Gemäß § 236 Abs. 1 KAGB muss eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) vor Erwerb einer Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft für ein Immobilien-Sondervermögen den Wert der Gesellschaft von einem Wirtschaftsprüfer ermitteln lassen. Zweck dieser Regelung ist die Prüfung der Angemessenheit des Kaufpreises für die Gesellschaft (§ 31 Abs. 1 KARBV). Der Kaufpreis darf den ermittelten Wert nicht oder nur unwesentlich übersteigen (IDW S 12, Abschn. 5.1., Tz. 96). In der Praxis wird regelmäßig eine Überschreitung von bis zu 3 % noch als zulässig angesehen.
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat am 2. Februar 2016 den IDW Standard S 12 „Wertermittlungen bei Beteiligungen an einer Immobiliengesellschaft nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 und § 236 Abs. 1 KAGB“ verabschiedet. Darin sind Grundsätze für die Bewertung von Immobiliengesellschaften für externe Bewerter im Zuge der Erst- und Regelbewertung von Immobilien-Sondervermögen und offenen Spezial-AIFs mit festen Anlagebedingungen dargestellt, die eine einheitliche Durchführung der Bewertungen gewährleisten sollen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich zunächst nur auf Bewertungen für Immobilien-Sondervermögen. Besonderheiten bei Bewertungen für geschlossene Fonds werden unter 3. dargestellt.
Als Wert einer Immobiliengesellschaft ist bei Immobilien-Sondervermögen grundsätzlich der Nettovermögenswert gemäß der maßgeblichen Vermögensaufstellung anzusetzen, wobei der Wert der Immobilien durch den vom externen Bewerter festgestellten Verkehrswert der Immobilie zu ersetzen ist (vgl. § 31 Abs. 4 KARBV).
Die Gesetzesmaterialien hinsichtlich der Bewertung von Immobiliengesellschaften sind eher allgemein gehalten, sodass in der Praxis eine Reihe von Fragen offen bleiben. Im Folgenden sollen davon einige ausgewählte Aspekte erläutert werden:
1. Bewertungsstichtag
Aus § 236 Abs. 2 KAGB ergibt sich, dass der Bewertungsstichtag der Gesellschaft maximal drei Monate nach dem letzten geprüften Jahresabschluss oder einer geprüften aktuellen Vermögensaufstellung liegen darf. Der Bewertungsstichtag kann vom Zeitpunkt des Erwerbs der Immobiliengesellschaft abweichen (vgl. IDW S 12, Abschn. 5.1., Tz. 98). Nicht geregelt im Gesetz ist die Frage, wie lange nach dem Bewertungsstichtag das Wertgutachten verwendet werden darf. In Anlehnung an die gesetzliche Regelung zur vierteljährlichen Regelbewertung von Immobiliengesellschaften (vgl. § 251 Abs. 1 KAGB) sollte nach unserer Einschätzung eine Verwendung des Wertgutachtens, d. h. der Erwerb der Anteile, grundsätzlich bis zu drei Monate nach dem Bewertungsstichtag möglich sein.
Der Stichtag der Bewertung der Immobilien durch den Immobilien-Sachverständigen kann vor oder nach dem Stichtag der geprüften Vermögensaufstellung liegen. Er muss nur vor dem Bewertungsstichtag der Immobiliengesellschaft liegen. Auch hier scheint es ausgehend von der gesetzlichen Regelung zur vierteljährlichen Regelbewertung von Immobilien (vgl. § 251 Abs. 1 KAGB) sachgerecht, dass das Wertgutachten für die Immobilie zum Bewertungsstichtag der Gesellschaft nicht älter als drei Monate sein darf (vgl. Strücker/Eisenhuth/Lemnitzer/Sundermann, WPg 2016, S. 667 ff.). Soweit seit dem Bewertungsstichtag der Immobilien keine wesentlichen wertbegründenden Ereignisse eingetreten sind, können u. E. im Rahmen des 3-Monats-Zeitraums die Werte aus dem Immobilien-Gutachten für die Anteilsbewertung verwendet werden.
In der Praxis weicht der ermittelte Wert der Gesellschaft häufiger in wesentlichem Umfang von der tatsächlichen Kaufpreisfindung ab. Ursache hierfür können ein zeitliches Auseinanderfallen von Bewertungs- und Erwerbsstichtag oder erforderliche Neustrukturierungen durch den Erwerber sein (z. B. Umstrukturierung der Finanzierung) (vgl. IDW S 12, Abschn. 5.3., Tz. 101). In diesen Fällen kann die Bewertung den gesetzlich vorgesehenen Zweck der Angemessenheitsprüfung nicht erfüllen. Als Lösungsmöglichkeit bei einem zeitlichen Auseinanderfallen der Stichtage empfiehlt der IDW S 12, den ermittelten Wert auf den Erwerbsstichtag unter Berücksichtigung ergänzender Wertkomponenten überzuleiten (IDW S 12, Abschn. 5.3., Tz. 102). Hierfür kann eine von der KVG oder dem Verkäufer erstellte Planbilanz auf den Erwerbsstichtag als Grundlage herangezogen werden. Dabei ist es wichtig, dass der Bewerter die Planbilanz zumindest plausibilisiert und die wesentlichen Aspekte der Prognose des Wertes zum Erwerbsstichtag im Gutachten dargestellt werden.
2. Anschaffungsnebenkosten
Fraglich bei der Bewertung von Immobiliengesellschaften ist, inwieweit die in der Vergangenheit beim Erwerb der von der Gesellschaft gehaltenen Immobilien entstandenen Anschaffungsnebenkosten werterhöhend berücksichtigt werden können. Gemäß § 248 Abs. 3 KAGB sind die Anschaffungsnebenkosten von Immobilien und Immobiliengesellschaften gesondert anzusetzen und über die voraussichtliche Nutzungsdauer, maximal jedoch über zehn Jahre, linear abzuschreiben. § 31 Abs. 2 Satz 1 KARBV stellt klar, dass Anschaffungsnebenkosten auch insoweit anzusetzen sind, als sie den mittelbaren Erwerb einer Immobilie über eine Immobilien-Gesellschaft betreffen (vgl. auch Begründung zur KARBV). Dabei wird jedoch nicht genau geregelt, ob hiermit nur die Anschaffungsnebenkosten gemeint sind, die im Zusammenhang mit Immobilienkäufen nach Erwerb der Beteiligung an der Immobiliengesellschaft anfallen oder ob auch die in der Vergangenheit vor Erwerb der Beteiligung entstandenen Anschaffungsnebenkosten werterhöhend zu berücksichtigen sind (soweit die Nutzungsdauer noch nicht abgelaufen ist). So ist unklar, ob im Rahmen der Erwerbsbewertung auf Ebene der Immobiliengesellschaft bereits vorhandene Anschaffungsnebenkosten bei der Bewertung gesondert anzusetzen sind.
Zur Prüfung dieser Frage muss zunächst der Gesetzeszweck betrachtet werden. Ziel der gesetzlichen Regelung zur Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten ist es zu gewährleisten, dass der Erwerb von Immobilien wegen der Anschaffungsnebenkosten rechnerisch zunächst nicht zu einer Wertminderung des Sondervermögens und damit des Anteilwerts führt (vgl. Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 248 Abs. 3 KAGB, § 79 Abs. 1 Satz 6 InvG, BT-Drucksache 16/5576, S. 76). Eine den Wert des Sondervermögens im Erwerbszeitpunkt mindernde Berücksichtigung der Anschaffungsnebenkosten in voller Höhe würde dazu führen, dass die zum Erwerbszeitpunkt beteiligten Anleger einseitig belastet würden, während die Anleger, die sich erst nach dem Erwerbszeitpunkt beteiligen, nicht durch die Anschaffungsnebenkosten belastet würden. Diese würden aufgrund der Wertminderung durch die Anschaffungsnebenkosten für den Kauf ihrer Fonds-Anteile einen geringeren Preis zahlen als Anleger, die kurz vor dem Erwerbszeitpunkt beitreten. Dies ist vom Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung nicht gewollt (vgl. BT-Drucksache 16/5576, S. 76). Daher müssen Anschaffungsnebenkosten werterhöhend berücksichtigt und gleichmäßig auf einen längeren Zeitraum (maximal 10 Jahre) verteilt werden.
Diese Sichtweise lässt sich auch auf die bei einer zu erwerbenden Immobiliengesellschaft bereits angefallenen Anschaffungsnebenkosten übertragen. Auch hier haben die Anschaffungsnebenkosten einen Wert für die Gesellschaft. Insbesondere bei erst kürzlich vor Verkauf der Immobiliengesellschaft erworbenen Immobilien dürfte davon auszugehen sein, dass der Verkäufer die gezahlten Anschaffungsnebenkosten bei der Preisbemessung berücksichtigen und einen entsprechend höheren Preis fordern wird. Das Sondervermögen als Erwerber dürfte auf der anderen Seite diese Anschaffungsnebenkosten ebenfalls in die Preisfindung einbeziehen, da diese bei einem Direkterwerb der Immobilien auch anfallen würden und bei den in der Praxis üblichen grunderwerbsteuerlichen Gestaltungen mit Beteiligungserwerben unter 95 % bei einem Share-Deal weitere Nebenkosten nur in beschränktem Umfang anfallen. Wenn die auf Ebene der Immobiliengesellschaft entstandenen Anschaffungsnebenkosten daher in die Preisbemessung einbezogen werden, muss dies entsprechend auch bei der Erwerbsbewertung berücksichtigt werden. Andernfalls wäre ein Erwerb oftmals nicht möglich. Denn wenn der Wert des Bewertungsgutachtens wesentlich unter dem vereinbarten Kaufpreis liegt, wird die Verwahrstelle dem Kauf nicht zustimmen.
Daher sind nach unserer Auffassung auch die auf Ebene der Immobiliengesellschaft bereits vorhandenen Anschaffungsnebenkosten bei der Bewertung grundsätzlich gesondert anzusetzen. Dabei muss der Bewerter jedoch immer im Einzelfall prüfen, inwieweit den Anschaffungsnebenkosten tatsächlich noch ein eigenständiger Wert beizumessen ist. Dies ist insbesondere von der Länge des Zeitraums abhängig, der seit dem Erwerb der Immobilie und damit der Entstehung dieser Kosten verstrichen ist.
3. Besonderheiten bei der Bewertung von Immobiliengesellschaften für geschlossene AIF
Der IDW S 12 soll nach eigener Aussage keine Anwendung finden für Erwerbsbewertungen von Immobiliengesellschaften, Unternehmensbeteiligungen oder anderen Gesellschaftsanteilen von geschlossenen AIF (IDW S 12, Abschn. 1.1., Tz. 11). Begründet wird dies damit, dass hier abweichende Bewertungsgrundsätze gelten. Genauere Vorgaben für die Methoden zur Bewertung von Immobiliengesellschaften für geschlossene AIF sind im KAGB und in der KARBV nicht enthalten. Fraglich ist, ob die Bewertung von Immobiliengesellschaften bei geschlossenen AIF auch wie bei Immobilien-Sondervermögen vom Grundsatz her mit dem Nettovermögenswert erfolgen kann oder ob die Anwendung des Ertragswert- oder eines Discounted-Cash-Flow-Verfahrens (nach dem Standard IDW S 1) geboten ist.
§ 31 KARBV, der eine Bewertung von Immobiliengesellschaften mit dem Nettovermögenswert vorsieht, bezieht sich nur auf Immobilien-Sondervermögen. Gemäß § 32 KARBV sind Verkehrswerte für Unternehmensbeteiligungen gemäß § 261 Abs. 1 Nr. 4 KAGB (Beteiligungen an Unternehmen, die nicht zum Handel zugelassen sind) nach anerkannten Grundsätzen für die Unternehmensbewertung zu ermitteln. Hierfür sind insbesondere das Ertragswertverfahren oder ein Discounted-Cash-Flow-Verfahren geeignet. Immobiliengesellschaften sind jedoch typischerweise Objektgesellschaften gem. § 261 Abs. 1 Nr. 3 KAGB, sodass § 32 KARBV dem Wortlaut nach auch keine Anwendung findet. Dies ist auch nachvollziehbar, da Immobiliengesellschaften regelmäßig nur Immobilien halten und verwalten und damit nicht den Charakter einer unternehmerischen Beteiligung haben.
§ 261 Abs. 6 KAGB regelt hinsichtlich der Erwerbsbewertung der von geschlossenen AIF gehaltenen Gesellschaftsanteilen gem. § 261 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KAGB, dass hier von den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten der Gesellschaft auszugehen ist, die in einer geprüften aktuellen Vermögensaufstellung (Jahresabschluss) nachgewiesen sind. Diese Formulierung deutet aufgrund des klaren Bezugs auf die Vermögensgegenstände und Schulden auf die Absicht des Gesetzgebers hin, dass eine Bewertung mit dem Nettovermögenswert vorzunehmen ist. Nach unserer Einschätzung sollte daher auch eine Bewertung von Immobiliengesellschaften für geschlossene AIF mit dem Nettovermögenswert möglich sein. Es ist nicht ersichtlich, warum Beteiligungen an Immobiliengesellschaften für offene und geschlossene AIF grundsätzlich nach verschiedenen Bewertungsmethoden bewertet werden sollten, zumal die gesetzlichen Erwerbsbewertungsregelungen für offene (§ 236 KAGB) und geschlossene AIF (§ 261 Abs. 6) ausweislich der Gesetzesbegründung den gleichen Ursprung haben, nämlich den alten § 68 Abs. 2 InvG, der ebenfalls eine Bewertung mit dem Nettovermögenswert vorsah. In den Bewertungsrichtlinien der Kapitalverwaltungsgesellschaften ist demzufolge auch für geschlossene AIF regelmäßig eine Bewertung von Immobiliengesellschaften mit dem Nettovermögenswert vorgeschrieben.
Demzufolge können u. E. auch einzelne Regelungen des IDW S 12 bei der Bewertung von Immobiliengesellschaft für geschlossene AIF Anwendung finden. Dies ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Zu beachten ist bei der Bewertung für geschlossene AIF jedoch insbesondere, dass es hier keine Regelung gibt, wonach bei der Bewertung zwingend der von dem externen Sachverständigen ermittelte Wert der Immobilie anzusetzen ist. Dies hat zur Folge, dass der Bewerter sich intensiv mit dem Wertgutachten für die Immobilie und den zugrunde gelegten Annahmen auseinandersetzen und diese hinterfragen muss, was bei Immobilien-Sondervermögen aufgrund der Pflicht zur Übernahme des Wertes nur in sehr begrenztem Umfang erforderlich ist (vgl. IDW S 12, Abschn. 2.3., Tz. 33).
Ansprechpartner
- Aykut Bußian
- Dr. Christian Reibis