Gemeinnützigkeitsreform: Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Mit BMF-Schreiben vom 06.08.2021 hat die Finanzverwaltung nunmehr die erwartete Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) umgesetzt und sich zu manchen Ausführungsfragen des Jahressteuergesetzes 2020 geäußert. Wir geben einen Überblick zur Reform und zeigen deren Auswirkungen auf die Praxis auf.

Gemeinnützige Zwecke

Bezüglich der neuen gemeinnützigen Zwecke finden sich im AEAO nähere Umschreibungen. So wird zum Beispiel klargestellt, dass zur Ortsverschönerung auch die Unterhaltung von öffentlichen Parkanlagen und Lehrpfaden zur Regionalgeschichte gehören; nicht aber Aspekte der Wirtschafts- und Tourismusförderung.

Bezüglich des nicht kommerziellen Freifunks wird geregelt, dass die Weitergabe oder Verwendung der Nutzerdaten für gewerbliche Zwecke nicht dem steuerlich begünstigten Freifunk zuzurechnen sind.

Bezüglich der Friedhofsverwaltung wird ausgeführt, dass darunter auch Aufgaben des Bestattungswesens und entsprechende Dienstleistungen wie Sargaufbewahrung, Totengeleit, Kranzannahme u. ä. gehören. Soweit Tätigkeiten wie Glockenläuten, Ausschmückung und musikalische Umrahmung der Trauerfeier nach allgemeiner Übung allein von der Friedhofsverwaltung erbracht werden, gehören auch diese Maßnahmen dazu. 

Besteuerungsfreigrenze

Im AEAO wird nun unter Tz. 9 zu § 64 AO klargestellt, dass die höhere Besteuerungsfreigrenze (45.000 Euro) erstmalig für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden ist.

Erleichterung für kleinere Körperschaften bei der Mittelverwendung

Sogenannte kleinere gemeinnützige Körperschaften, die weniger als 45.000 Euro Einnahmen im Jahr erzielen, sind vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO).

Der AEAO Nr. 30, 31 zu § 55 AO regelt nunmehr, was unter Einnahmen in diesem Sinne zu verstehen ist. Einnahmen sind demnach alle Vermögensmehrungen, die der steuerbegünstigten Körperschaft zufließen. Es zählen dazu die Einnahmen des ideellen Bereichs, die Bruttoeinnahmen der Vermögensverwaltung, des Zweckbetriebs und der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe.

Es gehören aber auch solche Zuflüsse dazu, die grundsätzlich nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen, z. B. Erbschaften, Zuwendungen in das Vermögen der Körperschaft etc.

Des Weiteren gilt das Zuflussprinzip nach § 11 EStG, das heißt die Einnahmen sind dann im entsprechenden Jahr zu erfassen, wenn sie in diesem auch zugeflossen sind.

Wenn auch keine Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung für diese Körperschaften besteht, bleibt dennoch selbstverständlich die Verpflichtung zur Verwendung für satzungsmäßige steuerbegünstigte Zwecke unberührt.

Wird in einem späteren Jahr die vorgenannte 45.000 Euro-Grenze überschritten, sind die in den davorliegenden Jahren, angesammelte Mittel weiterhin nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung zu unterwerfen. Die zeitnahe Mittelverwendung gilt aber für das Jahr, in dem die Einnahmegrenze überschritten wurde.

Mittelweiterleitungen

Durch die gesetzliche Neuregelung in § 58 Nr. 1 AO gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen Förderkörperschaft und gemeinnütziger Körperschaft mit überwiegend eigener Zweckerfüllung.

Kritisch war, wer als Mittelempfänger von Mittelweiterleitungen i. S. d. § 58 Nr. 1 AO in Betracht kommt. In Nr. 2 des AEAO zu § 58 Nr. 1 AO gelten als begünstigte Körperschaften für Mittelweiterleitungen:

  • Inländische steuerbegünstigte Körperschaften (z. B. der Sportverein)
  • Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus EU-/EWR-Staaten
  • Inländische und ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts
  • Ausländische Körperschaften die nicht beschränkt steuerpflichtig sind, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird. 
  • Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus Nicht-EU-/EWR-Staaten, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird.

Demnach können auch ausländische Körperschaften aus Nicht-EU-/EWR-Staaten Mittelempfänger sein, allerdings nur dann, wenn die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte satzungsmäßige Zwecke ausreichend nachgewiesen wird. Wenn also etwa der Mittelempfänger in Großbritannien ansässig ist, ist sicherzustellen, dass ein Nachweis vorliegt, für welche Maßnahmen oder Zwecke die empfangenen Mittel verwendet werden.

Wenn auch eine Selbstverständlichkeit, wird ausdrücklich geregelt, dass der steuerbegünstigte Zweck in der Satzung separat zu erfassen ist, es aber weiterhin nicht erforderlich ist, dass die Körperschaften, an die die Mittel weitergegeben werden sollen, in der Satzung namentlich genannt werden müssen.

Soweit der Verein einen Satzungszweck unmittelbar verfolgt (z. B. Forschung) und einen weiteren Zweck ausschließlich durch Mittelweitergaben verwirklicht (z. B. Kunst und Kultur), muss sowohl die unmittelbare Zweckverfolgung als auch die Mittelweitergabe in der Satzung abgebildet werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn beide Zwecke sowohl unmittelbar als auch durch Mittelweitergabe erfüllt werden (z. B. Sport- und Kulturvereine).

Wesentlich ist noch, dass allein wegen der Neuregelungen des § 58 Nr. 1 AO die Satzung nicht zu ändern ist, wenn die bisherige satzungsmäßige steuerbegünstigte Tätigkeit weiterhin im gleichen Umfang erfolgt.

Bedeutend ist daher, dass nunmehr festgelegt ist, dass die Zwecke der hingebenden und empfangenden Körperschaft im Übrigen nicht (mehr) identisch sein müssen. So könnte ein Kulturverein seine Mittel auch für ein Hilfsprojekt im Rahmen der Wohlfahrtspflege (z. B. im Rahmen der Bekämpfung der Pandemie) weitergeben.

Soweit nicht zeitnah zu verwendende Mittel (z. B. freie Rücklage) an eine andere Körperschaft weitergeleitet werden, unterliegen diese auch bei der empfangenden Körperschaft nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Zum Nachweis sollten diese Mittel beim Empfänger buchhalterisch abgegrenzt werden.

Weitere Fördermöglichkeiten

Nach § 58 Nr. 4, 5 und 7 AO bestehen weitere Tätigkeiten die ohne unmittelbare Zweckverwirklichung für die Gemeinnützigkeit unschädlich sind.

Im AEAO wird nunmehr geregelt, dass so weit die Nutzungsüberlassungen oder Dienstleistungen gegen einen den entstandenen Kosten übersteigenden Betrag erbracht werden, sind diese grundsätzlich steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (z. B. Personalüberlassung) oder Vermögensverwaltung (z. B. Raumüberlassung) und können damit nicht aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanziert werden.

Vertrauensschutzregelung

Mit dem neu geschaffenen § 58 a AO werden Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz bei Mittelweiterleitungen geschaffen. Dazu müssen entsprechende Nachweise, also zum Beispiel der Feststellungs- oder Freistellungsbescheid der empfangenden Körperschaft, zu den Unterlagen genommen werden. Hierzu reicht sowohl eine Kopie als auch eine elektronische Kopie aus.

Der AEAO stellt nochmals klar, dass bei Zuwendungen an juristische Personen, also etwa eine Stadt, für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke stets ein Vertrauensschutz gilt, weil die Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sei, sodass der Zuwendende darauf vertrauen darf, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts die Mittel entsprechend verwenden. Es muss allerdings eine Hingabe ausdrücklich zu steuerbegünstigten Zwecken erfolgen.

Gemeinnützige Holding

Durch die Vorschrift des § 57 Abs. 4 AO werden auch gemeinnützige Holdingstrukturen begünstigt. Der AEAO stellt nunmehr in Nr. 12 zu § 57 Abs. 4 AO erfreulicherweise ausdrücklich fest, dass die Vorschrift nicht ausschließt, dass eine solche steuerbegünstigte Holdinggesellschaft wie üblich auch Anteile an steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften halten kann.

Beteiligungen auch an steuerbegünstigten Tochterkapitalgesellschaften wurden bisher der Vermögensverwaltung zugeordnet.

Überraschenderweise regelt der AEAO aber nun, dass eine Beteiligung, die zur unmittelbaren Verfolgung der eigenen steuerbegünstigten Zwecke an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft gehalten wird, dem ideellen Bereich zuzuordnen ist, wenn die steuerbegünstigten Zwecke der gehaltenen Beteiligungsgesellschaften in den eigenen steuerbegünstigten Zwecken enthalten ist.

Mehr oder weniger bedeutet dies, dass die Holding die Zwecke der Tochtergesellschaften in ihrem Satzungszweck ausweisen muss. Es ist folgerichtig zwar ausgeführt, dass die Einnahmen aus dieser Beteiligung dann keine Einnahmen der Vermögensverwaltung, sondern Einnahmen des ideellen Bereichs sind, dies bewirkt aber gleichzeitig, dass dieser Bereich nicht mehr zur Bildung der freien Rücklage in Höhe von einem Drittel zur Verfügung steht, sondern nur noch mit 10 v. H. (Einnahmen des ideellen Bereichs) berücksichtigt werden kann.

In diesem Zusammenhang wird auch festgestellt, dass die Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften nutzungsgebundenes Vermögen ist und somit auch als zeitnah zu verwendende Mittel für diese eingesetzt werden können.

Zu beachten ist aber, soweit die Holdinggesellschaft entgeltlich bestimmte Leistungen (z. B. Buchhaltungsleistungen) erbringt, dies für die Holding als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gilt, es sei denn, die Leistungserbringung erfolgt im Rahmen einer steuerbegünstigten Kooperation i. S. d. § 57 Abs. 3 AO (vgl. nachfolgend).

Weiterhin kann aber die Gemeinnützigkeit durch eigene begünstigte Tätigkeiten sichergestellt werden.

Begünstigte Kooperationen

§ 57 Abs. 3 AO regelt das begünstigte Zusammenwirken mit anderen steuerbegünstigten Körperschaften. Wie absehbar, regelt der AEAO ausdrücklich, dass in der Satzung das planmäßige Zusammenwirken zur gemeinnützigen Zweckverfolgung festgelegt werden muss.

Was als „planmäßiges Zusammenwirken“ zu verstehen ist, wird auch ausgeführt, wozu auch Dienstleistungen oder Nutzungsüberlassung gehören. Der AEAO greift insoweit das in der Gesetzesbegründung genannte Beispiel der Krankenhauswäscherei auf. Darunter wird auch verstanden, dass ein Zusammenwirken in der Weise erfolgt, dass mehrere steuerbegünstigten Körperschaften unterschiedliche Leistungselemente erbringen, wenn diese Leistungselemente durch das Zusammenwirken in die Förderung des steuerbegünstigten Zweckes münden. § 57 Abs. 3 AO fördert also nicht den klassischen Leistungsaustausch (Erbringung Dienstleistung gegen Geld), sondern tatsächlich das Zusammenwirken in einem gemeinsamen Handeln. Es muss also ein arbeitsteiliges Vorgehen vorliegen. Dies muss keine Wiederholungsabsicht haben und kann auch zwischen Gesellschaften oder verbandsrechtlich nicht verbundenen Körperschaften ermöglicht sein, ebenso mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Allerdings muss in der Satzung der betroffenen Körperschaften, die Körperschaften mit denen kooperiert wird und die Art und Weise der Kooperation in den Satzungen bezeichnet werden.

Unweigerlich kann dies zum Beispiel bei neuen Kooperationen oder bei nicht mehr aufrechterhaltenen Kooperationen zu mehrfachen Änderungen der Satzungen führen.

Schon im Jahressteuergesetz 2020 war Besonderheit, dass dieses Zusammenwirken auch mit bisher (noch) steuerpflichtigen Körperschaften erfolgen kann. Als maßgebliche Tätigkeiten sieht der AEAO zusätzlich zur Krankenhauswäscherei auch alle gemeinschaftlichen Serviceleistungen vor, worunter auch Buchhaltung, Beschaffungsstellungen, Nutzungsüberlassungen und Vermietungen zählen. Auch diese Möglichkeit kann nur durch Satzungsänderungen erreicht werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese bei der Ertragsteuer das ganze Jahr gelten müssen. Soll Gemeinnützigkeit für das Jahr 2022 vorliegen, müsste die Satzungsänderung noch in 2021 vollzogen sein.

Des Weiteren versteht sich, dass entsprechende Leistungen an Dritte weiterhin steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bleiben.

Als weitere Besonderheit regelt der AEAO hinsichtlich der Betriebsaufspaltungsfälle (Grundstück in Besitzgesellschaft, Tätigkeit in Betriebsgesellschaft), dass die eingesetzten Wirtschaftsgüter, wie etwa die Grundstücke, dem Zweckbetrieb oder dem ideellen Bereich zugeordnet werden können und ordnet auch diese Beteiligungen dann dem ideellen Bereich zu.

Im Allgemeinen spricht man insoweit von einer „Gemeinnützigkeitsmachung der Servicegesellschaften“, was jedoch zusätzliche weitere steuerliche Überlegungen erfordert. Dies vor allem, da Zuordnungsfragen zu den verschiedenen Sphären ebenso wie deren steuerliche Auswirkungen zu prüfen sind.

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