternehmern. Weiterhin ist für das Verständnis des zu besprechenden Falls wichtig, dass die KG eine Schieflage durchlief. Offenbar erreichte daher der für die veräußerte Gesellschafterforderung gezahlte Kaufpreis nicht deren Nennwert.

Vorab ist festzuhalten, dass Gesellschafterforderungen bei gewerblichen Personenunternehmen regelmäßig Sonderbetriebsvermögen I des Mitunternehmers darstellen. Von diesem Grundsatz wird lediglich in wirklich seltenen Ausnahmefällen bei Forderungen aus Lieferungen und Leistungen eines eigenbetrieblich tätigen Mitunternehmers abgewichen. Damit führen Gesellschafterforderungen gegen gewerbliche Personenunternehmen zu Ansprüchen im Sonderbetriebsvermögen I, die allerdings in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft wie Eigenkapital zu behandeln sind. Durchläuft das mit der Gesellschafterforderung belastete Personenunternehmen (hier die KG) eine Krise, dürfen - obgleich der offensichtlichen Wertminderung - Teilwertabschreibungen auf die Gesellschafterforderung in der Sonderbilanz I nicht vorgenommen werden. Die Mitunternehmerschaft wird demzufolge zu einer korrespondierenden Bilanzierung

  • der Verbindlichkeit gegenüber Gesellschaftern aus der Darlehensforderung in der Handelsbilanz und
  • der Gesellschafterforderung gegen die Personengesellschaft in der steuerlichen Sonderbilanz I (des Gesellschafters)

gezwungen.

Maßgebend für die korrespondierende Bilanzierung ist dabei die Bewertung in der Handelsbilanz. Wertminderungen wirken sich demzufolge bei Bestehen von Mitunternehmerstellung und Personengesellschaft überhaupt nicht aus. Sie realisieren sich erst im Rahmen der Ermittlung des Aufgabe- oder Veräußerungsgewinns.

Im Weiteren sei an dieser Stelle auf die besondere Bedeutung, die der sorgfältigen Beurteilung einer gegen eine Personengesellschaft gerichteten Gesellschafterforderung hinsichtlich ihrer Zuordnung zum Eigenkapital- oder Fremdkapital zukommt, verwiesen. Diese sollte unbedingt im Rahmen von Gestaltungen/ Umstrukturierungen Berücksichtigung finden. So ist es beispielsweise bei der Einbringung eines Einzelwirtschaftsgutes außerordentlich wichtig, ob für dessen Hingabe

  • Gesellschaftsrechte gewährt werden oder
  • eine als Fremdkapital zu qualifizierende Verbindlichkeit der Personengesellschaft

begründet wird.

Letztere führt, wenn die begründete Verbindlichkeit den Verkehrswert des Einlagegegenstandes erreicht, zur ungewollten vollen Gewinnrealisierung. Dieser steht in praxi regelmäßig kein adäquater Liquiditätsbezug entgegen.

Vor dem Hintergrund des Wechsels der Inhaberschaft an der verkauften Gesellschafterforderung von einem Mitunternehmer zu einem weiteren Mitunternehmer ging die Finanzverwaltung im hier zu besprechenden Streitfall davon aus, dass bei ausschließlich steuerlicher Betrachtung eine Darlehensforderung zu keinem Zeitpunkt bestanden habe. Demzufolge sei – im Interesse des Bewahrens der Anschaulichkeit nachfolgend sehr verkürzt dargestellt – der Unterschiedsbetrag zwischen Nennwert und Kaufpreis der verkauften Gesellschafterforderung (Buchverlust) in einer negativen Ergänzungsbi-anz des die Kommanditanteile und die Gesellschafterforderung erwerbenden Mitunternehmers auszuweisen. Mangels anderer abstockungsfähiger Wirtschaftsgüter kam aus Sicht der Finanzverwaltung nur in Betracht, einen „negativen“ Warenbestand zu passivieren, der in den beiden auf den Erwerb folgenden Wirtschaftsjahren gewinnerhöhend entsprechend des Warenabgangs aufgelöst werden sollte.

Die Argumentation der Finanzverwaltung stützte sich dabei insbesondere darauf, dass die sogenannte korrespondierende Bilanzierung durch den Gesellschafter-/ Forderungsinhaberwechsel nicht durchbrochen werde. Sie begründete dies mit der vorliegenden Vertragsgestaltung, nach der das Band zwischen – ohne Differenzierung zwischen altem und neuem - Gesellschafter und Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt abgerissen sei. Insbesondere käme eine Umqualifizierung der Darlehensverbindlichkeit von funktionalem Eigenkapital in „normales“ Fremdkapital (Drittdarlehen) nicht in Betracht, da die Darlehensforderung durchgängig dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters der KG zuzuweisen war.

Vorstehender Rechtsauffassung der Finanzverwaltung erteilte der BFH mit folgenden Argumenten eine klare Absage:

(1)    Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung ist streng gesellschafterbezogen anzuwenden. Insbesondere wird durch die Abtretung eines Gesellschafterdarlehens im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils an den Neugesellschafter in Höhe der in der Gesellschaftsbilanz ausgewiesenen Darlehensverbindlichkeit kein funktionales Eigenkapital des Altgesellschafters auf den Neugesellschafter übertragen; mit anderen Worten endet die Zuordnung der verkauften Gesellschafterforderung beim Altgesellschafter im Zuge des Verkaufs und beginnt beim Neugesellschaft mit dem Ankauf von Gesellschaftsanteilen und Gesellschafterforderung.

(2)    Es ist weiterhin richtig, dass Wertberichtigungen auf Forderungen des Gesellschafters gegen „seine“ Personengesellschaft nicht zu Betriebsausgaben während des Bestehens der Personengesellschaft führen. Das handelsrechtliche Imparitätsprinzip gilt insoweit nicht.

(3)    Der Verlust aus Wertberichtigungen zu (2) wird im Sonderbetriebsvermögen – ebenso wie der Verlust der Einlage in das Gesellschaftsvermögen – grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung, also beim Ausscheiden des Gesellschafters (Veräußerung) oder bei Beendigung der Gesellschaft (Betriebsaufgabe) realisiert.

(4)    Mit dem Ausscheiden des seine Anteile verkaufenden Mitunternehmers endet logischerweise auch dessen Stellung als steuerlicher Mitunternehmer. Die steuerlichen Folgen des Ausscheidens sind daher abschließend durch die Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns zu ziehen. Wird im Zuge der Veräußerung des Gesellschaftsanteils auch eine Darlehensforderung veräußert und liegt das dafür entrichtete Entgelt unter dem Nennbetrag der Forderung, führt dies zu einem Veräußerungsverlust im Sonderbetriebsvermögen des ausscheidenden Mitunternehmers.

(5)    Der Erwerber des Gesellschaftsanteils, der zugleich auch die Forderung des veräußernden Gesellschafters gegen die Gesellschaft erwirbt, stellt eine „eigene“ (neue) Sonderbilanz auf, in der die der Gesellschaft (weiterhin) zur Verfügung gestellte Darlehensforderung mit den Anschaffungskosten des Neugesellschafters zu bilanzieren ist. Liegen diese unter dem Nominalwert der Darlehensforderung, ist der Bilanzansatz in der Sonderbilanz auf die niedrigeren Anschaffungskosten begrenzt. Davon ausgehend gelten dann grundsätzlich (wieder) die Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung.

Ergänzend und im logischen Kontext zum Urteilstenor wies der BFH darauf hin, dass Darlehensverbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern ungeachtet der Übertragung derer Inhaberschaft auf einen Neugesellschafter in Höhe deren Erfüllungsbetrags in der Handelsbilanz der Personengesellschaft auszuweisen sind. Ob die Anschaffungskosten für den Erwerb der Darlehensforderung unter dem Nennwert/ Erfüllungsbetrag lagen, spielt insoweit keine Rolle. Dies hat zur Folge, dass spätere Zahlungen der Gesellschaft auf die Darlehensforderung bei dem Neugesellschafter zu einer Gewinnrealisierung im Sonderbetriebsvermögen führen, soweit sie die in der Sonderbilanz des Neugesellschafters ausgewiesenen Anschaffungskosten übersteigen.

Letztlich macht der BFH mit seiner streng gesellschafterbezogenen Rechtsprechung auch für all jene Fälle Mut, bei denen ein Gesellschafter ausscheidet und im Zuge dessen seine Gesellschaftsanteile und seine Gesellschafterforderung auf die verbleibenden Gesellschafter überträgt.

Ansprechpartner:

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 Frank Schröder

Frank Schröder
Director Marketing & Communications

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