Distressed M&A: Transaktionen in der Krise nach SanInsFoG

Raue Zeiten bringen erhebliche unternehmerische Chancen – aber auch Risiken. Gerade zu Beginn der Pandemie kamen die M&A-Aktivitäten zwischenzeitig nahezu zum Erliegen. Mittlerweile herrscht an vielen Stellen wieder Aufbruchstimmung, insbesondere beim Erwerb krisengebeutelter Targets. Der Unternehmenskauf in der Krise („Distressed“) ist allerdings mit besonderen Risiken behaftet. Eine wesentliche Weichenstellung für den Käufer ist, ob das Target schon im Insolvenzverfahren ist. Am 1. Januar 2021 ist nun das SanInsFoG in Kraft getreten und mit ihm der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen („SRR“). Dadurch kommt eine weitere Phase hinzu, die auch für den Erwerber spannende Optionen bieten kann.

Kauf vor der Insolvenz

Die wesentlichen Risiken beim Unternehmenskauf vor einer Insolvenz liegen in einer späteren insolvenzrechtlichen Anfechtung (§§ 129ff. InsO) und der Nichterfüllungswahl (§§ 103ff. InsO).

Bei einer erfolgreichen Anfechtung des Unternehmenskaufs fiele das Unternehmen in die Insolvenzmasse und die Rückforderung des Kaufpreises bliebe als Insolvenzforderung zurück. Das Perfide für den Käufer: Gerade unangemessen niedrige Kaufpreise können schnell eine insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit begründen. Begleitende Bewertungsgutachten oder eine Fairness Opinion reduzieren das Risiko erheblich. Die Produktpalette der Transaktionsversicherung (W&I) deckt gegebenenfalls auch Anfechtungsrisiken ab. So können diese Risiken zwar reduziert werden, seinen Reiz als „Schnäppchen“ kann das Unternehmen aber dadurch auch wieder verlieren. Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn der Verkäufer die Zielgesellschaft mit Gesellschafterdarlehen in der Vergangenheit finanziert hat. Rückzahlungen auf diese Gesellschafterdarlehen sind innerhalb eines Jahres vor der Insolvenzantragstellung besonders gefährdet. So kann es insbesondere für den Verkäufer zu bösen Überraschungen kommen, wenn er dieses Risiko nicht in seine Überlegungen miteinbezieht. 

Noch geringere Voraussetzungen hat das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters (§§ 103ff. InsO): Sind die wechselseitigen Leistungspflichten zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig erfüllt, kann der Insolvenzverwalter die weitere Erfüllung der Transaktion ablehnen. Das kann besonders dann schmerzhaft werden, wenn der Käufer teilweise vor einer Insolvenz in Vorleistung gegangen ist. Praxisrelevant sind hier regelmäßig kriseninduzierte Liquiditätshilfen, die vom potenziellen Käufer während des Erwerbsprozesses gewährt werden und dann bei der Zahlung des Kaufpreises angerechnet werden sollten. 

Es versteht sich von selbst, dass in dieser Phase – auch beim Asset Deal – besonderes Augenmerk auf die Due Diligence (DD) und die korrespondierenden Garantieerklärungen des Verkäufers gelegt werden muss. Ohne grundlegende Garantien, etwa zur Offenlegung sämtlicher (wesentlicher) Verträge, hilft vor der Insolvenz auch keine ausführliche DD. Das ist – das sei hier nur am Rande erwähnt – ein durchaus haftungsrelevantes Thema für die Geschäftsführung der kaufenden Gesellschaft. Schmerzhaft kann aber auch hier die Kombination mit einer späteren Insolvenz des Verkäufers sein. Übernommene Garantie- und Freistellungserklärungen werden dann für den Käufer schnell wertlos. In der Praxis treten hier immer wieder bittere Fälle auf, die dann auch den Erwerber in Schwierigkeiten bringen. Das ist umso erstaunlicher, da sich diese Risiken vorinsolvenzlich zumindest erheblich reduzieren lassen.

Ein wesentlicher Punkt streitet letztlich aber für einen Erwerb vor der Insolvenz: Das Stigma der Insolvenz haftet auch einem eigentlich erfolgversprechenden Geschäftsmodell an. Betroffen ist in der Regel auch die damit verbundene Marke. Kommt es gar zu einer Betriebsunterbrechung, verlassen Kunden und (gute) Mitarbeiter schnell das sinkende Schiff. Eine professionelle Eigenverwaltung verhindert hier viel, will aber gut geplant und umgesetzt sein.

Kauf im Rahmen eines Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens

Seit dem 01. Januar 2021 können Transaktionen auch im Rahmen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen („SRR“) durchgeführt werden. Einen Überblick über die neuen Möglichkeiten bei der Restrukturierung von Unternehmen finden Sie hier. Wesentlicher Bestandteil dieser neuen vorinsolvenzlichen Restrukturierungsoption ist der Restrukturierungsplan. Hier werden für die Beteiligten Regelungen festgelegt, die in einem späteren Insolvenzverfahren anfechtungsprivilegiert werden („safe harbour“). Eine Anfechtung kann sich dann nur noch darauf beziehen, dass die Bestätigung des Plans auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht und dem Anfechtungsgegner dies bekannt war. So lässt sich etwa das Risiko einer Anfechtung der Transaktion aufgrund eines (vermeintlich) zu niedrigen Kaufpreises reduzieren, wenn der Verkaufsvorgang Bestandteil eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans ist. 

Neu ist zudem, dass Investoren außerhalb eines Insolvenzverfahrens die Möglichkeit der Übernahme von Beteiligungen oder Assets gegen den Willen der Gesellschafter mithilfe einer Mehrheitsentscheidung über einen Restrukturierungsplan haben. Wie bei einem Insolvenzplan können Altgesellschafter beispielsweise durch eine Kapitalherabsetzung auf null und eine anschließende Kapitalerhöhung aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden. Der wesentliche Unterschied zum Insolvenzplan liegt in der Höhe der erforderlichen Gläubigermehrheit. Die Anforderungen an das erforderliche Quorum sind im Insolvenzverfahren deutlich niedriger.

Ein SRR kann auch mit ausgewählten Gläubigern umgesetzt und muss nicht öffentlich gemacht werden. Das bietet beim Unternehmenskauf gegenüber dem Insolvenzverfahren häufig Vorteile, da die Transaktion bis zum Abschluss über diesen Kreis hinaus geheim gehalten werden kann. 

Ähnlich wie ein SRR funktioniert auch die Sanierungsmoderation. Der hier erforderliche Sanierungsplan entspricht dem Sinn und Zweck des Restrukturierungsplans. Aus dem begleitenden Restrukturierungsbeauftragten wird der Sanierungsmoderator. Der wesentliche Unterschied liegt im erforderlichen Quorum: Bei der Sanierungsmoderation sind keine Mehrheitsentscheidungen möglich.

Kauf in der Insolvenz

Juristisch ist der Kauf aus der Insolvenz für den Käufer mit wesentlich weniger Risiken behaftet und bietet darüber hinaus weitere Vorteile. Insbesondere Steuerverbindlichkeiten werden privilegiert und gehen nicht auf den Erwerber über (§ 75 Abs. 2 AO). Anders als vor der Insolvenz haftet der Erwerber beim Asset Deal aus der Insolvenz auch nicht für Verbindlichkeiten der Arbeitnehmer vor Verfahrenseröffnung. Besonders spannend dürfte oftmals sein, dass der Erwerber sich die von ihm betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände zusammenstellen kann. Vor allem Anfechtungsrisiken sind für den Käufer kaum noch vorhanden. 

Die Kosten für Personalanpassungsmaßnahmen sind im Insolvenzverfahren ebenfalls begrenzt; jedenfalls soweit ein Sozialplan und Interessensausgleich aufgestellt werden muss (vgl. § 123 InsO). Die Kündigungsfrist beträgt darüber hinaus maximal drei Monate (§ 113 InsO). Allerdings findet auch in der Insolvenz das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung. Die Zusammenstellung einer Auswahl der besten Mitarbeiter, also der Olympiamannschaft, kann daher auch hier mit besonderen Herausforderungen verbunden sein. Die Regelungen für einen Betriebsübergang (§ 613a BGB) gelten auch im Insolvenzverfahren. Helfen kann hier meist ein Erwerberkonzept, das sich der veräußernde Insolvenzverwalter zu eigen macht und die Kündigung umsetzt. Beachten muss der kündigende Insolvenzverwalter aber ebenfalls die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl. Bei einem Personalabbau im Rahmen eines Insolvenzverfahrens besteht allerdings mehr Spielraum als außerhalb eines Insolvenzverfahrens, da die Sozialauswahl dann nicht als grob fehlerhaft anzusehen ist, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass nicht vorzugsweise die Arbeitnehmer mit der jüngsten Betriebszugehörigkeit abzubauen sind.

In der Insolvenz gibt es noch weitere Unterschiede zwischen der fremd- und eigenverwalteten Insolvenz. Bei der eigenverwalteten Insolvenz ist die Chance größer, dass auch im Rahmen eines Asset Deals abgegebene Garantieerklärungen der eigenverwaltenden Geschäftsleitung von Wert sein können. Über notwendigsten Erklärungen hinaus wird der Insolvenzverwalter in der Regel keine Garantien abgeben. Auch bietet eine durchdachte Kombination aus Share Deal und Insolvenzplan interessante Möglichkeiten für den Erwerb, insbesondere aus der Eigenverwaltung.

Zusammenfassung und Fazit

Unabhängig davon, ob man bei einem Distressed Deal auf der Verkäufer- oder Käuferseite steht, sind viele Fallstricke zu beachten. Bestehende Risiken können nur durch eine professionelle Vorbereitung und Durchführung der Transaktion erheblich reduziert werden. Durch die Einführung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens hat sich der Instrumentenkasten für den Kauf aus der Krise erweitert. Das Risiko einer späteren insolvenzrechtlichen Anfechtung kann durch einen Restrukturierungsplan erheblich verringert werden. Die wenigsten Risiken birgt allerdings nach wie vor der Kauf aus der Insolvenz. Hierfür streiten darüber hinaus zusätzliche Möglichkeiten, Erwerberkonzepte günstiger und einfacher umzusetzen. Letztlich wird der Erwerber in der Regel nicht über die Phase entscheiden können, in der ein Target erworben werden soll. Umso wichtiger ist es aber, die Chancen und Risiken der einzelnen Phasen zu kennen und sie an die eigenen Präferenzen während des Erwerbsvorgangs anzupassen. 

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