Die Gaskrise und ihre Folgen für Stadtwerke – was ist beihilfenrechtlich zu beachten?

Die Gaskrise sorgt für große Schwierigkeiten im Energiemarkt. Während der Bund Anfang Juli das Energiesicherungsgesetz angepasst hat und in Anwendung des neuen § 29 EnSiG beim Energiekonzern Uniper eingestiegen ist, werden die Hilferufe vieler Stadtwerke angesichts großer Verluste im Energiegeschäft immer lauter. Stadtwerke kommen u.a. auch nicht in den Genuss des Hilfsprogramms des Bundes für energieintensive Industrien.

Geraten kommunale Stadtwerke in eine wirtschaftliche Schieflage und müssen „gerettet“ werden, sieht der Bund in erster Linie die Bundesländer und die Kommunen in der Pflicht. Bislang hat aber lediglich die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen einen Schutzschirm für kommunale Stadtwerke angekündigt, andere Landesregierungen sind hingegen noch zurückhaltend.


Welche Anforderungen gelten für Schutzschirme auf Landesebene?

Sofern einzelne Bundesländer solche Schutzschirme auf den Weg bringen wollen, ist dies – vergleichbar mit den Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie – im Rahmen eines Gesetzes oder mittels eines Förderprogramms möglich. In beiden Fällen muss das Vorhaben als Beihilfe zur Europäischen Kommission notifiziert und von dieser genehmigt werden. Dabei kann das jeweilige Bundesland an die spezifischen Umstände der Gaskrise anknüpfen und diese als Begründung für die beihilfenrechtliche Erforderlichkeit des jeweiligen Programms heranziehen.


Was können Kommunen tun, um ihre Stadtwerke finanziell zu unterstützen?

Gibt es in einem Bundesland keinen Schutzschirm, sind die Kommunen als Gesellschafter der Stadtwerke gefordert. In diesem Fall gelten die allgemeinen beihilfenrechtlichen Spielregeln. Am einfachsten umzusetzen sind Maßnahmen, die zur Folge haben, dass bereits der Tatbestand des Beihilfenverbots nicht erfüllt ist, sodass eine Notifizierung oder Freistellung von der Notifizierungspflicht nicht erforderlich ist.


Vergleich mit einem marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten

Die beihilfenrechtlich einfachste und sicherste Handlungsoption ist es, wenn die Kommune nachweisen kann, dass sie sich bei ihren jeweiligen Maßnahmen wie ein anderer marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsbeteiligter verhält. Dieser auch als „Private-Investor-Test“ bekannte Ansatz hat zur Folge, dass eine Begünstigung und damit eine Beihilfe für das Stadtwerk verneint werden kann, wenn sich die Kommune als Gesellschafter wie ein Kapitalgeber verhält, der sich nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Kriterien ausrichtet.

Hierfür muss ex ante auf Grundlage einer Prognose ermittelt werden, ob auch ein unter normalen Marktbedingungen handelnder privater Kapitalgeber, der mit der Kommune im Hinblick auf seine Größe und wirtschaftliche Lage vergleichbar ist, zu dem fraglichen finanziellen Engagement bewegt werden könnte. Zum Vergleich können auch Unternehmen herangezogen werden, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgen, innerhalb derer sie sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten, strategischen Geschäftsplanungen und weiteren Überlegungen leiten lassen.

Im Hinblick auf den Nachweis eines marktkonformen Verhaltens differenziert die Europäische Kommission zwischen Fallgestaltungen, in denen die Marktkonformität des staatlichen Handels direkt festgestellt werden kann, und solchen, bei denen die Marktkonformität im Einzelfall geprüft werden muss.

Ein marktkonformes Verhalten kann insbesondere dann vorliegen, wenn sich sowohl die kommunale Seite als auch private Mitgesellschafter gleichwertig (entsprechend der Höhe ihrer Beteiligung) an finanziellen Unterstützungsmaßnahmen zugunsten eines Stadtwerkes beteiligen (sog. Pari-passu-Transaktion). 

Anderenfalls muss die Marktkonformität und Rentabilität des Vorhabens im Einzelfall geprüft werden, etwa durch entsprechende Vergleichsbetrachtungen von Wirtschaftsprüfern o.ä.


Kommunalbürgschaften

Häufig werden Bürgschaften von Kommunen zur Absicherung von Krediten kommunaler Unternehmen als „kostengünstige“ und naheliegende Lösung gesehen. Dabei ist Vorsicht geboten, denn der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsbeteiligten gilt auch hier. Neben den Anforderungen, die sich u.a. aus der sog. „Bürgschaftsmitteilung“ der Europäischen Kommission ergeben, ist zu berücksichtigen, dass Kommunalbürgschaften unter Umständen (abhängig von ihrer Höhe) von der Rechtsaufsicht genehmigt werden müssen und zudem ein entsprechender Beschluss des Stadt- bzw. Gemeinderats erforderlich ist.


Anwendung der „De-minimis-"Verordnung

Bei geringfügigem Unterstützungsbedarf kommt auch eine Anwendung der „De-minimis“-Verordnung in Betracht. Für Bürgschaften oder Darlehen gibt es hierbei sog. „safe harbour“-Regelungen. 


Gewährung von Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen

Ist die wirtschaftliche Situation eines kommunalen Unternehmens so angespannt, dass es auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen sein wird, wenn die Gesellschafter nicht eingreifen, kann ein Stadtwerk als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ anzusehen sein. In diesem Fall greifen die Rettungs- und Umstrukturierungs-Leitlinien der Europäischen Kommission ein. Dabei wird zwischen Rettungsbeihilfen, Umstrukturierungsbeihilfen und vorübergehenden Umstrukturierungsbeihilfen unterschieden. Als mögliche Rettungsbeihilfen kommen Darlehensgewährungen und Bürgschaftsübernahmen in Betracht.

Sofern Stadtwerke von Kommunen beherrscht werden, greift die Bundesrahmenregelung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Schwierigkeiten, die Einzelbeihilfen in Höhe von maximal EUR 10 Mio. ermöglichen, im Regelfall nicht ein. Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Stadtwerke müssen somit im Normalfall zur Europäischen Kommission notifiziert und von dieser (ggf. innerhalb verkürzter Fristen) genehmigt werden.


Weitere Argumentationsmöglichkeiten

Schließlich kann man in Einzelfällen auch in Erwägung ziehen zu prüfen, ob die jeweilige Maßnahme geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Diese Argumentation dürfte bei einem Engagement des Stadtwerks in liberalisierten Märkten aber schwierig zu begründen sein. Anders wäre dies etwa im Hinblick auf den Betrieb von Bädern durch ein Stadtwerk und die dadurch verursachten Verluste.

Erbringt ein Stadtwerk im Einzelfall Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI), ergeben sich zusätzliche Argumentations- und Handlungsoptionen.
Eine Notifizierung von Einzelmaßnahmen auf kommunaler Ebene ist zwar grundsätzlich denkbar, kommt faktisch aber aufgrund der erforderlichen Mitwirkung der zuständigen Ministerien auf Landesebene und des Bundeswirtschaftsministeriums und des erforderlichen Zeitbedarfs der Europäischen Kommission für eine solche Prüfung nicht in Betracht.


Empfehlung

Auch ohne Schutzschirm des Bundes oder einzelner Bundesländer bietet das Beihilfenrecht außerhalb der Durchführung eines Notifizierungsverfahrens verschiedene Instrumente und Argumentationsmöglichkeiten, um sachgerecht auf den gestiegenen Finanzierungsbedarf kommunaler Unternehmen reagieren zu können. Dies bedarf aber einer vertieften Prüfung der spezifischen Konstellation bei dem jeweils betroffenen Unternehmen.
 

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