Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts im Kulturbereich deutlich eingeschränkt

Die Europäische Kommission hat mit ihrer neuen Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfen den Kulturbereich weitgehend von der Anwendbarkeit des EU-Beihilferechts ausgenommen.

Das europäische Beihilferecht verbietet in Art. 107 AEUV die selektive, staatliche Begünstigung von Unternehmen. Darunter fällt – unabhängig von ihrer Rechtsform – jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Schon bisher hatte die Kommission wirtschaftliches Handeln und damit das Vorliegen einer Beihilfe verneint, wenn staatlich geförderte kulturelle Aktivitäten und Einrichtungen für Besucher kostenfrei zugänglich waren. Nun ist die Kommission noch einen Schritt weiter gegangen und vertritt in ihrer sog. „Notification of Aid 2016“ die Ansicht, dass die öffentliche Finanzierung von kulturellen Aktivitäten und Einrichtungen auch dann keine wirtschaftliche Tätigkeit ist, wenn von den Besuchern bzw. Teilnehmern zwar ein finanzieller Beitrag (Eintritt) erhoben wird, dieser aber nur einen „Bruchteil“ der tatsächlichen Kosten deckt. Von einem „Bruchteil“ ist immer dann auszugehen, wenn 50 % oder weniger der Kosten durch Besucher- bzw. Benutzerentgelte gedeckt werden. Diese Voraussetzung dürfte bei den meisten Kultureinrichtungen (Museen, Theatern, Konzerthäusern etc.) und kulturellen Aktivitäten (Ausstellungen, Festivals, Konzerte, Aufführungen etc.) erfüllt sein, so dass ihnen gewährte staatliche Zuschüsse nun in aller Regel beihilferechtlich unbedenklich sein dürften. Das gilt auch deshalb, weil die meisten kulturellen Aktivitäten nur regionalen Bezug haben und sich nicht auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken. Lediglich dann, wenn es sich um große und renommierte kulturelle Aktivitäten oder Institutionen handelt, für die außerhalb des regionalen Einzugsbereichs intensiv geworben wird, kommt eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in Betracht, die ebenfalls Voraussetzung für eine (unzulässige) Beihilfe ist.

Praktisch bedeutet dies, dass zukünftig der ganz überwiegende Teil der Finanzierungen im kulturellen Bereich beihilfefrei sein dürfte. Aufwendige Anzeigen nach der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO), die Subventionierungen im Kulturbereich unter bestimmten Voraussetzungen privilegiert, werden kaum noch erforderlich sein, ebenso wie Betrauungen.

Auch die beihilferechtliche Einordnung von „Zusatzleistungen“ im Kulturbereich, wie z.B. Gastronomie und Shops in Museen, dürfte zukünftig leichter sein. Die Kommission weist in ihrer Bekanntmachung darauf hin, dass sich „übliche Zusatzleistungen“ (wie z.B. Restaurants, Geschäfte, Parkplätze etc.) von fast ausschließlich für nicht-wirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Infrastrukturen in der Regel nicht auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken. Damit sind Zuschüsse, die für derartige „übliche Zusatzleistungen“ gewährt werden (z.B. für den Betrieb eines Cafés in einem Heimatmuseum), ebenfalls in aller Regel beihilferechtlich zulässig. Steuerrechtlich kann sich allerdings etwas anderes ergeben, vor allen Dingen dann, wenn Zuwendungsgeber eine gemeinnützige Einrichtung (z.B. Verein oder Stiftung) ist. In einem solchen Fall sind auch weiterhin die steuerlichen Vorgaben im Gemeinnützigkeitsrecht zu beachten.

Achtung: Die Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe (Notification of Aid) ist nicht rechtlich bindend. Zwar ist im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung kaum mit einer abweichenden Beurteilung durch die Europäischen Gerichte zu rechnen. Dennoch ist es nach wie vor ihnen vorbehalten, über den Begriff „Beihilfe“ rechtsverbindlich zu entscheiden. Damit bleibt ein – wenn auch geringes – Restrisiko, dass trotz gegenteiliger Bekundungen der Europäischen Kommission die Gerichte weiterhin staatliche Zuschüsse an kulturelle Einrichtungen für unzulässige Beihilfen halten. Im Zweifel empfiehlt es sich daher, die Reichweite des Beihilferechts auch zukünftig in jedem Einzelfall vorab zu prüfen.

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